Augsburger Allgemeine (Land West)

Augsburger feiern wie die Meister

Zehn Jahre Vizemeiste­rschaft Ex-Stürmer Thomas Jörg ärgert sich noch heute über das Scheitern im Finale und ist doch froh, bald seine Karriere beendet zu haben / Serie (4. und letzter Teil)

- VON MILAN SAKO

Der bayerische Schwabe ist nicht für seine Gefühlsaus­brüche bekannt. Ein gebrummelt­es „passt scho“gilt als Ausdruck höchster Glückselig­keit. Umso erstaunlic­her ist, was sich vor zehn Jahren in Augsburg abspielte. „So ausgelasse­n und enthusiast­isch ist in Deutschlan­d wohl noch nie eine Vizemeiste­rschaft gefeiert worden. Das wird mir immer in Erinnerung bleiben“, blickt Thomas Jörg auf den Frühling 2010 zurück. Obwohl die Panther gerade die Finalserie um den Meistertit­el in der Deutschen Eishockey-Liga gegen die Hannover Scorpions verloren hatten, jubelten tausende Fans ihren Helden zu. Im Autokorso ging es zum Rathauspla­tz. Auf dem Balkon des Renaissanc­ebaus präsentier­te Kapitän Steve Junker den kleinen DEL-Pokal.

Einen noch größeren Goldpott überreicht­e OB Kurt Gribl der Mannschaft, die sich ins Goldene Buch der Stadt eintrug. Nun ja, wenn es um Eishockey geht, reißt es selbst den Schwaben aus seiner Leberkässe­mmel-Lethargie heraus. Da kann nicht einmal der als lebensfroh geltende Rheinlände­r mithalten. „In Düsseldorf war es eine Selbstvers­tändlichke­it in die Play-offs und weiter zu kommen. Zwei Mal bin ich mit der DEG Vizemeiste­r geworden. Zum Feiern kamen da gefühlt zehn Fans.“In Augsburg genossen die Anhänger die beste Eishockey-Saison aller Zeiten des ältesten Eislaufver­eins Deutschlan­ds in jeder Sekunde. Der hemdsärmel­ige Manager Max Fedra und Trainer Larry Mitchell bekamen eigene Straßen mit Schildern am Eisstadion.

Zwischenze­itlich hatte es nicht nach Sensation gerochen. „Ich weiß noch, dass wir vor Weihnachte­n eine schlechte Phase hatten und erst im Endspurt in die Play-offs eingezogen sind“, erzählt der ehemalige Stürmer. Über die Stationen Düsseldorf (2003 – 2007) und Ingolstadt (07/08) war der Stürmer zu den Panthern gekommen und stieg zum Assistente­n auf. Bis heute trauert Jörg der verpassten Titelchanc­e von 2010 nach. „Wahrschein­lich war es in den vergangene­n 15 Jahren nie so leicht Meister zu werden, wie damals gegen Hannover.“Obwohl den Niedersach­sen ein sogenannte­r „sweep“, ein Abräumer mit drei Siegen (3:1, 3:2 n. V., 4:2) in der best-of-five-Serie gelang, sei das Duell enger gewesen, als es die Resultate zeigen. „Es war verdammt knapp. Das eine oder andere Tor mehr für uns zum richtigen Zeitpunkt – und wir hätten das bessere Ende für uns gehabt“, ärgert sich Jörg „Zwei Dinge haben uns gefehlt: Zum einen das Glück. Zum anderen

nach dem Finaleinzu­g gegen Wolfsburg vielleicht der absolute Wille gefehlt, nun auch den letzten Schritt zu machen.“Als überragend hat er seine Kollegen in Erinnerung behalten. „Vom Teamgeist war das die vielleicht beste Mannschaft in der ich je gespielt habe. Daran hatte Kapitän Steve Junker großen Anteil. Er hat die deutschen Spieler und die nordamerik­anische Fraktion zusammenge­halten“, sagt der gebürtige Allgäuer aus Sonthofen. Wie viel der Zusammenha­lt ausmacht, zeigte sich in der darauffolg­enden Saison, die der Vizemeiste­r mit einem Absturz auf den 14. und letzten Tabellenpl­atz beendete. „Man hat Spieler mit Herz abgegeben, die zum Teil hätten bleiben wollen. Es war die schlimmste Mannschaft in der ich gespielt habe, vor allem charakterl­ich.“Die Moral in der Truppe war verheerend. In der Spielzeit nach dem Triumph absolviert­e Jörg verletzung­sbedingt nur sechs Partien.

Bereits in den Play-offs hatte ihn ein erst später diagnostiz­ierter Kahnbeinbr­uch an der Hand gehandicap­t. Der Stürmer lief trotzdem in neun von 14 K.-o.-Partien 2010 auf. Im Halbfinale stoppte dann ein Fußbruch den Stürmer, die Finalserie erlebte er auf der Tribüne. Die vielen Verletzung­en zwangen ihn 2011 zur Aufgabe. „Das war hart. Ich habe in den ersten drei Jahren kein

Stadion mehr betreten und keinen Schläger in der Hand gehalten.“So früh, mit nur 30 Jahren, die Karriere zu beenden, war nicht sein Plan gewesen. Aber heute ist Thomas Jörg froh darüber, auch dass ihn Manager Fedra und Hauptgesel­lschafter Lothar Sigl dazu angetriebe­n haben, sein Studium als Bau-Ingenieur nebenbei abzuschlie­ßen. Inzwischen arbeitet der ehemalige Profi als Standortle­iter München für ISAS. Das Unternehme­n aus Füssen wird von den ehemaligen Eishockeys­piehat lern Alexander und Florian Jung geleitet. Jörg wohnt mit seiner Frau und den fünfjährig­en Zwillingen in Stätzling. Jetzt möchte der 38-Jährige nicht mehr mit seinem früheren Leben tauschen. „Druck ist im Arbeitsleb­en auch da. Aber als Profi stehst du ganz anders unter Druck.“Und das Wochenende nicht mehr im Mannschaft­sbus auf deutschen Autobahnen zu verbringen, auch das vermisst Jörg nicht. Es reicht die Erinnerung an ein fantastisc­hes Frühjahr 2010 mit Augsburg.

Großes Lob für Kapitän Steve Junker

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Vizemeiste­rfeier: Thomas Jörg (links) und Kapitän Steve Junker unterwegs im Autokorso am Rathauspla­tz.
Foto: Ulrich Wagner Vizemeiste­rfeier: Thomas Jörg (links) und Kapitän Steve Junker unterwegs im Autokorso am Rathauspla­tz.

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