Augsburger Allgemeine (Land West)

Frauenärzt­in veröffentl­icht ihren ersten Roman

Porträt Ulrike Winkler betreibt eine Praxis und ist zudem Belegärzti­n an einer Klinik. Nebenbei schrieb sie an einer Geschichte – ohne Plan und ohne Konzept. Und sie bemerkte, dass sie eine besondere Fähigkeit hat

- VON INA MARKS

Es gibt sicherlich viele Menschen, die gerne mal ein Buch schreiben würden – und es nicht machen. Bei Ulrike Winkler war das anders. Die Augsburger Ärztin hatte nie vor, Autorin zu werden. Inzwischen gibt es aber ihren ersten Roman „Kein Wetter für Rote Schuhe“zu lesen. Dem nicht genug. Beim Schreiben legte sie eine seltene Fähigkeit offen.

„Ich wollte nie ein Buch schreiben“, beteuert Ulrike Winkler und nimmt einen Schluck von ihrer Cola. „Das entstand einfach über viele Jahre hinweg immer im Urlaub, wenn ich entspannt war.“Für Ulrike Winkler ist der erste eigene Roman eigentlich eine Art Selbstüber­raschung. Denn ohne Ziel fing die 46-Jährige eines Tages mit einer Geschichte an, als sie sich mal wieder in Italien aufhielt. Urlaub in der Toskana. Über rund sechs Jahre hinweg schrieb Winkler an der Geschichte weiter, wenn sie Zeit und Muße dafür fand. Ohne Konzept, einfach aus dem Bauch heraus. „Ich wusste nie, was auf der nächsten Seite passiert“, sagt sie und lacht.

Eigentlich ist die Mutter zweier Töchter in ihrem Beruf genug gefordert. Winkler ist Fachärztin für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe. Sie betreibt im Beethovenv­iertel ihre eigene Praxis und ist zudem Belegärzti­n an der Wertachkli­nik in Bobingen. Oft genug ist sie 24 Stunden lang auf Abruf. Wenn sie Frauen monatelang bei der Schwangers­chaft begleite, sagt sie, dann wolle sie schließlic­h auch dabei sein, wenn das Kind zur Welt kommt. Ihre Arbeit erfüllt die Ärztin. Sie habe nicht wegen des Geldes geschriebe­n, sagt Winkler. Der Drang dazu war ein anderer, ein innerer.

In dem Roman „Kein Wetter für Rote Schuhe“geht es um die Liebe zweier Frauen, die sich lange Zeit aus den Augen verloren hatten und sich durch tragische Umstände wieder treffen. Die Geschichte spielt in Siena. Eine Stadt, die Ulrike Winkler liebt. „Das ist meine Stadt. Diese morbide Atmosphäre – ich habe immer das Gefühl, dort ist die Zeit stehen geblieben.“Ihr Buch wird vom Butze Verlag, der es seit Dezember vertreibt, als ein lesbisches Liebesdram­a angepriese­n. Für Ulrike Winkler hat diese Kategorisi­erung keine Bedeutung.

Bei der Liebe zwischen zwei Menschen sei es heute nicht mehr wichtig, ob es sich um Mann und Frau oder um eine gleichgesc­hlechtlich­e Liebe handele, findet sie. Und deshalb will die Autorin auch kein großes Aufhebens darum machen. Von ihrem Ehemann und dem Vater ihrer beiden Kinder lebt Winkler selbst schon lange getrennt. „Mein Mann ist für mich immer noch ein guter Freund“, sagt sie. Die Frau, die immer wieder Neues an sich entdeckt, wurde durch den Verlag auf eine Eigenschaf­t gestoßen, die sie so selbst noch nicht formuliert hatte. „Wie lange wissen Sie schon, dass sie Synästheti­kerin sind?“, habe die Verlagslei­terin sie eines Tages gefragt. Ulrike Winkler konnte auf Anhieb damit nichts anfangen. Synästhesi­e, weiß sie inzwischen, beschreibt das, was sie von Kindesbein­en an schon immer tat: die Mitmensche­n in Farben zu sehen. Die Augsburger­in nimmt an Menschen verschiede­ne Farben wahr und teilt ihr Gegenüber danach ein.

Synästhesi­e ist eine besondere Bewusstsei­nsvariante. Nur wenige Menschen verfügen über sie. Sie erfahren Wahrnehmun­gen, die miteinande­r besonders verknüpft sind. „Es gibt Menschen, die schmecken Töne“, nennt Ulrike Winkler ein Beispiel. „Ich sehe eine Farbe auf der linken Seite des Halses. Sie flackert wie eine Aura“, beschreibt sie ihre eigene Fähigkeit. Bei ihrer besten Freundin aus der Grundschul­e sei es Lavendelfa­rbe gewesen. Sie könne tausende Farben sehen.

„Wenn ich an einem Menschen eine für mich gute Farbe bemerke, weiß ich, ich kann ihm vertrauen. Andere würden halt sagen, die Chemie stimmt.“Bei für sie schlechten Farben wie Gelb oder Grün ziehe sie folglich auch ihre Schlüsse. „Ich hatte nie groß mit jemanden darüber geredet“, sagt Winkler. Die Verlagslei­terin aber erkannte ihre Gabe an bestimmten Absätzen im Roman. Denn im Buch spielt die Farbe immer wieder eine wichtige Rolle. Wie auch im Titel. „Kein Wetter für Rote Schuhe“heißt Winklers Roman. Es ist ein Satz, den eine der beiden Frauen in dem Roman sagt, als sie sich nach vielen Jahren wieder begegnen.

Die Autorin selbst hat an die 20 Paar rote Schuhe daheim, egal ob Ballerinas oder Stöckelsch­uhe, wie sie verrät. Winkler mag Rot. Inwieweit sich eigene Erlebnisse in dem Roman widerspieg­eln, will sie nicht sagen. Als nächstes würde Ulrike Winkler gerne einen Krimi schreiben. Aber sie fürchtet, aus einem Grund daran zu scheitern. „Da ist ein Konzept erforderli­ch.“Genau das, was sie bei ihrem Romandebüt eben nicht hatte. Vielleicht muss sie einfach nur wieder darauf los schreiben und sich selbst überrasche­n.

Roman Er hat 188 Seiten, und ist für 14,95 Euro etwa über Butze Verlag, Amazon, Weltbild oder Pustet erhältlich.

 ?? Foto: Tom Trilges ?? Ulrike Winkler ist Frauenärzt­in, betreibt eine Praxis und ist in ihrer Freizeit schriftste­llerisch tätig. Was als eine Urlaubsbes­chäftigung begann, mündete inzwischen in ihren ersten Roman.
Foto: Tom Trilges Ulrike Winkler ist Frauenärzt­in, betreibt eine Praxis und ist in ihrer Freizeit schriftste­llerisch tätig. Was als eine Urlaubsbes­chäftigung begann, mündete inzwischen in ihren ersten Roman.

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