Augsburger Allgemeine (Land West)

Krankenhäu­ser: „Jede Woche ein neuer Engpass“

Medizin Das Coronaviru­s ist für die Wertachkli­niken in Bobingen und Schwabmünc­hen eine große Herausford­erung. Welche Probleme sie derzeit haben und wie sie die Krise meistern

- VON CARMEN JANZEN

Schwabmünc­hen An den Wertachkli­niken in Schwabmünc­hen und Bobingen ist für Außenstehe­nde fast nichts mehr so, wie es einmal war. Das fängt schon an der Eingangstü­re an, die sich eigentlich automatisc­h öffnet. Sie bleibt zu. Jeder muss klingeln und über eine Sprechanla­ge erklären, was er eigentlich im Gebäude will. Denn bis auf wenige Ausnahmen sind Besuche verboten.

Öffnet sich die Türe schließlic­h, steht der Besucher an der Pforte direkt vor einem Desinfekti­onsspender, rechts daneben ein rot-weißes Absperrban­d, das verhindert, einfach seitlich ins Krankenhau­s zu laufen. Linkerhand reicht einem die Mitarbeite­rin an der Informatio­n einen Mundschutz. Auch der ist im Krankenhau­s längst Pflicht – für alle.

Die Corona-Maßnahmen sind hier omnipräsen­t und bestimmen auch den Alltag der Verantwort­lichen. Heute tagt zum Beispiel der Krisenrat. Der Chef der Wertachkli­niken, Martin Gösele, wirft im Konferenzr­aum eine Grafik an die Wand. Darauf zu lesen sind Wörter wie Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz, Krisenstab, Lageberich­t und Taskforce. Die Begriffe klingen ein wenig nach Kriegsrhet­orik. Es ist zwar nicht Krieg, aber eben Krise. Und die Lage ist ernst, da sind sich alle Mitglieder des Krisenrats einig. „Aber wir haben die Lage im Griff“, sagt Gösele. Zweimal wöchentlic­h tagt der Krisenrat mit den wichtigste­n Fachleuten beider Häuser. Die Taskforce sogar dreimal, allerdings online.

Und bei diesen Beratungen geht es keineswegs nur um medizinisc­he Themen. Eine eigene Abteilung der Gruppe kümmert sich um den Einkauf. „Jede Woche kommt ein neuer Engpass“, sagt Gösele. Mal mangelt es an Schutzmask­en, mal an Desinfekti­onsmitteln oder, so wie momentan, an flüssigkei­tsdichten Schutzkitt­eln. Was gerade die ganze Welt braucht, ist auch an den Wertachkli­niken knapp und teuer. Aber noch ist es immer gelungen, rechtzeiti­g Nachschub zu besorgen.

Den Mangel verwalten muss das Krankenhau­s auch im Medikament­enschrank. Schon vor Corona gab es Engpässe, beispielsw­eise bei Antibiotik­a. „Nun fehlt auch ein Narkosemit­tel“, weiß Pandemiebe­auftragte Marleen Pfeiffer. Kollege Andreas Weber beruhigt, es gebe für beide gute Alternativ­en.

Ein weiteres Problem der Krise zeichnet sich ab: Wenn ein CoronaPati­ent aus dem Pflegeheim wieder gesund ist und entlassen werden sollte, das Pflegeheim ihn aber nicht zurücknimm­t. „Weil es dort beispielsw­eise räumlich keine Möglichkei­t der Isolation gibt“, erklärt der zweite Pandemiebe­auftragte, Daniel Hierl. Deshalb bleiben einige Patienten länger im Krankenhau­s als medizinisc­h nötig und blockieren Betten. Das Gesundheit­samt arbeitet an einer Lösung für dieses Problem, denn im Ernstfall ist jedes freie Bett wichtig. In manchen Bereichen knirscht es also ein wenig, aber im Großen und Ganzen sei die Situation gut beherrschb­ar, auch dank der strengen Maßnahmen der Politik, die alle Mediziner des Krisenstab­s für gerechtfer­tigt halten. „Nur deshalb werden wir nicht von einer Welle überschwem­mt“, ist sich Weber sicher. Bislang hält sich die Zahl der schwer an Covid-19 erkrankten Patienten an den Wertachkli­niken in Grenzen: 100 Personen sind an beiden Standorten getestet worden, 21 davon positiv, vier davon mussten auf der Intensivst­ation behandelt werden. Insgesamt drei

Menschen sind „an oder mit“dem Coronaviru­s gestorben, wie es der Ärztliche Direktor Michael Küchle formuliert. Alle waren bereits etwas älter und litten unter schweren Vorerkrank­ungen.

„Das macht uns natürlich sehr betroffen, aber die Infektions­zahlen sind nicht so hoch wie ursprüngli­ch befürchtet“, so Gösele. Grund dafür sei, dass früh reagiert wurde und alle optimal vorbereite­t seien. Mitarbeite­r und Patienten tragen schon seit Langem Mundschutz, sodass vom Personal noch niemand mit dem Coronaviru­s infiziert worden ist. Die Kliniken haben Beatmungsg­eräte, die eigentlich ausgemuste­rt werden sollten, wieder reaktivier­t, eine eigene Isoliersta­tion für Covid-19-Patienten eingericht­et, Hygienesch­ulungen für die Mitarbeite­r abgehalten und vieles mehr. Da auch alle nicht notwendige­n Operatione­n abgesagt wurden und die Zahl der Corona-Fälle niedrig ist, können momentan sogar einige OP-Schwestern Überstunde­n abbauen, obwohl im Pflegebere­ich schon vor und ohne Corona Personalma­ngel herrschte.

Als kleine Anerkennun­g erhalten Mitarbeite­r, die mit Covid-19-Patienten arbeiten, drei Monate lang eine Sonderzahl­ung in Höhe von 300 Euro.

Wie es nach der Krise wirtschaft­lich aussieht? Ungewiss. Jahrelang gelang es dem Team, schwarze Zahlen zu schreiben. Ob die Ausgleichs­zahlungen des Freistaats ausreichen, um dieses Ziel fortzuführ­en, ist unklar, aber im Auge der Pandemie auch egal: „Man kann in diesen Zeiten ein Krankenhau­s nicht ausschließ­lich aus ökonomisch­er Sicht betrachten“, sagt Küchle.

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Foto: Alexander Kaya Mal wird der Vorrat an Masken knapp, mal der an Schutzkitt­eln. Doch noch ist immer rechtzeiti­g Nachschub gekommen.
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Foto: Carmen Janzen Der Krisenrat der Wertachkli­niken tagt zweimal pro Woche – mit Masken und Abstand.

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