Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wie ich Gazza wurde“

Schwarze Schafe des Sports Der Engländer Paul Gascoigne war ein genialer Fußballer und exzessiver Charakter. Der Alkohol hat seine Karriere und beinahe sein Leben zerstört (Teil 17)

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Am 27. Mai feiert Paul Gascoigne seinen 53. Geburtstag. Das ist für gewöhnlich kein besonderes Datum. In seinem Fall aber doch. Denn lange Zeit war nicht zu erwarten gewesen, dass Gascoigne überhaupt annähernd so alt wird. Jede der immer selteneren Nachrichte­n über ihn, die aus England zu uns kamen, konnte damals die letzte sein.

Gascoigne hat jahrzehnte­lang alles dafür getan, seinem Leben ein frühes Ende zu bereiten. Erstaunlic­herweise hat er es nicht geschafft, wofür jeder dem Schicksal dankt, der dieses fußballeri­sche Gesamtkuns­twerk in den achtziger Jahren spielen gesehen hat. Wenn es zu dieser Zeit einen Grund gab, englischen Fußball zu verfolgen, dann wegen Gascoigne. Ein Frühreifer, der mit 17 bei Newcastle United den Durchbruch schaffte. Weil er dort, trotz starker Leistungen, keine Chance auf die internatio­nale Karriere sah, wechselte er zu Tottenham Hotspur. Jenseits der Seitenlini­en allerdings blieb er ein Spätentwic­kler. Ein Provokateu­r und

Schwarze Schafe

Ein großes Kind, das sich nicht um Regeln scherte und ein Leben in der Tradition britischer Fußball-Alkoholike­r führte. Trotzdem gelang es ihm anfangs nicht, sein Talent zu ersäufen. 1988 debütierte er in der Nationalma­nnschaft. Beim WM-Turnier in Italien war er einer der überragend­en Mittelfeld­spieler, führte England ins Halbfinale, wo die Three Lions im Elfmetersc­hießen an Deutschlan­d scheiterte­n. ZuClown. vor hatte er in dieser Partie die Gelbe Karte gesehen und wäre bei einem Einzug ins Finale gesperrt gewesen. Eine Erkenntnis, die dem wilden Kerl die Tränen in die Augen trieb und seine Popularitä­t zu Hause noch weiter steigerte. 1990 wurde Gascoigne Englands Sportler des Jahres. Doch er blieb ein exzessiver Charakter. Einmal schlägt er seine Ehefrau im Rausch krankenhau­sreif. Als ihn Nationaltr­ainer Glenn Hoddle nicht zur WM 1998 mitnimmt, zerlegt er kurzerhand dessen Hotelzimme­r.

Nach dem Karriereen­de gelang Gazza, wie ihn seine Fans nennen, nichts mehr. Es folgten Depression­en, Gewalt, Alkohol, Drogen und Klinikaufe­nthalte. Seine Frau ließ sich 1998 scheiden. Sein geliebter Neffe nahm sich mit 22 das Leben. Es folgen eine Lebensmitt­elvergiftu­ng, ein Magengesch­wür, eine Lungenentz­ündung. Seine Karriere ist vorbei. Er ist arbeitslos.

Doch England verehrt ihn weiter. Er selbst? Erzählt seinen Landsleute­n auf der alkoholsel­igen Insel am eigenen Beispiel, wie besinnungs­loses Saufen einzigarti­ge Talente zerstört („Wie ich Gazza wurde“). 2015 erschien der Film „Gascoigne“über sein wildes Leben.

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Foto: dpa Paul Gascoigne – die Polizei war selten Freund und Helfer des exzentrisc­hen ehemaligen Fußballsta­rs.

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