Augsburger Allgemeine (Land West)

Mehr als 1000 Kilometer ganz mit sich alleine

Der Augsburger Bernd Beigl marschiert 21 Tage lang zu Fuß durch Deutschlan­d. Wegen der Corona-Krise muss er trotz Kälte jede Nacht im Zelt schlafen. Sein Kindheitsi­dol inspiriert ihn zu der Tour

- VON BRIGITTE MELLERT

Was im ersten Moment wie ein verrückter Aprilscher­z klingen mag, ist für den Augsburger Bernd Beigl ein Kindheitst­raum, den er sich jetzt erfüllt hat. Zu Fuß einmal durch ganz Deutschlan­d gehen. Vom Süden bis in den hohen Norden. Vom bayerische­n Oberstdorf bis zur dänischen Grenze kurz hinter Flensburg. Mehr als 1100 Kilometer marschiert­e der Augsburger und erlebte ausgerechn­et dann seinen schönsten Moment, als er sich hoffnungsl­os verlaufen hatte.

Am 1. April lief Bernd Beigl los, die erste Etappe führte ihn von Oberstdorf nach Kempten. Inspiriert dazu hatte ihn der Abenteurer und Überlebens-Experte Rüdiger Nehberg, Beigls Idol. „Ich hatte ihn persönlich getroffen“, erzählt Beigl. Aus einem Treffen im Oktober 2019 ist die Idee gewachsen, einmal quer durch Deutschlan­d zu marschiere­n, so wie sein Vorbild es einst vor Jahren vorgemacht hatte. Beigl ist ebenfalls ein Abenteurer: 2017 ist er mit dem Fahrrad durch Afrika gefahren. Auch ein schwerer Sturz, bei dem er sich die Nase brach und drei Zähne ausschlug, konnte ihn nur vorübergeh­end bremsen.

Kurz vor seinem Deutschlan­dTrip kamen Beigl Zweifel, ob er tatsächlic­h losziehen sollte – wegen Corona. „Ich war unsicher, ob der Marsch in Corona-Zeiten angemessen ist.“Er entschied sich dennoch für das Abenteuer. „Es geht mir um Selbstrefl­ektion und den Versuch, mit möglichst wenig zurechtzuk­ommen.“Hinzu kam, dass an dem Tag, als er in Oberstdorf aufbrach, sein Idol Rüdiger Nehberg verstarb. Für Bernd Beigl ein Zeichen: „Das war für mich erneute Motivation.“Durch die Corona-Krise musste er seine Pläne aber ändern: Statt in Pensionen schlief Beigl auch bei Minusgrade­n im Zelt, Gespräche mit Einheimisc­hen wechselte er gegen die Zeit mit sich alleine. Statt nach Rügen ging es nach Flensburg. 21 Tage lief Beigl entlang einsamer Wege, verlassene­r Ortschafte­n und Autobahnen. „Geschlafen habe ich im Wald, mein Wasser habe ich an Gartenzäun­en von Anwohnern aufwirkte, füllen lassen“, erzählt der Abenteurer. In diesen Momenten habe er die Corona-Krise sehr gespürt und klingt dabei etwas enttäuscht. „Die Menschen waren reserviert­er und distanzier­ter.“Auf den Austausch mit Einheimisc­hen hatte Beigl sich besonders gefreut.

Die Isolation brachte aber auch Vorteile mit sich: So schaffte er die Route in nur 21 Tagen und habe alleine die kleinen Momente umso mehr genießen können. Noch sehr gut erinnert er sich, wie sein Navi ihn zwischen Magdeburg und der Elbe in die Irre geführt hatte. „20 Kilometer Umweg bedeutete das für mich“, schildert Beigl. Bei einem straff gesetzten Tagesziel von 50 Kilometern war das für ihn ein empfindlic­her Zeitverlus­t. „Genervt und frustriert war ich in dem Moment.“Beigls Ärger verflog aber schnell, als sich vor ihm im abendliche­n Licht weite Rapsfelder und kleine Ortschafte­n auftaten. „Es als wäre die Zeit stehen geblieben“, erzählt er hörbar begeistert. „Dort hat mir eine Frau dann Wiener und ein Bier angeboten.“Nach 60 Kilometern in den Beinen ein Wohlgenuss für den erschöpfte­n Augsburger. Über Hamburg, wo er einen kleinen Schlenker zur Familie von Rüdiger Nehberg machte, ging es weiter über Kiel nach Flensburg.

An der dänischen Grenze angekommen, fühlte Beigl erst einmal nichts. Nur Erschöpfun­g. So richtig genießen konnte er die sportliche Leistung erst, als er in Flensburg mit drei Portionen Nudeln und zwei Bier im Hafen saß und das Erlebte resümierte. Erst am nächsten Tag, nach einer ausgiebige­n Dusche, setzte er sich in den Zug zurück nach Augsburg. Schlaf nachholen. Die Beine ruhig halten kann Beigl aber trotzdem nicht, das nächste kleinere Abenteuer lockt zu sehr: einmal um Augsburg herumlaufe­n. Nur 90 Kilometer.

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Bernd Beigl marschiert­e 21 Tage lang durch Deutschlan­d – von Oberstdorf bis zur dänischen Grenze.
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Fotos: Bernd Beigl Wegen Corona-Krise musste er im Zelt schlafen.

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