Augsburger Allgemeine (Land West)

„Dramatisch­e Situation“für Reisebüros

Der Urlaubssto­pp trifft die Tourismus-Branche hart. Inhaber von Bus- und Reiseunter­nehmen haben klare Forderunge­n an den Staat.

- VON PETRA KRAUSS-STELZER

Landkreis Augsburg „Bleib zuhause“ist das Motto, wenn es um Urlaub in Corona-Zeiten geht. Die Tourismusu­nd Reisebranc­he trifft das hart. Reisebüros haben am Mittwoch bei Demonstrat­ionen auf ihre Notsituati­on aufmerksam gemacht und für eine schnelle Staatshilf­e in der Corona-Krise demonstrie­rt.

Das Ziel sei „eine branchensp­ezifische Lösung mit nicht rückzahlba­ren Beihilfen für die Reisebüros – jetzt!“. So solidarisi­ert sich auch Helmut Ziegelmeie­r Reisen aus Fischach mit den Aktionen der Branche. Denn es sei nicht nur das Neugeschäf­t vollständi­g zum Erliegen gekommen, sondern Veranstalt­er wollen auch Provisione­n für bereits gebuchte Reisen von den Reisebüros zurückhabe­n.

Eine „dramatisch­e Situation“, bestätigt auch Ariane Kain vom Reisebüro in Diedorf. Es sei tragisch, dass man auch das, was man schon gearbeitet habe, nun wieder zurückgebe­n müsse. „Zur Kundenbind­ung sind wir nach wie vor da, beantworte­n Fragen zur Stornierun­g und wickeln diese ab, aber ganz ohne Verdienst.“Das kommende Geschäft, so es weiter gehe, werde vermutlich schleppend anlaufen, fürchtet Ariane Kain, die mit ihrem Mann, Inhaber Christoph Kain, das Reisebüro in Diedorf seit 26 Jahren führt. Die drei Mitarbeite­r sind derzeit in Kurzarbeit. Ariane Kains Appell an die Kunden: Sie sollen ihre Reisen in Reisebüros vor Ort buchen und sich dort beraten lassen – „denn das hilft uns!“Eine Pauschalre­ise sei im

Reisebüro auch nicht teurer als im Internet gebucht.

Eva Maria Schneider, Inhaberin des Reisebüros Stiller in Stadtberge­n, hat ihre Vollzeitkr­aft mit null Stunden in Kurzarbeit geschickt. „Ich selbst bin die Notbesetzu­ng, kümmere mich um Fragen, Umbuchunge­n, Stornierun­gen, Rückerstat­tungen. Seit Mitte März haben wir kein Einkommen mehr, bekommen keine Vermittlun­gsprovisio­n, wenn eine Reise nicht stattfinde­t. Reisebüros müssen zudem von Veranstalt­ern bereits bezahlte Provisione­n an diese zurückbeza­hlen, wenn eine Reise nicht stattfinde­t.“Sie hoffe, dass man bald zumindest innerhalb Deutschlan­ds reisen dürfe. Es werde viele Insolvenze­n in der Branche geben, fürchtet die Reise-Fachfrau.

„Unsere Busreisen sind mittlerwei­le bis Ende Mai abgesagt“, berichtet Marcus Fleiner, Geschäftsf­ührer von Nußbaum Reisen in Diedorf. „Kein Mensch informiert uns, wir entnehmen den Medien, wie lange noch das Berufsausü­bungsverbo­t dauern wird!“, ärgert sich der Unternehme­r. Es gebe auch keinen Fahrplan, ab wann man zumindest wieder innerhalb Deutschlan­ds fahren dürfe. Das Unternehme­n brauche für die Reiseorgan­isation viel Vorlaufzei­t. Die zehn hochmodern­en Reisebusse von Nußbaum Reisen sind normalerwe­ise in ganz Europa unterwegs, jetzt stehen die meisten der Fahrzeuge still, sind abgemeldet, nur zwei fahren ein paar Schüler. Wenn der Staat ein Berufsverb­ot erlasse, „muss er uns auch aus der Misere helfen.“Nußbaum Reisen habe bereits Kundengeld­er in Höhe von 100000 Euro zurückbeza­hlen müssen: Konzertrei­sen, die Fahrten zum Oberammerg­auer Passionssp­iel seien geplatzt, nennt Fleiner Beispiele. Sein Unternehme­n sei mit den Reisen nach Südtirol und Italien eines der ersten Betroffene­n der Branche gewesen, und „wir werden eine der letzten sein, die zurück ins Leben dürfen“, meint Fleiner in Bezug auf die gesamte Reisebranc­he. Nußbaum-Reisen habe mit den nach neuesten umweltfreu­ndlichen Kriterien fahrenden Bussen „ein wahnsinnig teures Handwerksz­eug“, die Kosten würden weiterlauf­en. Gerade in die Umweltfreu­ndlichkeit der Fahrzeuge habe die Busbranche viel investiert, „bis zum Limit“. Zum Weiterlebe­n brauche die Reisebranc­he mehr als die anfänglich­en Soforthilf­en oder KfW-Darlehen, nämlich Zuschüsse.

Das meint auch Claudi Ziegelmeie­r von Helmut Ziegelmeie­r Reisen aus Fischach, ebenfalls ein Busreiseun­ternehmen. „Wir brauchen eine Exit-Strategie, damit wir planen können. Die Politik muss aufwachen!“, fordert sie. Jeder, der in der Touristik arbeite, mache dies aus Leidenscha­ft und verdiene nicht viel; entspreche­nd niedrig seien die Rücklagen. Der Fuhrpark des Unternehme­ns sei praktisch abgemeldet, wie bei Nußbaum-Reisen werden derzeit nur einige Schüler befördert. Eine „Vollkatast­rophe“für Claudia Ziegelmeie­r: Der eben für Mai neu angeschaff­te Reisebus, der 360000 Euro kostete, hat jetzt „nichts zu fahren“.

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