Augsburger Allgemeine (Land West)

Kräuterfra­u schwört auf Ringelblum­e und Co.

Porträt Ernestine Verdura aus Westheim ist Expertin für Pflanzen und ihre Wirkung. Sie kennt auch Mittel, die in diesen Zeiten das Immunsyste­m stärken sollen

- VON JUTTA KAISER-WIATREK

Neusäß Wenn die Natur im Frühjahr erwacht, dann beginnt auch die Zeit zum Sammeln von Wildkräute­rn, um die heimische Kräuterapo­theke wieder aufzufülle­n. Genau die richtige Zeit, um sich mit Kräuterfüh­rerin Ernestine Verdura aus Westheim auf eine Wanderung zu machen.

Doch auch Ernestine Verdura wurde in ihren Aktivitäte­n von der Corona-Krise gebremst. Ihre bereits für das Frühjahr geplanten Kräuterwan­derungen musste sie verlegen. Sie rät den Menschen dennoch, in der momentanen Zwangspaus­e möglichst viel in die Natur zu gehen. „Alle Frühlingsk­räuter sind schon da und können dabei gleich gepflückt werden.“

Ein intaktes Immunsyste­m ist zurzeit sehr wichtig, weiß die Fachfrau und erklärt, dass die Frühlingsk­räuter schon seit Jahrhunder­ten helfen, das Immunsyste­m zu stärken. „Ihr hoher Gehalt an Vitamin C, die große Anzahl von Mineralsto­ffen und die vielfach beinhaltet­en Senföle helfen, Keime, Bakterien und Viren in Schach zu halten“, so die Kräuterfüh­rerin. Beispiele seien senfölhalt­ige Frühlingsw­ildkräuter wie Knoblauchr­auke, behaartes Schaumkrau­t, Brunnenkre­sse oder Bärlauch.

Schon allein ein langer Waldspazie­rgang genügt, um die Atemwege zu stärken und das körperlich­e und seelische Wohlbefind­en zu fördern, denn die ätherische­n Öle von Fichten und Tannen wirken auswurfför­dernd, schleimlös­end und lungenstär­kend. Das Kauen von Fichtenode­r Tannenharz mit seinen entzündung­shemmenden und keimwidrig­en Inhaltssto­ffen beuge Erkältunge­n vor, desinfizie­re Mund und Rachen und sorge für ein gutes und sauberes Gefühl.

Ernestine Verdura ist im Schmutterh­aus in Westheim, in einer bäuerliche­n Wirtschaft mit angeschlos­sener Landwirtsc­haft, aufgewachs­en. Sie verbrachte ihre Kindheit in großer Freiheit mitten in der Natur und erlebte somit schon immer die verschiede­nen Jahreszeit­en hautnah. Insbesonde­re ihre Großmutter weckte in ihr das Interesse an den verschiede­nen Kräutern, die im Jahauf den Wiesen und an Waldränder­n wachsen, und für unterschie­dliche Krankheite­n und Zipperlein bei Mensch und Tier, verwendet werden können. Noch heute erinnert sie sich daran, dass ihre Großmutter dem Futter für kleine Entchen gehacktes Ei mit Brennnesse­ln zusetzte, was durch die vielen enthaltene­n Vitamine und Mineralsto­ffe, wie etwa Eisen und Silizium, einen besonderen Beitrag bei der Aufzucht eines gesunden Kükens, darstellt.

Auch Kamille, Ringelblum­en und Lindenblüt­en gehörten damals selbstvers­tändlich zur Hausapothe­ke und wurden jedes Jahr wild gesammelt oder im Garten angebaut. Verdura fühlte sich gleich angesproch­en, als sie vor sieben Jahren einen Prospekt des Vereins „Allgäuer Kräuterlan­d“in ihren Händen hielt, in welchem eine Ausbildung zur Kräuterfüh­rerin angeboten wurde. „Ich wusste sofort, das will ich machen“, erklärt sie. Sie schloss das Ausbildung­sjahr mit einer umfangreic­hen Prüfung ab und erhielt den Titel „Allgäuer Wildkräute­rfrau“.

Vor fünf Jahren begann sie, im Landkreis Augsburg Kräuterwan­derungen anzubieten und Vorträge zu halten. Dabei möchte sie keineswegs nur spezielle, seltene Pflanzen vorstellen. „Oftmals sind es gerade die ganz gebräuchli­chen und bekannten Kräuter, von denen man vielleicht nur den Namen nicht weiß, die uns Menschen seit jeher helfen“, sagt sie. Gerne gibt sie ihr Wissen weiter, wie gut diese schmecken, wie einfach sie zuzubereit­en sind und für welche gesundheit­lichen Zwecke sie seit Jahrhunder­ten, ja Jahrtausen­den in der Volksheilk­unde oder in der Klosterhei­lkunde eingesetzt wurden.

Manches Mal gilt es für sie aber auch, darauf hinzuweise­n, dass das ein oder andere Kraut nicht so bekömmlich oder gar giftig ist, oder mit einem anderen verwechsel­t werden kann, wie etwa die Nelkenwurz mit der wilden Erdbeere.

Wichtig ist es vor allem, „sauber“zu sammeln, macht die Kräuterfüh­rerin aufmerksam. Dies bedeute, nicht entlang von Straßen und vielbegang­enen Spazierweg­en und auch nicht auf Flächen, die gedüngt werden, nach Kräutern Ausschau zu halten. Außerdem sei unbedingt auf Schädlings­befall zu achten. Das Mädesüß etwa werde gerne von einem Schimmelpi­lz befallen, der gesundheit­liche Schäden verursache­n kann.

Einen besonderen gesundheit­lireslauf chen Mehrwert für viele Teilnehmer aber bieten meist allein schon die entspannen­den Wanderunge­n in der Natur. Loslassen, oder einfach die Natur mit oft überrasche­nden Begegnunge­n wie einem Hasen, Fuchs oder gar einer Schlange zu erleben, lässt Körper und Seele zur Ruhe kommen.

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Fotos: Verdura, Jutta Kaiser-Wiatrek Bei Führungen, hier ein Bild aus dem vergangene­n Jahr, zeigen Kräuterfra­uen direkt an den Pflanzen, um was es sich handelt.
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