Augsburger Allgemeine (Land West)
Herrlich muss zuschauen
Der neue FCA-Trainer verzichtet nach seinem Verstoß gegen die Hygiene-Regeln der DFL auf das Wolfsburg-Spiel. Weitere Sanktionen hat er aber nicht zu befürchten
Augsburg Es war eigentlich nur eine kleine Anekdote, die Heiko Herrlich da am Donnerstag bei der virtuellen Pressekonferenz des FC Augsburg vor dem Bundesliga-Re-Start gegen den VfL Wolfsburg erzählen wollte. Es ging darum, wie grotesk die Vorbereitung in diesen Tagen abläuft.
Seit einer Woche ist er mit seinem Team im Mannschaftshotel in Bobingen bei Augsburg quasi kaserniert, Kontakt mit der Außenwelt soll vermieden werden. Das ist eine Vorgabe aus dem Hygiene-Konzept der DFL. Und dann erzählte der 48-Jährige wie ein Erstklässler ausführlich und in allen Details von seinem Ausflug zum Supermarkt mitten in der von der DFL auferlegten Quarantäne. Weil er keine Zahnpasta und Handcreme mehr hatte.
Zuerst klang das alles recht spaßig, auch Pressesprecher Dominik Schmitz schien in der live ausgestrahlten PK, die auch am Freitag auf dem Youtube-Kanal des Vereines zu sehen ist, nichts Gefährliches in den Ausführungen zu finden.
schon kurz nach dem Ende der PK schwante den Beteiligten, dass der Hygiene-Fauxpas doch Folgen haben würde. Denn nur aufgrund der eigentlich strengen Auflagen erlaubte die Politik die Wiederaufnahme des Spielbetriebs.
Herrlich traf sich auf jeden Fall gleich nach dem Training mit FCAManager Stefan Reuter und wenige Stunden später teilte der Verein in einer Pressemitteilung mit, dass sich Herrlich selbst aus dem Spiel genommen hatte. Er leitete am Freitag nicht das Abschlusstraining und wird am Samstag gegen den VfL Wolfsburg auch nicht auf der Bank sitzen. Für ihn wird Co-Trainer Tobias Zellner, 42, am Samstag gegen Wolfsburg das Sagen haben.
Erst wenn ein zweimaliger Abstrich coronafrei ist, wird Herrlich auf seinen Posten als Cheftrainer zurückkehren. Frühestens am nächsten Wochenende auf Schalke wird er dann sein Debüt als FCA-Trainer geben können. Herrlich hatte am 10. März das Amt von Martin Schmidt übernommen.
„Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich das Hotel verlassen habe“, entschuldigte sich Herrlich in der Mitteilung. „Ich bin in dieser Situation meiner Vorbildfunktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden. Ich werde daher konsequent sein und zu meinem Fehler stehen.“
Augsburgs Geschäftsführer Stefan Reuter war wenig erfreut vom Verhalten seines leitenden Angestellten, hält aber weitere härtere Konsequenzen für „völlig überzogen. Das Fehlverhalten war nicht gut, aber ich habe noch keinen Menschen kennengelernt, der ohne Fehler ist“, sagte der 53-Jährige der Bild. Herrlich habe gedankenlos gehandelt, „aber Heiko hat gegen keinerlei behördliche Vorschriften verstoßen“.
Er war mit Mund- und Nasenschutz in einem Supermarkt und hat Abstand gehalten.“Deshalb sei die Aktion auch nicht mit dem Fall Salomon Kalou zu vergleichen.
Nach Informationen unserer Zeitung soll Herrlich auch von der DFL, die vom Verein umgehend informiert wurde, keine Sanktionen zu befürchten haben. Denn das HyDoch giene-Konzept wurde erst am Donnerstag nach der PK in die Spielordnung aufgenommen und trat so erst nach seinem Vergehen in Kraft.
Auch der Deutsche FußballBund wird nicht aktiv: „Die Umsetzung und Überwachung des medizinischen Konzepts für Training und Spielbetrieb im professionellen Fußball liegt in diesem Fall nicht in der Zuständigkeit des DFB, da es sich um ein spielbetriebliches Thema handelt und der DFB nicht Organisator dieser Spielklasse ist“, teilte der Verband auf Anfrage unserer Zeitung mit.
Mittelfeldspieler Rani Khedira hofft, dass er und seine Mitspieler nach der zehnwöchigen Zwangspause auch ohne Herrlich den zweiten Rückrundensieg einfahren können: „Natürlich hätten wir uns den Re-Start anders vorgestellt, aber der Trainer hat den Fehler schnell erkannt und diese Entscheidung von sich aus getroffen. Er hat uns in der letzten Woche seine Vorstellungen vermittelt, sodass wir dies jetzt auf dem Platz umsetzen müssen. Wichtig ist, dass wir Spieler uns auf uns und unsere Aufgaben fokussieren.“
grünes Licht für die Geisterspiele gegeben hat. Seit Wochen wird auch der Alltag von Herrlich davon bestimmt. Seit einer Woche lebt er mit seiner Mannschaft in einem eigenen Hotelgebäude, gehen sich er und seine Spieler beim Essen aus dem Weg, wird der Kontakt mit den Hotelangestellten vermieden.
Und dann erzählt Heiko Herrlich frei von der Leber weg von seinem Ausflug. Diese hochgradige Naivität spricht ja fast schon wieder für den Augsburger Trainer. Man kann zu seinen Gunsten auslegen, dass er aus seinem Fehlverhalten sofort die Konsequenzen gezogen hat und von sich aus darauf verzichtet hat, am Samstag auf der Bank zu sitzen. Er muss weiter auf sein Debüt für den FCA warten – und das ist auch gut so.
Der Fall Herrlich oder auch das Video von Salomon Kalou (Hertha BSC) zeigen, auf welch wackligen Füßen der Bundesliga-Re-Start steht. Selbst die DFL nimmt es nicht so genau mit ihren eigenen Quarantäne-Vorschriften. So genehmigte sie Borussia Mönchengladbach eine Ausnahme. Die Gladbacher mussten nur sechs statt der vorgegebenen sieben Tage in TrainingsQuarantäne gehen, da ihr Spiel von Sonntag auf Samstag verlegt wurde.
Es wird immer deutlicher, wie fragil das Hygiene-Konzept ist. Denn es ist abhängig vom schwächsten Glied: dem Menschen mit all seinen Fehlern. Und eines ist sicher: Der Fehlgriff von Heiko Herrlich wird nicht der letzte sein.