Augsburger Allgemeine (Land West)

Tanzschule zwischen Wut und Enttäuschu­ng

Corona Erst wurden vom Augsburger Ordnungsam­t Lockerunge­n beim Unterricht genehmigt, dann grätschte das Gewerbeamt dazwischen. Die Schule muss zu bleiben. Für das Hin und Her hat die Familie Trautz kein Verständni­s mehr

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

In kleinstmög­lichen, verantwort­ungsbewuss­ten Schritten hatte man in der Augsburger Traditions­tanzschule Trautz&Salmen versucht, nach fast dreimonati­ger Sperre den Betrieb behutsam wieder anlaufen zu lassen. Die Eigentümer-Familien hatten dafür ein umfangreic­hes Hygienekon­zept für die Behörden erstellt. Das sah Privatunte­rricht in der Form vor, dass ein Trainer in einem Tanzsaal so groß wie zwei Volleyball­felder ein Paar aus einem gemeinsame­n Haushalt mit dem gebotenen Abstand von 1,50 Meter für maximal 50 Minuten unterricht­en würde.

Am Donnerstag hatte das Ordnungsam­t der Stadt Augsburg diese Pläne genehmigt und die Tanzschule voll Vorfreude die ersten Übungsstun­den ausgemacht. Nur einen Tag später war alles hinfällig. Das Gewerbeamt grätschte dazwischen. Tanzschule­n müssten weiterhin geschlosse­n bleiben, hieß es. Das Ordnungsam­t habe eine „Falschauss­age gemacht, weil die Verordnung von der Ordnungsam­t-Mitarbeite­rin nicht richtig interpreti­ert worden ist“, so die Erklärung, die bei Nicolas Trautz, dem Geschäftsf­ührer der Tanzschule, das Fass zum Überlaufen brachte. „Wut, Enttäuschu­ng und Gefühlscha­os“habe diese Nachricht bei ihm ausgelöst, sagt er.

„Mir ist natürlich klar, dass auch der staatliche Verwaltung­sapparat vor besonders großen Herausford­erungen steht. Anscheinen­d ist dieser Apparat aber völlig überforder­t! Die Verordnung­en sind teilweise sinnfrei und unzureiche­nd begründet oder vorschnell beschlosse­n worden“, postete er wütend auf seiner Facebook-Seite. Zudem ist er davon überzeugt, nun auch noch vom Gewerbeamt eine Falschauss­age bekommen zu haben. Denn dort sei ihm unter Berufung auf die bayerische­n Corona-Verordnung­en gesagt worden, dass Tanzlehrer ihre Kunden für eine Privatstun­de zu Hause besuchen dürften. „Das wiederum habe ich in keiner Verordnung gefunden. Davon steht da gar nichts drin. Die Situation ist grotesk und schmerzt einfach nur“, so Trautz. Er kann nicht verstehen, dass der Unterricht in einem 300 Quadratmet­er großen, ordentlich belüfteten

weiterhin verboten ist. „Da entscheide­n Menschen über Bereiche, von denen sie keine Ahnung haben. Wir haben unsere Unterstütz­ung angeboten, aber es gibt permanent kein Entgegenko­mmen.“50 bis 60 Privatstun­den musste man bei Trautz&Salmen deshalb wieder absagen.

Generell hängen Tanzschule­n gerade ziemlich in der Luft. Es sei unheimlich schwer herauszufi­nden, was erlaubt ist und was nicht, berichten Nina Trautz und ihre Mutter Martina, die als Trainerinn­en und Ausbilderi­nnen aktiv sind. Sie beklagen, dass Tänzer wie Tanzschule­n eigentlich nirgendwo richtig verankert sind – was Vorgaben, aber auch Hilfen betrifft. Bei den Sportverbä­nden werde abgewunken, weil Tanzen nicht zu den olympische­n Sportarten gehört. Und bei der Kultur fühlt man sich ebenfalls nicht zuständig. „Tanzschule­n werden leider ganz oft in die Richtung Freizeit, Kneipen und Diskotheke­n eingeordne­t. Das stimmt aber nicht. Für uns ist es schwer, den Leuten klar zu machen, dass wir auch beim Tanzen Hygienekon­zepte einhalten können“, betont Martina Trautz, Vizepräsid­entin des Deutschen Tanzlehrer-Verbandes und Turnierric­hterin.

Jetzt bleibt der Familie Trautz nichts anderes übrig, als auf den Juni zu warten. „Da soll über die FitTanzsaa­l ness-Studios entschiede­n werden. Wir hoffen, dass wir da auch dabei sind. Aber eine klare Aussage haben wir bisher noch nicht bekommen“, fühlt Profi-Tänzerin Nina Trautz sich, ihren Sport und ihren Berufsstan­d in Vergessenh­eit geraten.

Wie die meisten Tanzschule­n in Augsburg bietet auch die Tanzschule Trautz&Salmen in diesen Zeiten ihren Kunden zumindest OnlineVide­os und -Unterricht für zu Hause an. So sind Schrittfol­gen oder technische Tipps für Turnier- und Freizeittä­nzer ebenso abrufbar wie Kinder-, Zumba- oder Hip-HopChoreog­rafien. „Die meisten AboKunden im Tanzkreis halten uns die Treue. Wir werden deren Stunden sobald es möglich ist nachholen und dann auch während der Ferien arbeiten“, berichtet Martina Trautz.

Der Zeitpunkt der Corona-Pandemie kam für die Tanzsportl­er zur schlimmste­n Zeit. Mitten hinein in den Beginn der Saison, in der die Tanzschule eigentlich ihr 110-jähriges Bestehen mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen feiern wollte.

Doch alle Bälle, die traditione­ll im Frühjahr und Sommer stattfinde­n, einschließ­lich der zahlreiche­n Abschlussu­nd Abibälle, mussten abgesagt werden. Zudem hätte im Mai im Kongress am Park die Deutsche Meistersch­aft im Lateintanz­en stattfinde­n sollen. „Die haben wir mal auf den 29. November verschoben, in der Hoffnung, sie dann machen zu können“, berichtet Martina Trautz. Tickets, die bereits verkauft wurden, behalten ihre Gültigkeit.

Und für die Zuschauer gibt es nun eine besondere sportliche Zugabe. Die Veranstalt­ung wird nun um die Deutsche Kür-Meistersch­aft ergänzt, an der auch Nina Trautz und ihr Partner Victor Burchuladz­e vor heimischem Publikum zu sehen sein werden.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Keine leichten Zeiten für Tänzer wie Nina Trautz und ihren Partner Victor Burchuladz­e. Selbst in dem großen Tanzsaal ist derzeit kein Unterricht erlaubt.
Foto: Michael Hochgemuth Keine leichten Zeiten für Tänzer wie Nina Trautz und ihren Partner Victor Burchuladz­e. Selbst in dem großen Tanzsaal ist derzeit kein Unterricht erlaubt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany