Augsburger Allgemeine (Land West)
Eine Achterbahnfahrt: Die Freizeitparks öffnen wieder
Pandemie Am Samstag öffnen die Freizeitparks in Bayern. Mit großem Andrang rechnet kaum jemand. Viele Betreiber sind vorsichtig. Was Besucher in der Region erwartet
Rammingen/Günzburg Es geht wieder bergauf nach dem rapiden Absturz. Langsam zwar und alles rattert, aber doch stetig. Oben angekommen warten alle gebannt auf den nächsten freien Fall. Und er wird kommen, das ist nur eine Frage der Zeit. Dann geht alles wieder von vorne los, wieder und wieder. Eine Beschreibung der Welt? Nein. Es geht um den „Skyfall“, den höchsten mobilen Freifall-Turm der Welt. Normalerweise vagabundiert das Fahrgeschäft von einem Volksfest zum nächsten. Jetzt aber, da die meisten von ihnen abgesagt sind, hat es vorläufig eine feste Heimat gefunden: den Allgäu Skyline Park in Rammingen bei Bad Wörishofen. Am Pfingstsamstag öffnet der Freizeitpark wieder seine Türen, wie viele andere in Bayern. Ein Auf nach vielen Abs in der Corona-Achterbahn.
Was wäre gewesen, wenn – dieser Gedanke dürfte sich vielen Freizeitpark-Betreibern verbieten. Das sonnengetränkte Frühlingswetter, das viele über die Ausgangsbeschränkungen hinwegtröstete, hätte eigentlich Zehntausende in bayerische Freizeitparks gelockt. Im Allgäu Skyline Park waren zum PreOpening Ende März etwa 75000 Besucher erwartet worden. „Wir waren praktisch fertig mit allen Vorbereitungen zur Eröffnung, dann kam Corona“, sagt Joachim Löwenthal, Chef des Freizeitparks, in dem momentan auch das höchste Kettenkarussell der Welt gebaut wird. Die Einnahmeverluste durch den verzögerten Start sind nach Angaben von Löwenthal „enorm“.
„Bislang hat noch keines unserer Mitglieder Insolvenz angemeldet“, sagt Jürgen Gevers, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen e.V. (VDFU). Aber: „Es geht um Schadensbegrenzung.“Rund 80 Freizeitparks sind im VDFU organisiert, jeder davon ist nach Einschätzung von Gevers stark coronagebeutelt. Die Erwartungen vor dem Start am Samstag sind entsprechend groß, die Prognosen vage. „Das Bedürfnis ist grundsätzlich da, die Menschen wollen nach den Wochen zu Hause wieder Freizeiterlebnisse“, sagt Gevers. Man rechne in Bayern mit einer „charmanten und attraktiven Nachfrage“, aber: „Überfüllte Parks werden wir in diesem Sommer nicht erleben.“
Die meisten Betreiber begrenzten die Besucherzahlen aus freien Stücken. „Wir müssen mit den neuen Regelungen erst wieder laufen lernen“, erklärt Gevers, der zum Thema der Lockerungen auch in engem Austausch mit dem bayerischen Wirtschaftsministerium steht. „Niemand geht gleich ans Limit, weil niemand will, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Uns fehlen schlicht die Erfahrungswerte.“Auch deshalb setzten die meisten Parks auf Online-Ticketverkauf, so ließe sich die Besucherzahl leichter regulieren.
In Rücksprache mit den örtlichen Behörden haben die Freizeitparks individuelle Konzepte aufgestellt, die die Infektionsgefahr auf ein Minimum reduzieren sollen. Das bedeutet konkret: In der Gastronomie, in den Geschäften und beim Anstellen vor den Attraktionen muss eine Maske getragen werden – wenn der
Mindestabstand von eineinhalb Metern nicht eingehalten werden kann, zwingend auch in den Fahrgeschäften. Auf dem Gelände herrschen die üblichen Abstandsregeln. Die Plätze in den meisten Fahrgeschäften sind begrenzt, manche Attraktionen haben ganz geschlossen.
Doch reicht das? „Das Infektionsrisiko ist nie gleich null, wenn ich mich unter Leute begebe“, sagt Jürgen Gevers vom VDFU. „Aber die Freizeitparks haben größtenteils offene Flächen, da ist die Gefahr schon geringer.“Marion Pachmann, Sprecherin des Legolands nahe Günzburg, schließt sich dem an. Im Legoland könne man sich auf einer Fläche von 16 Hektar in zehn Themenbereichen bewegen. „Das ist ziemlich luftig. Jeder wird sehr viel Platz haben.“Nach der langen Pause freue man sich auf den Start. „Die Familien können ein Stück weit Normalität zurückbekommen und als Familie mal wieder was anderes erleben. Das ist im Moment sicherlich der Antrieb.“Schon jetzt fehle aber ein Viertel des Jahresumsatzes und der Gästezahlen.
Hoffnung macht vielen Freizeitpark-Betreibern ein möglicherweise neues Urlaubsverhalten. Experten gehen davon aus, dass der Tourismus innerhalb Deutschlands profitieren wird, weil Reisen ins Ausland auf absehbare Zeit wohl unmöglich sind. „Urlaub im eigenen Land, und dies mit einem eigenen Haus inmitten der Natur, ist sehr gefragt“, erklärt Andrea Nestle. Sie leitet seit Anfang Mai den Ferienpark Allgäu von Center Parcs, der auf Familienurlaub in der Natur spezialisiert ist. Dorthin, nach Leutkirch, reisen Gäste schon ab Freitag, 29. Mai. „Natürlich fängt es erst einmal langsam an – mit rund 250 Häusern beziehungsweise einer Auslastung von 25 bis 30 Prozent“, sagt Nestle. Für die Zeit nach Pfingsten sei sie optimistisch. „Mitte Juni geht die Auslastung dann bis etwa 50 Prozent hoch und Ende Juni, wenn in dem ein oder anderen Bundesland bereits die Sommerferien beginnen, werden wir sehr gut gebucht sein.“Es geht wieder aufwärts, auch mit der Zuversicht.
Mehr Urlaub in Deutschland? Betreiber schöpfen Hoffnung