Augsburger Allgemeine (Land West)

Wegen Corona: Das Hostel „Übernacht“schließt

Pandemie Philipp Sturz hatte sich gefreut, sein Budget-Hotel nun auch für Touristen wieder öffnen zu dürfen. Doch eine Vorgabe aus dem neuen Hygienekon­zept macht ihm einen Strich durch die Rechnung

- VON INA MARKS

Elf Jahre alt wäre das Hostel „Übernacht“in der Karlstraße in diesem Sommer geworden. Betreiber Philipp Sturz hätte sich nie vorstellen können, dass sein Budget-Hotel diesen Geburtstag nicht mehr erlebt. Dabei dürfen am Samstag Hotels seit der Corona-Pandemie für Touristen erstmals wieder öffnen. Doch als Sturz die Auflagen der Bayerische­n Staatsregi­erung durchliest, wird ihm buchstäbli­ch schlecht. Schweren Herzens trifft er eine Entscheidu­ng.

„Als ich das erforderli­che Hygienekon­zept sah, hat es mich zerlegt“, erzählt Philipp Sturz. Viele Wochen hatte er, wie andere Hoteliers auch, auf Grünes Licht aus der Politik gewartet. Doch die neuen CoronaVorg­aben waren für ihn ein Schlag ins Gesicht. Schnell wurde ihm klar, so Sturz, dass er das Übernacht auf diese Weise wirtschaft­lich nicht mehr weiter betreiben kann. In ein tiefes Loch sei er gefallen. „Aber es hilft nichts. Wir müssen das Übernacht zum 31. Mai schließen.“

Ein Punkt in dem Hygienekon­zept der Regierung trifft den Hostel-Betreiber am härtesten. Demnach dürfen nur Zimmer belegt werden, die über eine eigene Sanitärein­richtung verfügen. Das ist bei ihm zum Großteil aber nicht der Fall. Philipp Sturz bietet in dem Hostel, das sich über fünf Stockwerke erstreckt, vom Penthouse und Apartments bis hin zu Hotelzimme­rn sämtliche Formen der Übernachtu­ngsmöglich­keiten an. Das Übernacht zählt insgesamt 216 Betten. Die meisten Zimmer davon haben jedoch Gemeinscha­ftsbäder. Das bricht ihm nun das Genick.

„Demnach dürfen wir nur 38 Prozent unserer Betten vermieten. Damit ist nicht einmal mehr ein kostendeck­ender Betrieb möglich“, verdeutlic­ht er. Vieles an den Maßnahmen findet er übertriebe­n, manche auch ungerecht – wie eben diese. „Restaurant­s, in denen mehrere Gäste dieselbe Toilette benutzen,

öffnen. Bei mir im Hostel aber soll das nicht möglich sein“, kritisiert er.

Das Schlimme für Philipp Sturz ist auch die Ungewisshe­it für die Zukunft. „Warum und wann soll sich die Corona-Situation ändern? Man hat einfach keine Handlungss­icherheit mehr.“Zudem frage er

wer bei ihm übernachte­n soll. Vor allem Geschäftsr­eisende und Messe-Gäste seien bei ihm abgestiege­n, Plärrer- und Oktoberfes­t-Besucher, Schulungsg­ruppen oder Fußball- und Eishockeyf­ans. „Alles davon ist bis mindestens Herbst abgesagt.“Der 58-Jährige sieht keinen anderen Ausweg mehr als die Reißdürfen

Bild: Ulrich Wagner leine zu ziehen, um nicht noch mehr Verlust zu machen.

Seit Anfang März hätten nur wenige Handwerker im Hostel übernachte­t. Doch die laufenden Kosten für den Gebäudekom­plex und den Hotelbetri­eb hatte er weiterhin zu zahlen. „Es waren bereits schwere Monate. Ich habe viel Geld in der Hoffsich, nung auf bessere Zeiten verbrannt.“Er spricht von einem ordentlich­en sechsstell­igen Betrag. Philipp Sturz ist kein typischer Hotelier, er ist eigentlich Zahnarzt. Schräg gegenüber des Hostels in der Grottenau betreibt der Augsburger seine Praxis. Auf das Übernacht kam er einst durch eine spontane Idee: Sturz suchte nach einer Nutzung des Gebäudes, das ihm gehört. Er stieß auf die Hostel-Idee. Das Konzept eines Budget-Hotels, in dem Zimmer kostengüns­tig angeboten werden können, weil auf zusätzlich­e Angebote wie Restaurant, Minibar und Wellness verzichtet wird, gefiel ihm. Sturz steckte, wie er sagt, viel Aufwand Kreativitä­t und Liebe in sein Übernacht.

Das ging bei der Auswahl der Kaffeetass­en los und hörte in der Gestaltung der Rezeption auf. „Das Übernacht war mein Baby. Mein Traum war es, nach meiner Zeit als Zahnarzt, weiterhin Gäste aus der ganzen Welt zu begrüßen und ihre Geschichte­n zu hören.“Das Übernacht habe sich in der Stadt etabliert. Doch nun ist sein Traum zerplatzt. Das tue ihm für die Gäste, vor allem aber für sein Team leid. 20 Mitarbeite­r, davon einige in Teilzeit, waren bei ihm angestellt.

Sturz hoffe, dass die Schließung wenigstens den anderen Hotels in der Stadt helfe, über die Runden zu kommen. „Mit 216 Betten weniger nehmen wir etwas Druck auf dem Markt raus.“Dennoch befürchtet er, dass die Corona-Krise noch weiteren inhabergef­ührten Hotels und Geschäften die Existenz kosten werde. „Am Ende gibt es nur noch Franchise und Ketten.“Der Zahnarzt, der nun einen Mieter für die Immobilie sucht, ist niedergesc­hlagen.

 ??  ?? Philipp Sturz muss das Hostel „Übernacht“in der Karlstraße schließen. Der Hotelbetri­eb in dem gelben und grauen Gebäude hinter ihm wäre durch die Vorgaben des neuen Hygienekon­zepts der Regierung nur sehr eingeschrä­nkt möglich.
Philipp Sturz muss das Hostel „Übernacht“in der Karlstraße schließen. Der Hotelbetri­eb in dem gelben und grauen Gebäude hinter ihm wäre durch die Vorgaben des neuen Hygienekon­zepts der Regierung nur sehr eingeschrä­nkt möglich.

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