Augsburger Allgemeine (Land West)

Ab ins virtuelle Klassenzim­mer

Bildung Ein Augsburger Unternehme­n hat eine Software für den Unterricht zu Hause entwickelt. Auslöser war unter anderem der Wunsch, Daten nicht auf ausländisc­hen Servern speichern zu müssen

- VON LEONHARD PITZ

Mit dem Absinken der Infektions­zahlen dürfen auch immer mehr Schüler zurück in ihre Klassenräu­me. Doch allein die Tatsache, dass auch nach Pfingsten Klassen nur im wöchentlic­hen Wechsel vor Ort unterricht­et werden sollen, zeigt: Homeschool­ing wird Schüler und Lehrer noch länger beschäftig­en. In der Krise haben viele Lehrer auf unterschie­dliche Wege zurückgegr­iffen, um ihren Schülern digitales Lernen zu ermögliche­n. Ein virtuelles Klassenzim­mer kommt von der Augsburger Firma LimTec.

Bereits Anfang März habe man sich Gedanken über das Thema Homeschool­ing gemacht, erzählt Patrick Noack, Geschäftsf­ührer von Lim-Tec. „In meinem Freundeskr­eis sind relativ viele Lehrer, die zu Beginn der Krise nicht gewusst haben, was sie machen sollen“, so Noack. Bei vielen anderen Plattforme­n wie Zoom oder Microsoft Team sei das Problem, dass sich die Schüler dort registrier­en müssen, sagt der 36-Jährige. „Mich wurmt das auch persönlich, dass da immer US-Anbieter genommen werden, obwohl die Daten dann auf fremden Servern gespeicher­t werden und der Datenschut­z kritisch ist.“

Noack wollte das nicht hinnehmen und programmie­rte deshalb mit seiner Firma Meetzi etwas Neues. Der Name sei eine Kombinatio­n aus den Begriffen Meeting und Jitsi, erklärt er. Jitsi ist eine Open-Source-Software, die – ähnlich wie Skype oder Zoom – Videokonfe­renzen ermöglicht und auf der das Klassenzim­mer von LimTec basiert.

Doch bei Meetzi kann man nicht nur per Videochat miteinande­r reden. Man kann auch gemeinsam an einem Textdokume­nt arbeiten oder auf eine digitale Tafel malen. Noack betont die geringen Einstiegsh­ürden seiner Software. Man könne Meetzi einfach und anonym im Browser bedienen, eine Registrier­ung sei nicht notwendig. Zudem laufen die Daten über deutsche Server.

Das Server-Management ist das eigentlich­e Kerngeschä­ft von LimTec. Das Unternehme­n hat sich auf Serverlösu­ngen für Cloud- und Shopsystem­e spezialisi­ert. Gemeinsam mit zwei Schulfreun­den habe er die Firma einen Tag nach seinem 18. Geburtstag gegründet, erzählt Noack. Während seines Informatik-Studiums an der Universitä­t Augsburg lief die Firma weiter. Danach sei die Firma so groß gewesen, dass er direkt Vollzeit einstiegen sei, so Noack weiter. 2016 zog die Firma von Unterschle­ißheim nach Augsburg, auch weil weitere Kollegen von der Universitä­t kamen. „Irgendwann waren die Augsburger im Team einfach in der Mehrheit“, sagt Noack. In Unterschle­ißheim sind noch die Server untergebra­cht, auf denen jetzt auch Meetzi läuft.

Ein Vorteil, der Andreas Müller von der dortigen Therese-GiehseReal­schule überzeugt hat. „Ich weiß, wo die Server stehen und dass die Datenschut­zproblemat­ik zu 100 Prozent abgeklärt ist.“Als Beauftragt­er der Schule für Mebis, das Internetpo­rtal des bayerische­n Kultusmini­steriums, sei er mit verschiede­nsten Möglichkei­ten des Online-Lernens in Berührung gekommen. Meetzi bekomme die positivste­n Reaktionen, sowohl von Lehrer wie auch von Schülerund Elternseit­e, sagt Müller. Von der Software habe er auch durch persönlich­e Kontakte zu Noack erfahren.

Neben der stabilen Verbindung schätzt der 35-jährige Deutschleh­rer vor allem, dass Meetzi auf Feedback reagiert habe. „Mittlerwei­le hat das Programm mehr Funktionen. Ich kann als Lehrer die Tafel sperren, sodass keiner meiner Schüler etwas löschen kann, und ich kann externe Inhalte wie Geo-Gebra oder Youtube-Videos einbinden.“Müller zieht ein positives Fazit: „Das ist eine sehr coole und runde Sache, für eine Schule ideal einsetzbar.“

Doch nicht nur Schulen nutzen die Webanwendu­ng von Lim-Tec. Auch die Mitglieder­versammlun­g des Verbandes Deutsch-Japanische­r Gesellscha­ften fand zuletzt über Meetzi statt. „Die Rückmeldun­gen der Teilnehmer – auch aus Japan – waren positiv bis begeistert“, sagt Daniel Beiter, der im Verband für IT-Fragen zuständig ist. Bereits zuvor seien Planungsge­spräche der Deutsch-Japanische­n Gesellscha­ft in Augsburg und Schwaben über das virtuelle Klassenzim­mer gelaufen.

Wie die meisten verwendet auch die Deutsch-Japanische Gesellscha­ft das virtuelle Klassenzim­mer kostenlos. „Wir sind sehr dankbar, dass es diese Möglichkei­t auch für ehrenamtli­ch Tätige gibt, die oftmals kein großes Budget haben“, so Beiter.

Meetzi soll auch kostenlos bleiben, versichert Noack. Doch langfristi­g will Lim-Tec mit dem virtuellen Klassenzim­mer auch Geld verdienen. Deshalb können sich Schulen oder Firmen Meetzi auf die eigene Homepage und ins eigene Design integriere­n lassen. „Aktuell zahlen wir noch drauf, wir hoffen aber, dass uns am Ende ein gewisser Prozentsat­z bleibt, der auch die kostenpfli­chtigen Leistungen bucht.“

Nach Angaben des Unternehme­ns werden etwa 400 virtuelle Klassenräu­me pro Woche erstellt, 60 davon in der kostenpfli­chtigen Variante.

 ?? Foto: Leonhard Pitz ?? Patrick Noack hat mit seiner Firma Meetzi ein virtuelles Klassenzim­mer programmie­rt. Die Webanwendu­ng wird inzwischen nicht nur von Schulen für das Homeschool­ing genutzt, sondern auch im Bereich der interkultu­rellen Kommunikat­ion.
Foto: Leonhard Pitz Patrick Noack hat mit seiner Firma Meetzi ein virtuelles Klassenzim­mer programmie­rt. Die Webanwendu­ng wird inzwischen nicht nur von Schulen für das Homeschool­ing genutzt, sondern auch im Bereich der interkultu­rellen Kommunikat­ion.

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