Augsburger Allgemeine (Land West)

Aus dem Herzen gemacht

Pop Die Sängerin Stacia und der Soundtüftl­er Moritz Wunderwald machen als Polaroyds gemeinsame Sache. Eine erste Single fand auf Anhieb viel Resonanz. Nun legt die Gruppe ihre erste EP vor

- VON SEBASTIAN KRAUS

Ein Polaroid ist eine verblüffen­de Erfindung. Unter einem trüben Grau schimmern bleiche Farben, die kurz darauf einen bunten Ausschnitt des Lebens auf dem Fotopapier erscheinen lassen. Das Zaubermitt­el ist im Papier versteckt, das Drücken des Auslösers setzt eine chemische Reaktion in Gang.

Die Chemie zwischen den Elementen Anastasiya Tsaregorod­tseva und Moritz Wunderwald passte auch. Und so verbanden sich die beiden zu einer funktionel­len Gruppe namens Polaroyds.

Wunderwald begann als Schlagzeug­er in Punkbands, interessie­rte sich aber mehr und mehr für das Auflegen elektronis­cher Musik und deren Produktion. Tsaregorod­tseva ist unter ihrem Bühnenname­n Stacia längst keine Unbekannte mehr. 2016 gewann sie als Solokünstl­erin den Band-des-Jahres-Wettbewerb, und wer wie sie einmal das Modular gespielt hat, ist eh nicht nur in der Augsburger Popwelt etabliert, sondern auch weit darüber hinaus. Verlegt wird ihre Musik über Universal Publishing; das ist auch nicht unbedingt der kleinste Fisch im Haifischbe­cken des Musikgesch­äfts.

Zuerst fertigte Wunderwald Remixe von Stacias Songs an, veröffentl­icht unter dem Namen Stacia X Wunderwald. Die klangen, als wären sie bei Sonnenaufg­ang am Strand von Ibiza bei einem letzten Glas Kokoslikör nach einer großen AcidHouse-Party entstanden. Einen Plan für ein gemeinsame­s Projekt gab es damals aber noch nicht. Wie ein Polaroid „hat es sich einfach so selbst entwickelt“, erzählt Stacia. „Ich wollte nicht unbedingt noch eine ,richtige‘ Band neben meinen Solosachen. Es hat einfach wahnsinnig Spaß gemacht, die ersten

Sessions zusammen zu spielen.“Diese ersten Sessions wurden in Berlin aufgenomme­n. Durch Stacias Zusammenar­beit mit Universal können sie dort ein Studio nutzen, der kalte und graue Hauptstadt­herbst blies die letzten Mittelmeer­sonnenstra­hlen aus der Musik. „Wir haben nicht geplant, so düster zu klingen. Das war auch beeinfluss­t der Atmosphäre der Stadt“, so Wunderwald. Wer einmal im November am Spreeufer stand und durch den dunkelgrau­en Dunst die Gebäude auf der anderen Seite erahnte, weiß, wovon er spricht.

Der andere, nicht zu verleugnen­de Einfluss auf den dunklen Synthwave-Sound des Duos ist die Ästhetik der 80er Jahre. Polaroyds sind zu jung, als dass sie noch selbst mit toupiertem Haar und Tränen in den Augen zu Joy Division oder New Order tanzen konnten. Vielmehr war es die selbst mit Düsterheit nicht sparende US-Mysteryser­ie „Stranger Things“, die den beiden die Türen zur dunklen, irgendwie basslosen Popmusik dieses speziellen Jahrzehnts öffnete. Dass sie davon mit den richtigen Pfad eingeschla­gen hatten, zeigte sich dem Duo mit der ersten Single „The One“aus dem Jahr 2017. Da fanden sie sich in den Playlisten der großen Streamingp­ortale auf einmal neben Madonna wieder und bekamen vom Zundfünk und von Puls ordentlich­e Rotation.

Und nun wird am 29. Mai zum ersten Mal eine komplette selbstbeti­telte EP veröffentl­icht. „Der Name Polaroyds für die EP passt einfach am besten, da sie ein Roundup von allem ist, was bisher mit der Band passiert ist“, erklärt Moritz Wunderwald. Sechs Songs der Platte wurden schon einzeln veröffentl­icht, der siebte war bis dahin noch nie gehört: „He Wants Me“ist ein reduzierte­r, glasklar produziert­er Popsong, sein sparsamer Beat macht auch gerne eine kleine Pause, wenn Stacias helle Stimme Licht über dämmergrau­e Synthesize­r und hallende Single Notes der Gitarre strahlt.

Vorerst digital auf allen gängigen Streamingp­ortalen, vielleicht aber auch später als physischer Tonträger erscheint die EP beim kleinen Kulmbacher Label AdP. Die Polaroyds waren die erste Band, die durch den klassische­n Weg – also Demo hinschicke­n und einen Rückruf bekommen – in den exquisiten Katalog des Labels aus feinen lokalen und internatio­nalen Elektround Indiebands aufgenomme­n wurden.

Die abgesagte Tour in diesem Sommer wird auf nächstes Jahr verschoben, die gewonnene Zeit wird vielleicht genutzt, um aus dem großen Fundus an Ideen, welche die Polaroyds noch im Proberaum liegen haben, ein Album zu basteln. Wenn es erscheint, wird wie auf der EP Musik zu hören sein, so Stacia, „die aus dem Herzen gemacht ist“.

 ?? Foto: Oliver Kol ?? „Wir hatten nicht geplant, so düster zu klingen“: Stacia alias Anastasiya Tsaregorod­tseva und Moritz Wunderwald machen gemeinsam Musik unter dem Namen Polaroyds.
Foto: Oliver Kol „Wir hatten nicht geplant, so düster zu klingen“: Stacia alias Anastasiya Tsaregorod­tseva und Moritz Wunderwald machen gemeinsam Musik unter dem Namen Polaroyds.

Newspapers in German

Newspapers from Germany