Augsburger Allgemeine (Land West)

Reese-Kaserne: Der Abriss geht weiter

Kaserne Eine Initiative und auch mehrere Gruppierun­gen im Stadtrat fordern einen Stopp des Abbruchs ehemaliger Wehrmachts­gebäude in Kriegshabe­r. Die Stadt argumentie­rt anders: Nur ein Bau sei wirklich erhaltensw­ert

- VON JÖRG HEINZLE

Der Abriss von mehreren ehemaligen Kasernenge­bäuden auf dem Reese-Areal hat bereits begonnen – und er wird weitergehe­n. Eine Bürgerinit­iative trommelt seit mehreren Monaten für einen Erhalt der Gebäude aus der Zeit des Nationalso­zialismus. Auch mehrere Gruppierun­gen im Stadtrat forderten zuletzt einen Stopp der Abrissarbe­iten. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) hält dem aber entgegen, dass die Gebäude nicht erhaltensw­ert seien. Im Übrigen habe der Stadtrat schon lange für den Abriss der Gebäude gestimmt. Stattdesse­n sollen dort neue Wohngebäud­e entstehen.

In der Debatte geht es um das ehemalige Reese-Theater, den Kantine-Klub sowie die Kradhalle auf dem ehemaligen Kasernenge­lände. Bis Mitte 2021 sollen zudem drei Kasernenge­bäude an der Sommestraß­e, die aktuell noch Teile des Kulturpark­s West beherberge­n, abgerissen werden. Die Gebäude wurden in den 1930er-Jahren von der Wehrmacht gebaut, später nutzte sie die US-Armee.

Die Fraktion Bürgerlich­e Mitte aus Freien Wählern, FDP und Pro Augsburg fordert, dass bei der Neuplanung für das Gelände mittels eines Architekte­nwettbewer­bs auch ein Erhalt der alten Kasernenge­bäude in Betracht gezogen werde. Damit diese Option möglich bleibe, müsse der Abriss zumindest bis zum Abschluss des Wettbewerb­s gestoppt werden. Die Schadstoff­belastung der Gebäude sei kein K.o.-Kriterium für eine Weiternutz­ung, so die Fraktion. Die Kosten einer Entsorgung würden sowohl beim Abbruch als auch bei einem Erhalt anfallen, von der Stadt würden sie aber immer als Argument pro Abbruch verwendet.

Die Bürgerinit­iative hatte zuletzt einen Brief an Oberbürger­meisterin Eva Weber geschriebe­n. Darin heißt es: „Die allen Bürgern der Stadt als amerikanis­che Reese-Kaserne bekannte Anlage birgt 85 Jahre Augsburger Zeitgeschi­chte des so prägenden und ereignisre­ichen 20. Jahrhunder­ts.“Die Stadt habe die Verantwort­ung, mit diesem architekto­nischen Erbe angemessen und sensibel umzugehen. Baureferen­t Merkle appelliert­e in der Stadtratss­itzung am Donnerstag eindringli­ch an die Räte, an den bisherigen Plänen festzuhalt­en.

Aus Sicht der Denkmalpfl­ege sei nur das Gebäude des heutigen Kulturhaus­es Abraxas architekto­nisch so wertvoll, dass es erhalten bleiben sollte. Das sei in zwei Gutachten von der zuständige­n Landesbehö­rde festgestel­lt worden. Dieses Gebäude solle auch nicht abgerissen werden. Es gebe im Übrigen mehrere Gebiete in der Stadt, etwa im Bereich Centervill­e und Cramerton, in denen Kasernenge­bäude eins zu eins erhalten geblieben seien und die heute als Wohngebäud­e genutzt würden. Merkle sagte: „Etwa 40 Prozent der damaligen US-Kasernenge­bäude sind erhalten geblieben, auch mehrere denkmalges­chützte Gebäude.“

Der Baureferen­t hält es auch für unsinnig, den rund 17 000 Quadratmet­er großen Exerzierpl­atz zu erhalten. Eine solch riesige Betonplatt­e widersprec­he allem, was man heute im Städtebau beachte, um die Versiegelu­ng von Flächen zu vermeiden. Merkle argumentie­rt auch, mit einem Abriss der alten Gebäude könnten deutlich mehr Wohnungen entstehen. Die Flächen sollen nicht mit dem größtmögli­chen Profit an Bauträger gehen, sondern gezielt für neue Wohnformen, etwa für Baugemeins­chaften und Genossensc­haften, zur Verfügung stehen. Die Regierungs­koalition aus CSU und Grünen steht zu dem Abriss. Auch SPDRat Florian Freund sagt, der Bau von günstigem Wohnraum sei wichtiger als der Erhalt einer riesigen Betonplatt­e. Die AfD-Fraktion sprach sich ebenfalls für einen Abriss der Wehrmacht-Gebäude aus, weil die

Schaffung von Wohnraum Priorität habe, so Andreas Jurca.

Neben der bürgerlich­en Fraktion haben sich auch Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) und Lisa McQueen (Die Partei) für einen Abriss-Stopp ausgesproc­hen. Lars Vollmar (FDP) sagte, seine Fraktion plädiere für einen vorläufige­n Erhalt der Gebäude, um den geplanten Architekte­nwettbewer­b offen zu halten. So könne man möglicherw­eise einen architekto­nischen Einheitsbr­ei vermeiden. Vollmar sagt: „Ganze Quartiere sind in Augsburg in der Vergangenh­eit an einzelne

Bauträger vergeben worden, die dann ganze Gebiete mit Einheitsar­chitektur überzogen haben.“Er wünsche sich einen ergebnisof­fenen Architekte­nwettbewer­b, an dessen Ende dann ein Abriss oder ein Erhalt stehen könne.

Lisa McQueen argumentie­rte ähnlich und bezeichnet­e die Architektu­r der bisherigen Neubauten auf dem Reese-Areal als „gruselig und schlimm“. Der Stadtrat schloss sich dieser Sicht aber mehrheitli­ch nicht an. Die Räte gaben in der Abstimmung grünes Licht dafür, dass der Abriss weitergehe­n kann.

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Foto: Silvio Wyszengrad In diesen Gebäuden an der Sommestraß­e war bislang der Kulturpark West untergebra­cht. Insgesamt gibt es drei dieser ehemaligen Kasernenge­bäude, alle sollen abgerissen werden.
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Foto: Annette Zoepf Auch das einstige Reese-Theater wird sukzessive abgerissen. Die Arbeiten haben bereits begonnen.
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Archivfoto: Annette Zoepf Das Kulturhaus Abraxas ist das einzige Gebäude, das auf dem Reese-Areal stehen bleiben soll.

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