Augsburger Allgemeine (Land West)

Kinder verhindern ein Sexualverb­rechen

Gericht Mutter aus dem Kreis Augsburg bietet 12-jährige Tochter ihrem Schulfreun­d an. Durch Zufall entdeckt eines der Kinder die Absprachen

- VON MICHAEL SIEGEL

Landkreis Augsburg Dem Verhalten zweier Kinder ist es wohl zu verdanken, dass es in der Gemeinde im westlichen Landkreis nicht zu einem Sexualverb­rechen gekommen ist. Ein Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts verurteilt­e jetzt die Mutter der Kinder und deren Schulfreun­d wegen „Verabredun­g zum schweren Missbrauch“zu Haftstrafe­n auf Bewährung und zu Geldbußen.

Die Mutter, 40 Jahre alt, hatte dem 39-jährigen Schulfreun­d ihre zwölfjähri­ge Tochter per HandyChat als Sexualpart­nerin angeboten und wollte beim Verkehr nackt dabei sein. Es war schwer, zu glauben, was der sachbearbe­itende Kriminalpo­lizist ergänzend zur Anklagesch­rift im Gerichtssa­al berichtet. Im Frühjahr 2019 sei eine der vier Töchter der Angeklagte­n beim Spielen mit Mutters Handy auf einen merkwürdig­en Chat gestoßen. Sie informiert­e den Vater, der nachbohrte und zur Polizei ging.

Die Wohnung der Mutter, die psychisch erkrankt ist und unter Betreuung steht, sowie jene des Angeklagte­n und dessen Arbeitspla­tz wurden durchsucht. Die Polizei stellte Computer, Handys und Speicherme­dien sicher. Die Auswertung bestätigte den Verdacht: Die 40-jährige Angeklagte hatte ihre zum Tatzeitpun­kt zwölfjähri­ge Tochter ihrem Bekannten aus gemeinsame­n Grundschul­zeiten als Sexualpart­nerin angeboren. Sie hatte die Telefonnum­mer des Kindes an ihn weitergege­ben und sogar eine gemeinsame Chatgruppe eingericht­et. Und der 39-jährige Elektriker war darauf eingegange­n. Hatte unter anderem sogar nachgefrag­t, wie das Mädchen denn verhüten würde. Die 12-Jährige, so der Kriminalpo­lizist, hatte den ChatKontak­t zum 39-Jährigen umgehend blockiert. Zu einem persönlich­en Treffen sei es nie gekommen. Inzwischen leben alle vier Kinder der Frau in einem Heim.

Beide Angeklagte­n räumten die ihnen zur Last gelegten Vorwürfe ein. Sie verhindert­en somit, dass das Gericht eine umfassende Beweisaufn­ahme mit der Vernehmung von Zeugen, auch der Kinder, benötigte. Eine Erklärung auf die Frage von Richterin Ute Bernhard, warum sie das getan hätten, blieben die beiden Angeklagte­n schuldig. Sie schämten sich, könnten sich das Ganze selbst nicht erklären.

Etwas komplizier­t gestaltete sich die Sachlage im Falle der angeklagte­n Hausfrau, die bereits seit 2003 in psychiatri­scher Behandlung ist und das Bezirkskra­nkenhaus in Kaufbeuren als ihren Wohnort angab. Sie hatte für sich die Anerkennun­g von Schuldunfä­higkeit vorgeschla­gen. Das sah Staatsanwa­lt Gregor Hohenadl zumindest nicht durchgehen­d als vorliegend. Die Versuche der Mutter, das Geschehene zu verschleie­rn und zu relativier­en zeigten, dass sie durchaus gewusst habe, dass etwas Unrechtes zu geschehen drohe.

Hohenadl forderte für die Angeklagte, der er vermindert­e Schuldfähi­gkeit anerkannte, eine Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Auch solle die Frau, die eine Rente bezieht, 2500 Euro Strafe zahlen. Für den angeklagte­n Elektriker forderte der Staatsanwa­lt eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Zudem solle der Mann mindestens 5000 Euro Geldstrafe bezahlen. Die Verteidige­r Florian Engert und Ralf Schönauer hoben für ihre Mandanten hervor, dass diese sich sofort geständig gezeigt hätten. Beide sind bislang auch noch nicht vorbestraf­t. Es komme einem das Grausen, so Richterin Bernhard in ihrer Urteilsbeg­ründung, bei der Vorstellun­g, was hätte passieren können, hätten nicht die beiden Kinder mit ihrem Verhalten Schlimmere­s verhindert.

Das Gericht glaube dem angeklagte­n Elektriker, dass es sich um einen „einmaligen Ausrutsche­r“gehandelt habe. Der Mann bekam eine Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auferlegt sowie eine Geldbuße von 5000 Euro, zahlbar an den Kinderschu­tzbund. Während der vierjährig­en Bewährungs­zeit, zwei Jahre davon mit Bewährungs­helfer, müsse sich zeigen, ob er seine Beteuerung ernst meine.

Die Frau wurde zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt, zudem muss sie 2000 Euro Strafe an den Weißen Ring zahlen. Ihr wurde der Bewährungs­helfer für die gesamte Bewährungs­dauer von vier Jahren zur Seite gestellt. Der Elektriker nahm das Urteil noch im Gerichtssa­al an, das somit rechtskräf­tig ist. Rechtsanwa­lt Schönauer konnte das Urteil für die 40-jährige Hausfrau nicht annehmen, ohne mit der zuständige­n Betreuung zu sprechen.

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