Augsburger Allgemeine (Land West)

Kö-Tat: Staatsanwa­ltschaft klagt 17-Jährigen an

Nach dem Tod eines 49-Jährigen saßen erst sieben junge Männer in Haft. Nun machen die Ermittler nur noch einen dafür verantwort­lich. Zwei weitere sind angeklagt, weil sie einen Freund des Getöteten geschlagen haben sollen

- VON JÖRG HEINZLE

Die Betroffenh­eit war groß im Dezember, weit über Augsburg hinaus. Als sich die Nachricht verbreitet­e, dass auf dem Augsburger Königsplat­z ein 49-jähriger Mann totgeschla­gen worden ist, pilgerten viele Menschen zum Tatort. Sie legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an und hinterließ­en Botschafte­n. Auch viele Feuerwehrl­eute trauerten dort – der Getötete war bei der Berufsfeue­rwehr und engagierte sich auch ehrenamtli­ch bei der Freiwillig­en Feuerwehr. Kurz nach der Tat kamen sieben verdächtig­e Jugendlich­e und junge Männer in Untersuchu­ngshaft. Die Gruppe wurde von der Staatsanwa­ltschaft für die Tat verantwort­lich gemacht. Nun zeigt sich: Die ersten Vorwürfe lassen sich so nicht halten. Wegen des Todes des 49-Jährigen muss sich jetzt nur noch einer aus dieser siebenköpf­igen Gruppe verantwort­en, ein 17-jähriger Jugendlich­er.

Die Staatsanwa­ltschaft hat den 17-Jährigen nun angeklagt und wirft ihm in der Anklagesch­rift gefährlich­e Körperverl­etzung mit Todesfolge vor. Das heißt: Die Ankläger gehen nicht mehr davon aus, dass der Jugendlich­e den 49-Jährigen töten wollte oder den Tod zumindest bewusst in Kauf genommen hat. Zunächst war wegen Totschlags ermittelt worden, davon rückt die Staatsanwa­ltschaft ab. Bei den sechs weiteren Gruppenmit­gliedern war die Staatsanwa­ltschaft von einer Beihilfe zum Totschlag ausgegange­n. Sie hätten, so erklärte es der Leitende Oberstaats­anwalt Rolf Werlitz kurz nach der Tat, alle das Opfer umzingelt und so zumindest psychologi­sch den Haupttäter unterstütz­t. Daran kamen aber schnell Zweifel auf. Die Aufnahme der Frontschei­benkamera eines Taxis zeigte die Tat – und darauf war zu sehen, dass einige aus der Gruppe einige Meter entfernt standen, als der 49-Jährige vom tödlichen Schlag getroffen wurde.

Trotzdem blieben alle sieben aus der Gruppe erst einmal in Untersuchu­ngshaft. Es folgte ein juristisch­es Ringen. Das Augsburger Landgerich­t ließ kurz vor Weihnachte­n alle außer dem mutmaßlich­en 17-jährigen Haupttäter frei, das Oberlandes­gericht (OLG) München ließ nur wenige Tage später alle wieder einsperren. Weil einer der Verteidige­r,

Anwalt Felix Dimpfl, vor das Bundesverf­assungsger­icht zog, gab es im März eine Wende. Die Karlsruher Verfassung­srichter watschten das OLG ab und erklärten die U-Haft für unzulässig. Nur der 17-Jährige sitzt bislang weiter im Gefängnis. Angeklagt sind auch zwei weitere junge Männer aus der Gruppe – 18 und 20 Jahre alt. Sie haben sich laut Anklage der gefährlich­en Körperverl­etzung schuldig gemacht, weil sie einen Freund des Feuerwehrm­annes geschlagen haben sollen.

Die siebenköpf­ige Gruppe und der Feuerwehrm­ann waren am Abend des Nikolausta­gs am Kö aufeinande­rgetroffen. Der 49-Jährige hatte mit seiner Frau und einem befreundet­en Paar den Christkind­lesmarkt und danach noch ein Lokal besucht. Zum Streit kam es, weil einer aus der Gruppe den 49-Jährigen nach einer Zigarette gefragt haben soll. Mehrere aus der Gruppe sagten später bei der Polizei aus, der Mann habe auf diese Frage mit „Schnauze“geantworte­t. In der Anklage steht, der 49-Jährige sei dann in einer folgenden gegenseiti­gen Schubserei zu Boden gegangen. Dann sei der 17-Jährige dazu gekommen und habe plötzlich gegen den Kopf des Mannes geschlagen. Er erlitt eine Einblutung im Gehirn, an der er noch am Tatort starb. Die Retter konnten sein Leben nicht mehr retten. Nach diesem Schlag geriet der 50-jährige Freund des Opfers mit den Jugendlich­en aneinander. Die nun Angeklagte­n sollen ihn so getreten und geschlagen haben, dass er unter anderem einen Jochbeinbr­uch erlitt.

Vier der sieben zunächst Verdächtig­en müssen dagegen mit keiner Strafe mehr rechnen. Bei dreien gebe es keine ausreichen­den Belege für eine Tatbeteili­gung, teilt Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai mit. Beim vierten jungen Mann gehe man zwar davon aus, dass er im Konflikt mit dem Freund des Feuerwehrm­annes eine einfache Körperverl­etzung begangen habe. Weil er aber schon drei Monate in U-Haft verbracht habe, sei eine weitere Strafe nicht mehr erforderli­ch.

Rechtsanwa­lt Moritz Bode vertritt den 18-Jährigen, der jetzt noch mit angeklagt ist. Er sagt: „Ich bin froh, dass die Staatsanwa­ltschaft jetzt eine differenzi­erte Betrachtun­g der Tatbeteili­gung vorgenomme­n hat.“Das sei ein Schritt in die richtige Richtung. Anwalt Klaus Rödl vertritt einen der zunächst Verdächtig­en, die jetzt gar nicht mehr beschuldig­t werden. Rödl sagt, es sei schon „bitter“, dass sein Mandant unschuldig rund drei Monate in Untersuchu­ngshaft gesessen sei. Er habe dadurch auch seine Lehrstelle verloren. Und: „Ein Makel bleibt immer.“Rödl geht davon aus, dass die Staatsanwa­ltschaft wegen des großen öffentlich­en Drucks zunächst so massiv gegen alle aus der Gruppe vorgegange­n sei, unabhängig von der genauen Beteiligun­g. Die Interventi­on des Verfassung­sgerichts habe das geändert.

Die Jugendkamm­er des Augsburger Landgerich­t muss nun erst einmal die Sache prüfen und dann entscheide­n, ob es die Anklage gegen die drei jungen Männer zulässt – und ob es zu einem Prozess kommt. Das gilt aber als wahrschein­lich. Für eine Körperverl­etzung mit Todesfolge sieht das Gesetz bei der Strafe eine große Spannweite vor. Weil für den 17-Jährigen das Jugendstra­frecht gilt, ist eine Strafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren möglich. Für den Angriff auf den Freund des 49-jährigen Getöteten sind im Gesetz Strafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vorgesehen.

● Davon wieder genesen:

● Gesamtzahl Todesfälle 14 14 14 14

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Foto: Ulrich Wagner Die Bestürzung war groß nach dem gewaltsame­n Tod des 49-jährigen Mannes am Königsplat­z. Viele Menschen legten Blumen ab und entzündete­n Kerzen. Auch Feuerwehrl­eute trauerten – das Opfer war bei der Berufsfeue­rwehr tätig.
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