Augsburger Allgemeine (Land West)
Schweinestau in deutschen Ställen
Fleisch Die Schlachtereien kommen nicht mehr hinterher, China hat den Import eingestellt, die Preise fallen – die deutschen Schweinezüchter müssen gerade einiges durchmachen. Außerdem drohen ihnen juristische Schwierigkeiten. Besonders gefährdet sind auch
Augsburg Die deutschen Schweinehalter haben ein Problem: Sie werden ihre Schweine nicht los. Wegen der Corona-Auflagen sind die Kapazitäten der großen Schlachtereien eingeschränkt, Corona-Fälle ließen bereits bei mehreren Betrieben die Arbeit völlig stillstehen. Trotzdem wachsen genauso viele Tiere auf wie zuvor. Mehr als die Schlachtbetriebe derzeit bewältigen können. Viele Schweine verursachen deshalb im Stall weiter Kosten, statt beim Verkauf Geld einzubringen – und können ihre Halter sogar in juristische Schwierigkeiten bringen.
„Von den Schlachthöfen staut es sich zurück bis zu den Mastbetrieben“, sagt Markus Drexler, Sprecher des Bayerischen Bauernverbands. „Und von dort weiter zu den Bauern, die Muttersäue halten und Ferkel für ihre Berufskollegen bereithalten.“Die Tiere in den Mastbetrieben, die eigentlich geschlachtet werden sollten, blockieren die Ställe, sodass keine Jungtiere mehr eingestallt werden können. Den Haltern fehlt also nicht nur der Erlös für die Tiere, sondern sie müssen sie auch weiter füttern und die Schlachtreife der nächsten Generation von Tieren verzögert sich. Außerdem bleiben die Züchter auf ihren Ferkeln sitzen. „Irgendwann werden die Tiere so groß, dass die Tierschutz-Vorgaben im Stall nicht mehr eingehalten werden können“, erklärt Drexler. Größeren Schweinen steht nämlich per Gesetz mehr Platz zu. Die Halter müssten dann ihren Bestand verringern, wofür sie aber einen Abnehmer brauchen – eine Schlachterei. „Wir haben es nicht mit einem System zu tun, in dem Sie einfach einen Schalter anoder ausschalten“, sagt Drexler. „Man kann sich langfristig auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen, aber kurzfristig geht das nicht.“
Entsprechend schrieb diese Woche Walter Heidl, der Präsident des bayerischen Bauernverbands, einen Brief an den bayerischen Staatsminister Florian Hermann, in dem er um mehr Schlachtkapazitäten, tierschutzrechtliche Ausnahmeregelungen und finanzielle Hilfen bittet. „Im Prinzip geht es darum, für einen begrenzten Zeitraum an Sonnund Feiertagen das Schlachten zu erlauben oder die Arbeitszeiten in den Schlachtbetrieben auszudehnen“, sagt Drexler. „Oder zusätzliches qualifiziertes Personal auf den Schlachthöfen coronakonform einzusetzen.“
wäre die Lage nicht schon schwierig genug für die Branche, macht ihr nun auch noch die Afrikanische Schweinepest das Leben schwer. Dabei hat ihr die Seuche zunächst Vorteile gebracht: Als sie Ende 2018 in China grassierte, starben Millionen Schweine an dem Virus oder mussten notgeschlachtet werden, die Bestände haben sich bis heute noch nicht vollständig davon erholt. Die enorme Nachfrage nach Schweinefleisch – China verzehrt weltweit mit Abstand am meisten davon – blieb aber ungebrochen, deswegen musste das Land mehr importieren. Und zwar zu einem großen Teil aus Deutschland, dem drittgrößten Schweinefleisch-Exporteur nach den USA und Spanien.
Die Nachfrage trieb die Preise für deutsche Tiere nach oben, sehr zur Freude der Bauern. Dabei entstand aber kein Engpass für den inländischen Markt: Chinesen essen vor allem Schweineteile wie Ohren, Füße und Schwänze, sagt Claus Deblitz, stellvertretender Leiter des Thünen-Fachinstituts für Betriebswirtschaft in Braunschweig. Diese Teile würden hierzulande nur zu niedrigen Preisen zum Beispiel von TierAls futterherstellern gekauft. Nun konnten sie deutlich teurer exportiert werden. Doch damit ist es nun vorbei, zumindest vorerst. Seit die Afrikanische Schweinepest bei mehreren Wildschweinen in Brandenburg festgestellt wurde, importiert China kein deutsches Schweinefleisch mehr. Dadurch brach der Schweinepreis ein. „Mit China muss ein regionalisiertes Konzept erreicht werden“, fordert Deblitz. „Dass wir in Brandenburg ein Wildschwein haben, das Schweinepest hat – wohlgemerkt: es sind ja keine Hausschweine betroffen –, das hat zum
Beispiel mit den Betrieben in Nordrhein-Westfalen nichts zu tun.“Die Gespräche mit China laufen bereits. Bis ein Ergebnis feststeht, sieht Deblitz nur zwei Optionen: Entweder finde man eine alternative Verwendung für die Fleischstücke oder man lagere sie ein in der Hoffnung, dass sich die Situation wieder bessert.
Falls sich die Schweinepest weiter ausbreiten sollte, vermutet Deblitz die größten Probleme bei den 1 bis 1,5 Prozent der Betriebe mit ÖkoZertifizierung. Dort haben die Schweine Auslaufflächen im Freien. „Wenn die Halter ihre Tiere aus Infektionsschutzgründen im Stall lassen müssen, verlieren sie nach einer gewissen Zeit ihren Öko-Status.“Dann bekämen sie auch keinen Öko-Preis mehr für die Tiere.
Die gesunkene Nachfrage wegen Chinas Importstopp bleibe derzeit vor allem an den Mastbetrieben hängen, sagt Burkhard Hock, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Franken-Schwaben. Während die Erzeuger Anfang 2020 noch rund zwei Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht verlangen konnten, seien es derzeit nur noch knapp 1,30 Euro. „Ich kann aber nicht feststellen, dass sich der Preis für Schweinefleisch im Laden um auch nur einen Cent geändert hätte.“