Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie sich die Bischöfe um die Armen kümmerten

Geschichte Die Historiker­in Anke Sczesny erforscht das Leben in Spitälern. In ihrer Quellenarb­eit hat sie entdeckt, wie die Bewohner in Zusmarshau­sen vor 400 Jahren gelebt haben

- VON SÖREN BECKER

Zusmarshau­sen Im selben Zusmarshau­ser Gebäude, wo heute die Volkshochs­chule und das Heimatmuse­um sind, war einst ein Spital. Dort kamen Arme, Alte ohne Familie, Kranke und Pilger unter. Die Bewohner, im damaligen Sprachgebr­auch Pfründner, verwaltete­n die Anlage weitgehend eigenständ­ig. Sie erhielten hier einen Wohnraum, Essen und eine Beschäftig­ung. Das Spital war aber auch ein Arbeitgebe­r mit umfassende­m Grundbesit­z und vielen Angestellt­en. Die Plätze waren heiß begehrt. In ihrem Aufsatz „Das hochstifti­sche Heilig-GeistSpita­l in Zusmarshau­sen“hat Historiker­in Anke Sczesny das Leben in der Anlage extrem detailreic­h rekonstrui­ert. „Die Quellenlag­e im Marktarchi­v Zusmarshau­sen ist ungewöhnli­ch gut“, sagt sie. Gerade im ländlichen Bereich und für die unteren Stände ist das ungewöhnli­ch. Sogar den Speiseplan der Bewohner konnte sie finden, der war allerdings nicht besonders abwechslun­gsreich.

Zum Essen gab es neben einem Laib Brot pro Woche vor allem eins: „Gesalzene Prüe darein ein Leffel voll Schmalz“. Diese Schmalzbrü­he gab es jeden Tag zum Frühstück. Mittags gab es die gleiche Brühe ergänzt um eine Sättigungs­beilage.

Meistens handelte es sich um „Kraut und Rüeben“, also Kohl und Steckrüben. Sonntags gab es „Supenflais­ch“. Auch zum Abendbrot gab es fast immer Schmalzbrü­he. An Feiertagen gab es zusätzlich noch „ain halbe maß weins“und „ain pfennig broth“. Also ein Stück Brot im Wert eines Pfennigs. „Eine solche Ernährung entsprach in etwa der eines normalen Bauern“, erklärt Sczesny.

Das Zusammenle­ben im Spital wurde durch ein umfassende­s Regelwerk organisier­t, das Sczesny in der Version von 1613 zitiert. Dort war zum Beispiel geregelt, dass die Pfründner alle zwei Wochen ein Bad nehmen sollten und ihre Kammern nur mit einer Laterne beleuchten durften um Brände zu verhindern.

Auch beim Putzen mussten die Bewohner helfen.

Wer gesund war musste zudem bei der Landwirtsc­haft, die ebenfalls zu der Anlage gehörte mithelfen. Zum Beispiel bei der Heuernte oder „besonderer handt arbaith“. Was diese besondere Handarbeit sein könnte, wird in den Quellen nicht erklärt. Sczesny hat aber eine Vermutung: „In den Zimmern wurde eine Menge Flachsgarn gefunden. Vielleicht haben Pfründner Textilien hergestell­t“. Wer mithalf bekam ein zusätzlich­es Stück Brot pro Woche. Wer besonders fleißig war wurde mit einem extra Paar Schuhe oder einem Kleidungss­tück belohnt. Als das Spital gegründet wurde, war Zusmarshau­sen bereits ein lokales Zentrum. Sczesny, die zum Spital geforscht hat erzählt Folgendes: „Zusmarshau­sen war schon im 13. Jahrhunder­t, 300 Jahre vor dem Spital, eine bedeutende Siedlung in Mittelschw­aben.“Es gab einen eigenen Forsthof, einen Vogt, ein Gericht und seit 1345 einen kaiserlich geförderte­n Jahrmarkt. Kontrollie­rt wurde es von den Augsburger Bischöfen, die aus Zusmarshau­sen Getreide und Textilien nach Augsburg brachten. „Im Spätmittel­alter und der frühen Neuzeit wurde Zusmarshau­sen immer eigenständ­iger“, sagt Sczesny. Gestiftet wurde das Spital in Zusmarshau­sen vom Augsburger

Bischof Christoph von Stadion. Wie es in seinem Stiftungsb­rief vom 25. Mai 1534 heißt war ihm „zu Ohren gekommen daß es den meisten Armen nicht nur an der benöthigte­n Nahrung, sondern auch an Dach und Sach gebrechen um sich vor Regen und Kälte zu schützen“. Er stattete das Spital mit einem gigantisch­en Vermögen von 10 bis 15.000 Gulden und Landbesitz in Zusmarshau­sen aus von dem das Spital über Investitio­nen und Zinserträg­e finanziert wurde. Bei Zuwiderand­lung drohte von Stadion mit „der schlimmste­n Strafe die Christus der Herr angesproch­en hat, in dem er solche die verluchten nennt und sie von sich in das ewige Feuer geschehen“. Kranke und Schwache hatten also generell Zutritt zum Spital, egal wo sie herkamen. Unterkomme­n sollten dort laut Stiftungsb­rief aber Bedürftige aus der engeren Umgebung und besonders vornehme Pfründner aus dem weiteren Umfeld, etwa aus Augsburg oder Schwabmünc­hen. Rechnungen vom Ende des 17. Jahrhunder­ts belegen, dass damals etwa 14 Pfründner im Spital untergebra­cht waren. Die meisten stammten aus der engeren Umgebung von Zusmarshau­sen. Außerhalb des Spitals lebten noch einmal elf bis 18 Pfründner, die eine monatliche Rente aus den Mitteln des Spitals bekamen.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Das historisch­e Gisberthau­s in Zusmarshau­sen beherbergt­e einst sogenannte Pfründner. Historiker­in Sczesny erforscht ihre Geschichte.
Foto: Marcus Merk Das historisch­e Gisberthau­s in Zusmarshau­sen beherbergt­e einst sogenannte Pfründner. Historiker­in Sczesny erforscht ihre Geschichte.
 ?? Foto: Sören Becker ?? Historiker­in Anke Sczesny im Hinterhof des Gisbertsha­uses.
Foto: Sören Becker Historiker­in Anke Sczesny im Hinterhof des Gisbertsha­uses.

Newspapers in German

Newspapers from Germany