Augsburger Allgemeine (Land West)
Corona stoppt MafiaProzess
Justiz In Deutschland sind mutmaßliche Mitglieder der ’Ndrangheta angeklagt. Das Virus gibt ihnen und den Verteidigern mehr Zeit
Düsseldorf Der Auftakt des großen Mafia-Prozesses im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit 14 Angeklagten und 40 Verteidigern ist wegen der Corona-Quarantäne eines Beschuldigten unterbrochen worden. Er soll am Freitag fortgesetzt werden. Das beschloss die Kammer am Montag kurz nach Beginn.
Die Mutter des 39-jährigen Angeklagten, der nicht gekommen war, sei positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Kammer sei vom Anwalt des Beschuldigten in der Nacht zum Montag unterrichtet worden, dass dieser am Freitagabend seine kranke Mutter besucht habe, als noch nicht klar gewesen sei, dass sie infiziert ist. Der Kölner habe sich zwar testen lassen, mit einem Ergebnis rechnete die Kammer am Montag aber nicht mehr. Die Mutter des Mannes liege derzeit in einem Kölner Krankenhaus.
Der Prozess-Auftakt war mit Spannung erwartet worden. Laut Staatsanwaltschaft sind fünf der 14 Angeklagten im Alter von 31 bis 56
Jahren Mitglieder der ’Ndrangheta, die als mächtigste Mafiaorganisation weltweit gilt und den internationalen Kokainhandel kontrolliert. Die Angeklagten kommen größtenteils aus Nordrhein-Westfalen. Unter anderem wird ihnen der Handel mit hunderten Kilo Kokain vorgeworfen. In unterschiedlicher Zusammensetzung müssen sie sich auch wegen der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Betrug, Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Waffengesetz verantworten.
Neben den fünf mutmaßlichen Mitgliedern sollen sechs die Vereinigung unterstützt haben. Unter den drei weiteren Männern seien auch solche, die im Hintergrund tätig waren und etwa abhörsichere Mobiltelefone besorgt haben. Der 39-Jährige, der am Montag fehlte, zählt zu den sechs mutmaßlichen ’Ndrangheta-Unterstützern. Zudem wird ihm etwa Beihilfe zum bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen.
Das Verfahren geht auf eine groß angelegte internationale Razzia zurück. Unter dem Decknamen „Pollino“waren Ermittler Anfang Dezember 2018 in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Belgien gegen Mitglieder ’Ndrangheta vorgegangen. Die Organisation hat in Deutschland ein festes Standbein, besonders in NRW. Die Organisation war für die Mafia-Morde von Duisburg verantwortlich, bei denen 2007 sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden.