Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie ernst ist die Corona‰Lage in Augsburg?

Fragen und Antworten Die Covid-19-Infektione­n sind in den vergangene­n Tagen sprunghaft angestiege­n. Was das bedeutet, welche Zahlen für die Stadt wichtig sind – und wie die Lage am Unikliniku­m derzeit ist

-

Wie schätzen die Verantwort­lichen im Gesundheit­samt die Situation in Augsburg ein?

In Augsburg schien die Corona-Lage zuletzt über längere Zeit relativ ruhig. Die Zahl der gemeldeten Neuinfekti­onen pendelte unter dem Frühwarnwe­rt von 35 neuen Fällen je 100000 Einwohner. Noch am Freitag lag der Wert bei 29,2. Übers Wochenende gab es dann aber gleich 93 neue Fälle, der Sieben-TageWert schnellte hoch auf 49,3. Was dem Gesundheit­samt Sorgen bereitet, ist vor allem die hohe Zahl an neuen Fällen, bei denen man noch nicht weiß, wo die Infizierte­n sich angesteckt haben. Das macht es den Mitarbeite­rn des Amtes schwierig bis unmöglich, die Infektions­ketten zu ermitteln und zu unterbrech­en. Dr. Thomas Wibmer, der stellvertr­etende Chef des Gesundheit­samts, spricht von einer „diffusen“Lage. Er geht deshalb auch von einer relativ hohen Dunkelziff­er an nicht erkannten Fällen in der Stadt aus.

Was bedeutet der Sieben-TageWert und warum ist er für die Stadt so wichtig?

Fachleute sprechen von der SiebenTage-Inzidenz. Gezählt werden alle bekannt gewordenen neuen Infektione­n innerhalb von sieben Tagen in einer Stadt oder einem Kreis. Sieben Tage werden herangezog­en, damit nicht ein einmaliger, tageweiser Ausschlag der Zahlen gleich für Alarmstimm­ung sorgt. Damit die Werte vergleichb­ar werden, setzt man sie ins Verhältnis zur Einwohnerz­ahl. In Bayern gilt ein Wert von 35 Infektione­n je 100 000 Einwohner als Frühwarnwe­rt, bei 50 liegt die Obergrenze. Wird die Obergrenze überschrit­ten, so muss eine Kommune konkrete Maßnahmen umsetzen, um den Wert wieder nach unten zu drücken. Stand Montag lag Augsburg knapp unter 50. Sollten am Dienstag aber zwölf Fälle oder mehr hinzu kommen, dann ist die Obergrenze überschrit­ten. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) sagt, die Stadt rechne damit, dass die CoronaOber­grenze noch in dieser Woche „gerissen“werde.

Wie ist aktuell die Situation am Augsburger Unikliniku­m?

Noch herrscht am Augsburger Universitä­tsklinikum trotz steigender Infektions­zahlen in der Stadt keine Alarmstimm­ung. Sprecherin Ines Lehmann sagt, derzeit liege die Zahl der Covid-19-Patienten im „niedrigen zweistelli­gen Bereich“. Laut Intensivre­gister der deutschen Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin mussten, Stand Montag, auch nur zwei Patienten auf der Intensivst­ation behandelt und dort beatmet werden. Die Klinik meldete am Montag noch 29 freie Intensivbe­tten. Sollten mehr Patienten ins Unikliniku­m kommen, könnten die Kapazitäte­n auch noch hochgefahr­en werden, sagt die Klinik-Sprecherin.

Wie entwickelt sich die Zahl der Todesfälle in Augsburg?

Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr starben in Augsburg innerhalb weniger Wochen mehr als ein Dutzend Patienten mit oder an Covid 19. Insgesamt zählte die Stadt bislang 16 Todesfälle. Der bisher letzte Todesfall im Zusammenha­ng mit Corona liegt Wochen zurück, er wurde Mitte Juli gemeldet. Die Entwicklun­g hat vor allem etwas mit dem Alter der Infizierte­n zu tun. Anfangs waren, im Verhältnis zur Einwohnerz­ahl, relativ viele ältere Menschen betroffen. Sie haben ein größeres Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf der Krankheit. Den Sommer über nahm der Altersschn­itt der Betroffene­n deutlich ab, erklärt Thomas Wibmer vom Gesundheit­samt. Bei Jüngeren treten häufig keine oder nur milde Symptome auf. OB Eva Weber warnt aber: Auch wer symptomfre­i sei, könne das Virus weitertrag­en. Seit einigen Tagen beobachtet die Stadt wieder einen Anstieg der Zahlen bei älteren Menschen. Ein Grund dafür ist der Corona-Ausbruch in einem Seniorenhe­im in Inningen mit bislang 14 infizierte­n Bewohnern.

Wie viel wird in Augsburg getestet – und werden wegen der vielen Tests nun viele Fälle entdeckt?

Die genaue Zahl der Tests für Augsburg lässt nicht ermitteln – weil es mehrere Anlaufstel­len gibt, etwa Hausärzte und das Corona-Testzentru­m an der Messe. Allerdings wird die „Teststatio­n für alle“an der Messe stark angenommen. Seit dem Start vor gut einem Monat wurden nach Angaben des Betreibers Bäuerle Ambulanz bereits fast 13 000 Tests gemacht. Fachleute gehen davon aus, dass mit mehr Tests auch mehr Fälle entdeckt werden. Allerdings ist es strittig, wie groß dieser Effekt ist. Schaut man auf die bayernweit­en Zahlen, so kann man sehen, dass die sogenannte Positivquo­te in den vergangene­n Tagen deutlich gestiegen ist. Dieser Wert besagt, wie hoch der Anteil der positiven Ergebnisse bei den Tests insgesamt ist. Steigt die Quote, kann man auch von einem zunehmende­n Infektions­geschehen ausgehen.

Wie sind aktuell die Kapazitäte­n im Augsburger Testzentru­m?

Stand Montagaben­d waren noch viele freie Termine für die nächsten Tagen verfügbar – sowohl für Personen mit Krankheits­symptomen wie auch für Personen ohne Symptome. Thomas Wibmer vom Gesundheit­samt sagt, die Augsburger sollten dieses Angebot, wenn sie Bedarf sehen, annehmen. Man sei auch in der Lage, die Kapazitäte­n im Testzentru­m noch weiter hochzufahr­en. Anders als etwa im Landkreis Augsburg scheint der Betrieb in Augsburg bislang relativ reibungslo­s zu funktionie­ren. Der Betreiber sagt, dass das Testergebn­is in der Regel nach 24 Stunden, spätestens aber nach 48 Stunden vorliege. Demnächst muss das Zentrum umziehen: Ab Ende Oktober soll es vorübergeh­end im alten Depot des Abfallwirt­schaftsbet­riebs in der Isarstraße in Haunstette­n eingericht­et werden. Denn Mitte November soll, Stand jetzt, im Messezentr­um die Grindtec, die Weltleitme­sse für Schleiftec­hnik, stattfinde­n. Womöglich zieht die Teststatio­n nach dem Ende der Grindtec aber wieder zurück zum Messegelän­de. Die örtliche Situation dort sei schlicht „sehr praktisch“, sagt Oberbürger­meisterin Eva Weber.

Ist das Gesundheit­samt angesichts der vielen Fälle jetzt überforder­t?

Um möglichst viele Covid-19-Fälle zu finden, arbeiten Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes seit Beginn der Pandemie als „Corona-Detektive“. Die Arbeit besteht vor allem daraus, Kontaktper­sonen von Infizierte­n ausfindig zu machen und zu informiere­n. Es geht auch darum, die Betroffene­n über Test- und Quarantäne­pflichten aufzukläre­n. Weil die Fallzahlen stark gestiegen sind und immer mehr Infektions­quellen nicht bekannt sind, braucht das Amt jetzt weitere Verstärkun­g. Auf die Schnelle erhält das Gesundheit­samt 20 Mitarbeite­r zusätzlich – diese werden aus anderen städtische­n Abteilunge­n abgezogen. Zudem wurden erst vor kurzem 17 weitere Stellen im Gesundheit­samt neu geschaffen. Auch sie sollen so schnell wie möglich alle besetzt werden, sagt Dr. Thomas Wibmer. Unterstütz­ung von der Bundeswehr, wie es in anderen Städten momentan geschieht, will die Stadt Augsburg aber derzeit nicht anfordern.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? In Augsburg ist die Zahl der bekannt gewordenen Corona‰Infektione­n zuletzt stark angestiege­n – im Gesundheit­samt der Stadt geht man aktuell auch von einer relativ hohen Dunkelziff­er aus.
Foto: Silvio Wyszengrad In Augsburg ist die Zahl der bekannt gewordenen Corona‰Infektione­n zuletzt stark angestiege­n – im Gesundheit­samt der Stadt geht man aktuell auch von einer relativ hohen Dunkelziff­er aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany