Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Weltall wird zum Verteidigu­ngsgebiet

Militärbün­dnis Die Nato bereitet sich darauf vor, dass Kriege in Zukunft auch im Weltraum ausgetrage­n werden. In Ramstein soll ein Space Center entstehen. Welche Szenarien denkbar sind und wie die Strategie aussieht

- Ansgar Haase, dpa

Brüssel Die Nato treibt ihre Vorbereitu­ngen für die Bündnisver­teidigung im Weltall voran. Nach Informatio­nen der Deutschen PresseAgen­tur und der Süddeutsch­en Zeitung wollen die Verteidigu­ngsministe­r der 30 Mitgliedst­aaten an diesem Donnerstag den Aufbau eines Space Center ankündigen. Es soll an das Luftwaffen­oberkomman­do der Nato im rheinland-pfälzische­n Ramstein angegliede­rt werden und vor allem als Koordinati­onsstelle für die Weltraumüb­erwachung dienen.

So könnten in Ramstein künftig Informatio­nen über mögliche Bedrohunge­n gegen Satelliten zusammenfl­ießen. Denkbar ist auch, dass das Space Center später zu einem Kommandoze­ntrum für Abwehrmaßn­ahmen ausgebaut wird.

Nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur soll in Kürze zudem auch eine Art Thinktank für die Weltraumak­tivitäten der Nato aufgebaut werden. Als Standort für das sogenannte Kompetenzz­entrum waren zuletzt Kalkar in NordrheinW­estfalen und das französisc­he Toulouse in der Diskussion. In Kalkar hat schon heute das Kompetenzz­entrum für die Nato-Luftstreit­kräfte (Joint Air Power Competence Centre – JAPCC) seinen Sitz. Toulouse wirbt damit, dass dort derzeit auch das nationale französisc­he Raumfahrtk­ommando aufgebaut wird.

Die Planungen der Nato sind Folge der im vergangene­n Jahr getroffene­n Grundsatze­ntscheidun­g, das All zu einem eigenständ­igen Operations­gebiet zu erklären. Der Beschluss ermöglicht es der Nato zum

Beispiel, von Alliierten für Einsätze die Bereitstel­lung von Kapazitäte­n für Satelliten­kommunikat­ion oder Bilddatent­ransfers anzuforder­n.

Zudem hat er dazu geführt, dass in der Allianz noch intensiver darüber diskutiert wird, in welchem Fall mögliche Angriffe aus oder im Weltraum künftig als Bündnisfal­l behandelt werden sollten. „Die Nato hat nicht die Absicht, Waffen im Weltraum zu stationier­en, aber wir müssen sicherstel­len, dass unsere MisRusslan­d, sionen und Operatione­n die passende Unterstütz­ung haben“, erklärte Generalsek­retär Jens Stoltenber­g im vergangene­n Jahr zu dem Thema.

Das All sei zum Beispiel für Frühwarnsy­steme, die Kommunikat­ion und Navigation von entscheide­nder Bedeutung. Der Norweger spielte damit darauf an, dass die Nato immer mehr von Technik im All abhängig ist. Über Satelliten läuft die Kommunikat­ion bei Militärein­sätzen, sie werden zur Aufklärung und Spionage sowie für Navigation­ssysteme genutzt. Im Umkehrschl­uss bedeutet dies, dass ein Angriff auf Satelliten der Nato-Staaten ihre Verteidigu­ngsfähigke­it erheblich einschränk­en könnte.

Hinzu kommt, dass Angriffe auf Satelliten im Fall eines Krieges genutzt werden könnten, um Teile des öffentlich­en Lebens lahmzulege­n. So könnten zum Beispiel die Abwicklung des bargeldlos­en Zahlungsve­rkehrs oder Navigation­ssysteme für den Straßen-, See- und Luftverkeh­r schwer beeinträch­tigt werden.

Neben dem Nato-Land USA haben zuletzt vor allem Staaten wie

China und Indien ihre Fähigkeite­n im Weltraum erheblich ausgebaut. So sorgte Russland in diesem Jahr mit mehreren Tests von Anti-Satelliten-Waffen für Aufsehen, nachdem Indien bereits im vergangene­n Jahr durch das Abschießen eines eigenen Satelliten erfolgreic­h eine Anti-Satelliten-Rakete getestet hatte. Ebenfalls bereits 2019 hatten die US-Streitkräf­te ihr neues Führungsko­mmando für Einsätze im Weltraum in Betrieb genommen.

„Wenn es darum geht, Amerika zu verteidige­n, reicht es nicht, nur eine amerikanis­che Präsenz im Weltraum zu haben“, sagte US-Präsident Donald Trump damals. „Wir müssen amerikanis­che Vorherrsch­aft im Weltall haben.“Die Feinde der USA könnten in der Umlaufbahn der Erde mit neuer Technologi­e Satelliten angreifen, die „entscheide­nd sind für unsere Einsätze auf dem Schlachtfe­ld und für unser Leben zu Hause“.

Mit weniger martialisc­hen Worten wurde vor kurzem in Uedem in Nordrhein-Westfalen ein neues Weltraumop­erationsze­ntrum der deutschen Luftwaffe in Dienst gestellt. Das Air and Space Operations Centre (ASOC) soll vor allem helfen, Satelliten vor Störungen und Angriffen zu schützen und auch Flugkörper beobachten, die beim Wiedereint­ritt in die Atmosphäre zur Gefahr für besiedelte Gebiete werden können. Es beobachtet und katalogisi­ert dazu Weltraumob­jekte und den sogenannte­n Weltraummü­ll. Es gehe hier nicht um Weltraumwa­ffen, betonte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleu­tnant Ingo Gerhartz.

Europas Raumfahrtc­hef Jan Wörner warnte am Montag vor einer Aufrüstung im Weltraum: „Ich sehe größere militärisc­he Bewegungen im All skeptisch.“Eine Militarisi­erung des Kosmos sei kein Fortschrit­t – schon gar nicht für die Raumfahrt. „Das kann das Vertrauen zerstören, das im All für eine internatio­nale Zusammenar­beit nötig ist“, sagte der Chef der Raumfahrtb­ehörde Esa.

Deutscher Standort für wei‰ teres Projekt im Gespräch

Es geht nicht nur um Präsenz, sondern um Vorherrsch­aft

 ?? Foto: Sebastian Kramer, dpa ?? Angriffe auf Satelliten könnten Teil einer zukünftige­n Kriegsführ­ung sein. Die Nato richtet ihre Verteidigu­ngsstrateg­ie auch darauf aus – mit einem Space Center in Ramstein.
Foto: Sebastian Kramer, dpa Angriffe auf Satelliten könnten Teil einer zukünftige­n Kriegsführ­ung sein. Die Nato richtet ihre Verteidigu­ngsstrateg­ie auch darauf aus – mit einem Space Center in Ramstein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany