Augsburger Allgemeine (Land West)

Falsche Polizisten bringen Opfer um Geld und Gold

Justiz Vor dem Augsburger Landgerich­t starten jetzt zwei Prozesse, die sich mit solchen Betrugsmas­chen beschäftig­en

- VON PETER RICHTER

Wenn zuhause das Telefon klingelt, der Anrufer behauptet, von der Polizei zu sein, sollte man misstrauis­ch werden, sofern von Geld die Rede ist. Denn oft sitzen am anderen Ende der Leitung keine Ermittler, sondern Betrüger, die ihre Opfer um viel Bargeld erleichter­n. 2018 hat es allein in Bayern mehr als 14 000 Anrufe durch falsche Polizisten gegeben. Mehr als zehn Millionen Euro haben ihnen die Angerufene­n anvertraut – und verloren.

Vor dem Augsburger Landgerich­t beginnen am Dienstag gleich zwei Prozesse, die Einblicke in diese raffiniert aufgezogen­e Betrugsmas­che geben können. Den Angeklagte­n, 25 und 42 Jahre alt, werden zehn Betrugstat­en zur Last gelegt, die zwischen Oktober 2019 und März dieses Jahres verübt wurden. Dabei sollen Geschädigt­e ihnen fast eine halbe Million Euro ausgehändi­gt haben. In der Hierarchie der Bande sind Geldabhole­r das kleinste Glied, tragen aber das größte Risiko, erwischt zu werden. Nach Erkenntnis­sen der Augsburger Kripo sitzen ihre Auftraggeb­er in der Türkei.

Die Tätergrupp­ierung kennt keinerlei Skrupel, wie der Fall einer Augsburger­in zeigt. Eines Abends im Oktober meldet sich auf dem Festnetzan­schluss von Renate Keller* ein Jürgen Schneider vom Kriminalda­uerdienst

K4 in der Frölichstr­aße.

Sie erfährt, dass bei sechs festgenomm­enen Rumänen ein Zettel

mit ihrem Namen und ihrer Adresse gefunden wurde. Da andere Täter noch auf der Flucht seien, will der Anrufer wissen, ob sie tatsächlic­h viel Geld oder Gold zuhause habe, wie beschlagna­hmte Aufzeichnu­ngen vermuten lassen. Weil die promoviert­e Geschäftsf­rau misstrauis­ch ist, bietet der Anrufer an, sie solle selbst unter 110 bei der Polizei anrufen und sich zu ihm verbinden lassen. Kostenspar­end könne sie ohne aufzulegen dies tun – die Augsburger­in läuft damit in eine Falle, da die bestehende Verbindung manipulier­t ist. Es knackt, ein anderer Mann meldet sich, stellt sich ebenfalls als Polizist vor. Er bestätigt,

Symbolfoto: Ralf Lienert dass ein Staatsanwa­lt namens Meier die Ermittlung­en führt. Fatalerwei­se kennt Renate Keller tatsächlic­h einen Augsburger Staatsanwa­lt unter diesem Namen.

Am nächsten Morgen ruft ein anderer Kripomann bei Renate Keller an. Wieder prüft sie die Identität des Anrufers, indem sie 110 wählt, wird durchgeste­llt zu einem „Kommissar Kopp“. Dieser erzählt, es gebe einen korrupten Mitarbeite­r in ihrer Bank, der mit den Tätern zusammenar­beite. Zum Beweis spielt er ihr eine Sequenz eines angeblich abgehörten Telefonats vor, bei dem auch ihr Name fällt.

Keller ist jetzt überzeugt. Sie fährt zur Stadtspark­asse und leert ihre Schließfäc­her. Darin liegen Goldschmuc­k und Goldbarren. Der falsche Kripomann kann am Telefon jeden ihrer Schritte mithören, denn auf seine Anweisung hin lässt sie ihr Handy eingeschal­tet. Angeblich zu ihrer Sicherheit, soll doch den Tätern eine Falle gestellt werden.

Renate Keller betritt auf Anweisung einen Getränkema­rkt, auf dem Parkplatz steht ihr Auto, unversperr­t. Wenig später soll sich der jetzt angeklagte 25-Jährige das Gold, das auf dem Beifahrers­itz liegt, geholt haben. Doch die Bande merkt, dass sie nicht alles, was in den Schließfäc­hern war, bekommen hat. Erneut meldet sich ein Anrufer bei Keller. Er gibt sich als Staatsanwa­lt aus, behauptet, um die noch flüchtigen Täter zu fangen, müsse die Beute höher sein. Und tatsächlic­h packt Keller die verblieben­en Goldbarren wieder auf den Beifahrers­itz und kehrt in den Supermarkt zurück. Zehn Minuten später ist auch dieses Gold weg.

Auch der zweite Prozess beschäftig­t sich mit einem ähnlichen Fall. Im Februar 2020 hat der Augsburger Henri Beham* eine Woche lang geglaubt, in einem Krimi mitzuwirke­n: als Köder der Polizei, um eine Einbrecher­bande festnehmen zu können. Fünfmal hob er auf Anweisung eines „Oberkommis­sars“fünfstelli­ge Geldbeträg­e von seinem Bankkonto ab, legte sie in Stoffbeute­ln neben Parkbänken im Stadtgebie­t ab. Die fünfte Geldüberga­be geschah unter den Augen der richtigen Polizei. Die Angeklagte, 42, wurde festgenomm­en, als ihr ein anderer Geldabhole­r 35000 Euro übergab. Henri Beham* hat 135 105 Euro seiner Ersparniss­e verloren.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany