Augsburger Allgemeine (Land West)
Falsche Polizisten bringen Opfer um Geld und Gold
Justiz Vor dem Augsburger Landgericht starten jetzt zwei Prozesse, die sich mit solchen Betrugsmaschen beschäftigen
Wenn zuhause das Telefon klingelt, der Anrufer behauptet, von der Polizei zu sein, sollte man misstrauisch werden, sofern von Geld die Rede ist. Denn oft sitzen am anderen Ende der Leitung keine Ermittler, sondern Betrüger, die ihre Opfer um viel Bargeld erleichtern. 2018 hat es allein in Bayern mehr als 14 000 Anrufe durch falsche Polizisten gegeben. Mehr als zehn Millionen Euro haben ihnen die Angerufenen anvertraut – und verloren.
Vor dem Augsburger Landgericht beginnen am Dienstag gleich zwei Prozesse, die Einblicke in diese raffiniert aufgezogene Betrugsmasche geben können. Den Angeklagten, 25 und 42 Jahre alt, werden zehn Betrugstaten zur Last gelegt, die zwischen Oktober 2019 und März dieses Jahres verübt wurden. Dabei sollen Geschädigte ihnen fast eine halbe Million Euro ausgehändigt haben. In der Hierarchie der Bande sind Geldabholer das kleinste Glied, tragen aber das größte Risiko, erwischt zu werden. Nach Erkenntnissen der Augsburger Kripo sitzen ihre Auftraggeber in der Türkei.
Die Tätergruppierung kennt keinerlei Skrupel, wie der Fall einer Augsburgerin zeigt. Eines Abends im Oktober meldet sich auf dem Festnetzanschluss von Renate Keller* ein Jürgen Schneider vom Kriminaldauerdienst
K4 in der Frölichstraße.
Sie erfährt, dass bei sechs festgenommenen Rumänen ein Zettel
mit ihrem Namen und ihrer Adresse gefunden wurde. Da andere Täter noch auf der Flucht seien, will der Anrufer wissen, ob sie tatsächlich viel Geld oder Gold zuhause habe, wie beschlagnahmte Aufzeichnungen vermuten lassen. Weil die promovierte Geschäftsfrau misstrauisch ist, bietet der Anrufer an, sie solle selbst unter 110 bei der Polizei anrufen und sich zu ihm verbinden lassen. Kostensparend könne sie ohne aufzulegen dies tun – die Augsburgerin läuft damit in eine Falle, da die bestehende Verbindung manipuliert ist. Es knackt, ein anderer Mann meldet sich, stellt sich ebenfalls als Polizist vor. Er bestätigt,
Symbolfoto: Ralf Lienert dass ein Staatsanwalt namens Meier die Ermittlungen führt. Fatalerweise kennt Renate Keller tatsächlich einen Augsburger Staatsanwalt unter diesem Namen.
Am nächsten Morgen ruft ein anderer Kripomann bei Renate Keller an. Wieder prüft sie die Identität des Anrufers, indem sie 110 wählt, wird durchgestellt zu einem „Kommissar Kopp“. Dieser erzählt, es gebe einen korrupten Mitarbeiter in ihrer Bank, der mit den Tätern zusammenarbeite. Zum Beweis spielt er ihr eine Sequenz eines angeblich abgehörten Telefonats vor, bei dem auch ihr Name fällt.
Keller ist jetzt überzeugt. Sie fährt zur Stadtsparkasse und leert ihre Schließfächer. Darin liegen Goldschmuck und Goldbarren. Der falsche Kripomann kann am Telefon jeden ihrer Schritte mithören, denn auf seine Anweisung hin lässt sie ihr Handy eingeschaltet. Angeblich zu ihrer Sicherheit, soll doch den Tätern eine Falle gestellt werden.
Renate Keller betritt auf Anweisung einen Getränkemarkt, auf dem Parkplatz steht ihr Auto, unversperrt. Wenig später soll sich der jetzt angeklagte 25-Jährige das Gold, das auf dem Beifahrersitz liegt, geholt haben. Doch die Bande merkt, dass sie nicht alles, was in den Schließfächern war, bekommen hat. Erneut meldet sich ein Anrufer bei Keller. Er gibt sich als Staatsanwalt aus, behauptet, um die noch flüchtigen Täter zu fangen, müsse die Beute höher sein. Und tatsächlich packt Keller die verbliebenen Goldbarren wieder auf den Beifahrersitz und kehrt in den Supermarkt zurück. Zehn Minuten später ist auch dieses Gold weg.
Auch der zweite Prozess beschäftigt sich mit einem ähnlichen Fall. Im Februar 2020 hat der Augsburger Henri Beham* eine Woche lang geglaubt, in einem Krimi mitzuwirken: als Köder der Polizei, um eine Einbrecherbande festnehmen zu können. Fünfmal hob er auf Anweisung eines „Oberkommissars“fünfstellige Geldbeträge von seinem Bankkonto ab, legte sie in Stoffbeuteln neben Parkbänken im Stadtgebiet ab. Die fünfte Geldübergabe geschah unter den Augen der richtigen Polizei. Die Angeklagte, 42, wurde festgenommen, als ihr ein anderer Geldabholer 35000 Euro übergab. Henri Beham* hat 135 105 Euro seiner Ersparnisse verloren.