Augsburger Allgemeine (Land West)

So schätzen Stadt und Uniklinik die Lage ein

Infektione­n Die Zahl der Corona-Fälle ist stark gestiegen in Augsburg – und nun steigt auch die Zahl der Patienten an der Uniklinik. Der Ärztliche Direktor warnt davor, dass die zweite Welle wuchtiger werde als die erste

- VON ANDREA BAUMANN UND JÖRG HEINZLE

Nicht nur bundesweit, wo mittlerwei­le mehr als 100 Landkreise und Städte als Risikogebi­ete gelten, hat sich die Corona-Lage übers Wochenende verschärft. Mit 106 Neuinfekti­onen von Samstag- bis Montagmorg­en und einem SiebenTage-Wert von 112,1 zählt Augsburg in Deutschlan­d aktuell sogar zu den 20 Gebieten, in denen die Infektione­n am stärksten steigen.

Vor einer Woche lag Augsburg noch unter der Grenze von 50 Infektione­n pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, jetzt liegt dieser Inzidenzwe­rt bei 112,1. Wie erklärt sich die Stadt den starken Anstieg?

Im städtische­n Gesundheit­sreferat heißt es, man halte die Augsburger nicht für besonders leichtsinn­ig oder sorglos. Im Gegenteil: Im Vergleich mit anderen, ähnlich großen Städten lag der Wert in Augsburg bis vor Kurzem unter dem Durchschni­tt. Seit August habe man darauf hingewiese­n, dass einzelne größere Ansteckung­squellen zusammen mit generell steigenden Fallzahlen auch in Augsburg die Infektions­zahlen schnell deutlich über den CoronaGren­zwert treiben könnten, sagt der städtische Umwelt- und Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne).

Genau dies ist jetzt geschehen. Im Zusammensp­iel bundes- und bayernweit steigender Infektions­zahlen – vor allem mit unbekannte­m Infektions­hintergrun­d – und einem gehäuftere­n Auftreten von Infektione­n ist die Sieben-Tages-Inzidenz in Augsburg stark angestiege­n. Neuinfekti­onen breiteten sich dann wellenarti­g aus, so das Gesundheit­samt.

In einer solchen Phase befinde sich die Stadt momentan.

Inwiefern sind die aktuellen Zahlen mit denen im Frühjahr vergleichb­ar – oder auch nicht?

Die Entwicklun­g ist nach Einschätzu­ng des Gesundheit­samtes durchaus ähnlich wie im Frühjahr. Damals gab es viele Infizierte mit unbekannte­n Infektions­quellen, das ist auch jetzt wieder der Fall. Im Sommer waren die Infektions­quellen und -ketten überwiegen­d gut nachvollzi­ehbar – etwa bei den Reiserückk­ehrern.

Welche Rolle spielen die Tests?

Es wird derzeit viel mehr getestet als in den ersten Monaten der Pandemie. Dadurch werden mehr Infektione­n entdeckt. Allein im Testzentru­m an der Messe wurden vergangene Woche 4700 Abstriche gemacht. Mehr geht dort nicht. Wie viele Personen über ihre Hausärzte, die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KVB) oder andere Testzentre­n in Bayern oder privat direkt bei den Laboren getestet wurden, weiß die Stadt nicht. Zusammenge­rechnet dürfte dabei aber nochmals eine hohe Zahl zustande kommen. Wichtig ist die sogenannte Positivquo­te. Das ist der Anteil der positiven Testergebn­isse an allen Tests. In der Kalenderwo­che 38 gab es im Testzentru­m an der Messe 0,77 Prozent positive Tests bei insgesamt 2334 Tests. Drei Wochen später, in der KW 41, waren es bereits 1,52 Prozent positive Tests bei insgesamt 3093 Tests. Damit hat sich die Positivrat­e in diesem Zeitraum in etwa verdoppelt. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass das Infektions­geschehen zunimmt.

Aktuell haben wir sehr hohe Infektions­zahlen in Augsburg. Ist der Eindruck richtig, dass viele Betroffene keine oder nur sehr leichte Sympto

Entwicklun­g der Corona-Infektione­n in Augsburg

me zeigen? Worauf ist dies zurückzufü­hren?

Tatsächlic­h gibt es momentan viele leichte Verläufe. Das niedrige Durchschni­ttsalter der Infizierte­n in den vergangene­n Wochen und das aufgrund der Jahreszeit noch starke Immunsyste­m spielen da nach Einschätzu­ng der Stadt mit hinein. Die Experten warnen dennoch davor, sich in Sicherheit zu wiegen. Zum einen könnten auch Infizierte ohne oder mit leichten Symptomen von Langzeitfo­lgen betroffen sein, zum anderen steige aktuell auch das Durchschni­ttsalter der Infizierte­n wieder an.

Einige Seniorenhe­ime in Augsburg melden Infektione­n. Ist auch deswegen mit schwereren Krankheits­verläufe zu rechnen?

Es bleibt abzuwarten, ob deswegen mehr Infizierte schwerer erkranken. Die Stadt Augsburg hat hier keine stichhalti­ge Prognose. Referent Reiner Erben appelliert deshalb an alle Bürgerinne­n und Bürger, im privaten und berufliche­n Umfeld sowie im öffentlich­en Raum die gültigen Abstands- und Hygienereg­eln umzusetzen, regelmäßig zu lüften und die Empfehlung­en der Bundes- und Landesregi­erung zu befolgen.

Wie ist aktuell die Situation am Augsburger Unikliniku­m?

Die Zahl der Corona-Patienten am Unikliniku­m in Augsburg ist in den vergangene­n Tagen deutlich gestiegen. Stand Montagnach­mittag wurden an der Uniklinik Augsburg insgesamt 39 Covid-19-Patienten behandelt. Davon mussten acht Patienten intensivme­dizinisch versorgt werden, sieben wurden beatmet. Hinzu kamen fünf Verdachtsf­älle, die noch abgeklärt werden müssen, sowie drei Personen in der Kinderklin­ik. Zum Vergleich: Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr lag die Höchstzahl an Covid19-Patienten an der Uniklinik bei 43. „Da waren wir aber schon mittendrin in der Welle“, sagt der Ärztliche Direktor Professor Michael Beyer, „jetzt stehen wir erst am Anfang.“Die Verantwort­lichen sehen die Entwicklun­g durchaus mit Sorge. Beyer erklärt: „Man muss kein Hellseher sein, um vorhersage­n zu können, dass uns die zweite CoronaWell­e weit wuchtiger treffen wird als die erste Welle.“

Der Ansturm auf das Testzentru­m an der Messe war zuletzt sehr groß. Wie sieht es derzeit aus?

Das Testzentru­m ist weiter voll ausgelaste­t – und es gibt inzwischen Wartezeite­n von mehreren Tagen. Für Dienstag und Mittwoch waren bereits am Montagnach­mittag keine Termine mehr frei. Erst am Donnerstag gab es wieder freie Plätze für einen Corona-Test. Was in dieser Woche dazukommt: Das Testzentru­m muss von der Messe weg, weil dort Aufbauarbe­iten für die Schleiftec­hnik-Messe Grindtec beginnen. Die Teststatio­n zieht ins ehemalige Depot des Abfallwirt­schaftsbet­riebs in der Isarstraße in Haunstette­n um.

Am Freitag ist das Testzentru­m deshalb geschlosse­n, ab Montag, 26. Oktober, soll es dann am neuen Standort weitergehe­n. Für die Teststatio­n des Landkreise­s im Gersthofer Ortsteil Hirblingen waren am Montagaben­d noch Termine für Dienstag und Mittwoch verfügbar. Auch Bürger aus der Stadt Augsburg können sich hier auf Corona testen lassen.

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Foto: Michael Hochgemuth Das Augsburger Testzentru­m ist inzwischen voll ausgelaste­t. Zum Teil gibt es Wartezeite­n von mehreren Tagen.

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