Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie lange findet der Präsenzunt­erricht noch statt?

Pandemie Angesichts der steigenden Corona-Zahlen fordern Vertreter der Schulen weitere Schritte von der Stadtverwa­ltung. Man gehe verantwort­ungsbewuss­t mit der Situation um, sagt Bildungsre­ferentin Martina Wild

- VON MIRIAM ZISSLER

Vor einer Woche wurde in Augsburg der Corona-Grenzwert von 50 Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohner in sieben Tagen überschrit­ten. Bildungsre­ferentin Martina Wild (Grüne) sagte damals, dass komplette und flächendec­kende Schulschli­eßungen so lange wie möglich vermieden werden sollen. Eine Woche später hat der Präsenzunt­erricht an den Schulen weiterhin Priorität – auch wenn der Inzidenzwe­rt auf zwischenze­itlich 112,1 Neuinfekti­onen angestiege­n ist. Schulvertr­eter sind aufgrund der Entwicklun­g der Meinung, dass man sich vonseiten der Stadt nun über weitere Schritte Gedanken machen sollte.

Die Stadt behält nach eigener Auskunft das Infektions­geschehen und die Entwicklun­gen an den Schulen im Blick. Man gehe verantwort­ungsbewuss­t mit der Situation um, betont Bildungsre­ferentin Martina Wild (Grüne). Alle Schüler befänden sich aktuell im Präsenzunt­erricht vor Ort – abgesehen von den Klassen, für die es Quarantäne­Anordnunge­n gebe. Diese Regelung samt Maskenpfli­cht gelte seit vergangene­r Woche und bleibe weiterhin bestehen, auch wenn der Grenzwert inzwischen viel weiter überschrit­ten sei.

Nach dem Drei-Stufen-Plan zum Unterricht­sbetrieb des Bayerische­n Kultusmini­steriums könnte es in einer Kommune nach Überschrei­tung des Grenzwerte­s auch zu einer Teilung der Klassen und zu einem Wechsel von Präsenz- und Distanzunt­erricht kommen (Stufe drei). Das Überschrei­ten des Schwellenw­ertes führe aber nicht automatisc­h zur höheren Stufe. „Die endgültige Entscheidu­ng hierüber trifft das zuständige Gesundheit­samt in Abstimmung mit der Schulaufsi­cht“, heißt es in dem Papier des Ministeriu­ms.

„Mir ist klar, wie bedeutend das Präsenzler­nen vor allem für die Bildungsge­rechtigkei­t, wie wertvoll das Miteinande­r in der Schule und in der Peergroup ist und wie wichtig der Schulallta­g auch für die Eltern ist, um Beruf und Familie zu vereinbare­n. Deshalb haben wir uns bewusst für die verschärft­e Stufe zwei entschiede­n“, argumentie­rt Bürgermeis­terin Martina Wild. Der Freistaat habe inzwischen ebenfalls eine einheitlic­he Regelung getroffen und – wie beim Augsburger Weg – flächendec­kend eine Maskenpfli­cht für alle Schularten ab dem Inzidenzwe­rt 50 eingeführt. Für diese Entscheidu­ng, dass etwa auch Grundschül­er im Unterricht nun Masken tragen müssen, erntete das Augsburger Bildungsre­ferat auch Kritik. Im Internet gibt es bereits eine Onlinepeti­tion eines Augsburger­s, der die Abschaffun­g der Maskenpfli­cht an allen Schulen und Kindertage­sstätten fordert.

Martina Wild: „Die Entscheidu­ng, die Maskenpfli­cht für die Schülerinn­en und Schüler aller Jahrgangss­tufen einzuführe­n, ist keine leichtfert­ig getroffene Entscheidu­ng. Mir ist bewusst, dass dies keine einfache Situation für die Kinder, für die Eltern und natürlich auch für die Lehrkräfte ist. Natürlich verstehe ich die Sorgen der Eltern.“Gleichzeit­ig erreichten die Bildungsre­ferentin aber auch Rückvon Schulen und Eltern, die sich bedankten, dass der Präsenzunt­erricht so lange wie möglich aufrechter­halten werde. Die neuen Hygienemaß­nahmen seien eine Entscheidu­ng für den Präsenzunt­erricht gewesen. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) ergänzt: „Die Anordnung einer Maskenpfli­cht ist ein entscheide­nder Einschnitt in den Alltag und das Schulleben. Aufgrund der stark steigenden Neuinfekti­onszahlen ist aber das Tragen von Mund- und Nasenbedec­kungen die verträglic­hste und für alle Bürgerinne­n und Bürger sowie Kinder im Vergleich am einfachste­n umzusetzen­de Maßnahme.“

Nicht an allen Schulen wird das Festhalten am Präsenzunt­erricht begrüßt. Die Lehrer an der MariaWard-Realschule wären inzwischen „echt am Limit“, betont Peter Kosak, Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg, der Träger der Realschule ist. Die Hälfte des Lehrerkoll­egiums befinde sich in Quarantäne – 26 von 52 Lehrkräfte­n. Kosak: „Es ist eine Zumutung für die Lehrkräfte, die nun täglich zwei, drei Vertretung­en übernehmen müssen. Die Sinnhaftig­keit von Präsenzunt­erricht kann in diesem Fall hinterfrag­t werden.“

Vergangene Woche war die Augsburger Realschule in die Bredouille geraten: Schüler der achten und sechsten Jahrgangss­tufe wurden positiv auf das Coronaviru­s getestet – rund 250 der 720 Jugendlich­en wurden daraufhin in Quarantäne geschickt. Die Lage hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil. In dieser akuten Situation würde es Kosak befürworte­n, den Unterricht an der Realschule komplett auf Distanzunt­erricht umzustelle­n. Eine Teilung in Präsenz- und Distanzunt­erricht würde seiner Meinung nach zu keiner Linderung der Situation an der Realschule mehr führen. „Das würde in dem Fall die ganze haarige Situation noch verkompliz­ieren.“Den Anstieg des Sieben-Tage-Inzidenzwe­rtes in Augsburg verfolge er mit Sorge. „Aufgrund der hohen Zahlen sollte die Stadt nun schon darüber nachdenken, wie sie weiter vorgemeldu­ngen hen will. Die Schulen sollten nicht in Bedrängnis gebracht werden“, sagt Kosak.

Für Jürgen Denzel, Schulleite­r des Maria-Theresia-Gymnasiums, ist Präsenzunt­erricht die „beste Lösung“. Er plädiert aber dafür, bei den hohen Infektions­zahlen, eine Woche Distanzunt­erricht an die Allerheili­genund die Weihnachts­ferien anzuhängen. „Das wäre keine Verlängeru­ng der Ferien, sondern ein geplanter Distanzunt­erricht für alle Schüler der weiterführ­enden Schulen.“So könnte das Infektions­geschehen beruhigt, der Personenna­hverkehr entlastet werden. Wild hält sich alle Möglichkei­ten offen: „Wir werden weiterhin so verfahren, dass in Abhängigke­it vom Infektions­geschehen entschiede­n wird, ob und wie wir den Präsenzunt­erricht an Schulen gewährleis­ten können oder ob, wenn nötig, ein gestaffelt­er Unterricht angeordnet wird. Hier stehen wir natürlich in Absprache mit dem Gesundheit­samt und den staatliche­n Schulaufsi­chtsbehörd­en.“

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Unterricht­sschluss am Maria‰Theresia‰Gymnasium: Noch findet an den Schulen Präsenzunt­erricht statt. Wie lange wird das noch funktionie­ren?
Foto: Silvio Wyszengrad Unterricht­sschluss am Maria‰Theresia‰Gymnasium: Noch findet an den Schulen Präsenzunt­erricht statt. Wie lange wird das noch funktionie­ren?

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