Augsburger Allgemeine (Land West)

Interview mit Landrat Sailer

Krisenmana­gement Wie gut informiert das Landratsam­t Augsburg seine Bürger über die Auswirkung­en der Pandemie? Landrat Martin Sailer nimmt im Interview Stellung

- VON CHRISTOPH FREY

Wie gut informiert das Landratsam­t Augsburg seine Bürger über die Auswirkung­en der Corona-Pandemie? Landrat Martin Sailer nimmt im Interview Stellung.

Landkreis Genauso sprunghaft wie die Infektions­zahlen steigt das Interesse am Thema Corona wieder. Seit Anfang Oktober wurden die Infoseiten des Landkreise­s 57.000 mal aufgerufen. Doch wie gut werden die Menschen dort auf dem Laufenden gehalten? Wie schnell erfahren Sie die wirklich wichtigen Informatio­nen? Das Online-Angebot des Landkreise­s unterschei­det sich deutlich von dem der Stadt Augsburg. Dieses bietet zum Beispiel mehr Informatio­nen über das Infektions­geschehen, ist in mehreren Sprachen verfasst und auch in Leichter Sprache. Auch der Nachbarlan­dkreis Aichach-Friedberg hat ein Angebot in Leichter Sprache. Wir befragten den Augsburger Landrat Martin Sailer über die Gründe für die Unterschie­de und die aktuelle Corona-Entwicklun­g im Augsburger Land.

Die Aufbereitu­ng der Corona-Zahlen ist im Landkreis im Vergleich zur Stadt Augsburg sehr unterschie­dlich. Woran liegt das?

Sailer: „Wir orientiere­n uns nicht an der Vorgehensw­eise der Stadt Augsburg, sondern den eigenen Überlegung­en. Wir kennen das Informatio­nsangebot der Stadt Augsburg und haben zu Beginn der Pandemie geprüft, welche Informatio­nsdichte für die Bevölkerun­g des Landkreise­s aufschluss­reich und aussagekrä­ftig ist. An dieser Vorgehensw­eise halten wir fest.“

Hält das Landratsam­t seine Art der Präsentati­on für besser oder ist eine Angleichun­g der Darstellun­g an die der Stadt Augsburg denkbar, die neben Grafiken auch noch mehr Details bietet?

Sailer: „Das entscheide­nde Kriterium, ob eine Informatio­n bereitgest­ellt und täglich aktualisie­rt werden muss, ist, ob die Informatio­n für die Bürgerinne­n und Bürger relevant ist und einen belastbare­n Rückschlus­s auf die Ist-Situation zulässt. Eine

Einschätzu­ng der Lage auf Grundlage bloßer Zahlen und Statistike­n ist nicht möglich und unter Umständen sogar riskant. Zahlenanga­ben müssen stets in einem erläuternd­en Kontext präsentier­t werden, um das Risiko falscher Rückschlüs­se zu vermeiden. Aufgrund der Abwägung von Aufwand und Nutzen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass der Aufwand für ein täglich aktualisie­rtes, detaillier­tes Zahlendoss­ier in keinem Verhältnis zu seinem tatsächlic­hen Nutzen für die Öffentlich­keit stünde.“

Warum gibt es beim Landratsam­t am Samstag keine Zahlen, bei der Stadt aber schon?

Sailer: „Sämtliche Zahlen im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie dienen der Orientieru­ng und Veranschau­lichung, in welche Richtung sich die Lage bewegt. Die zahlenmäßi­ge Entwicklun­g allein löst keine Maßnahmen aus, sondern die zuständige Behörde unter Berufung auf diese Zahlen. Daher ist es im Verlauf des Wochenende­s unerheblic­h, welche Statistike­n verzeichne­t werden, da die Änderungen von Rerealisti­sche gelungen und Vorgaben nicht an Automatism­en sondern an bewusste Entscheidu­ngen geknüpft sind.“

Wie sinnvoll ist es, bei einem derart großen Landkreis wie dem Augsburger einen Inzidenzwe­rt anzugeben, der dann für Nordendorf genauso gilt wie für Zusmarshau­sen oder Königsbrun­n? Sailer: „Gemessen daran, wie vielfältig die unterschie­dlichen Maßnahmen je nach aktuellen Inzidenzwe­rten bereits sind, wäre es wenig zielführen­d, den Landkreis als Gebietskör­perschaft noch feingliedr­iger zu unterteile­n. Eine solche Auftrennun­g der Inzidenzwe­rte nach kreisangeh­örigen Kommunen oder Landkreisr­egionen Nord/Süd ist auch in den verbindlic­hen Vorgaben des Freistaats in keiner Weise vorgesehen. In der Praxis würden sich zahlreiche neue Detailfrag­en ergeben, was nun beispielsw­eise für Bürger gelte, die in einer Kommune leben und in einer anderen, mit höherem Inzidenzwe­rt, zur Arbeit gehen oder eine Veranstalt­ung ausrichten oder besuchen wollen.“

Sailer: „Das ist eine Angabe, die ein hohes Potenzial missverstä­ndlicher Lesarten birgt. Das Infektions­risiko für die Bevölkerun­g einer Kommune mit höheren Fallzahlen ist nicht zwangsläuf­ig höher als in einer Kommune mit augenblick­lich niedrigen Fallzahlen, was aber durchaus auf diese Art interpreti­ert werden könnte. Wenn eine Ansteckung nachgewies­en ist, wird bekannterm­aßen häusliche Quarantäne verordnet. Von diesen Personen geht für die Allgemeinh­eit kein Ansteckung­srisiko mehr aus. Wie hoch das Risiko in den Landkreisk­ommunen für die Öffentlich­keit ist, lässt sich mit keiner Zahlenanga­be verlässlic­h beziffern – hier stoßen blanke Zahlen schlicht an die Grenzen ihrer Aussagekra­ft. Wir empfehlen, sich unabhängig von Zahlenanga­ben stets umsichtig, verantwort­ungsbewuss­t und vorausscha­uend in dieser Pandemie zu verhalten.“

Abschließe­nde Frage: Gibt es bald auch im Landkreis Orte, an denen wir unter freiem Himmel Maske tragen müssen?

Sailer: Sofern die Kommunen den Bedarf vor Ort sehen sollten, melden sie dies an das Landratsam­t. Das Gesundheit­samt stellt daraufhin die Anordnung aus.

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Es gibt Landkreise, die die CoronaZahl­en für einzelne Städte und Gemeinden ausweisen. Warum kann man das nicht für den Landkreis Augsburg machen?
Foto: Marcus Merk (Archiv) Wie schnell erfahren die Landkreisb­ürger die wirklich wichtigen Informatio­nen? Wir befragten den Augsburger Landrat Martin Sailer über die Gründe für die Unterschie­de und die aktuelle Corona‰Entwicklun­g im Augsburger Land. Es gibt Landkreise, die die CoronaZahl­en für einzelne Städte und Gemeinden ausweisen. Warum kann man das nicht für den Landkreis Augsburg machen?

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