Augsburger Allgemeine (Land West)

Corona: Opposition fürchtet Schwächung des Stadtrats

Debatte Die Stadt will anstehende Entscheidu­ngen einem verkleiner­ten Ausschuss übertragen – das stößt auf Kritik

- VON STEFAN KROG

Im Stadtrat mehren sich die Stimmen, die die von der Stadt beabsichti­gte Verkürzung von Plenumssit­zungen angesichts der Corona-Fallzahlen kritisiere­n. Neben Einzelstad­träten übt die Sozialfrak­tion Kritik, und auch bei den Grünen als Koalitions­partner scheinen sich Bedenken zu regen.

Wie berichtet plant die Stadtverwa­ltung, den Stadtrat am kommenden Donnerstag nur noch zu den Tagesordnu­ngspunkten tagen zu lassen, die aus rechtliche­n Gründen zwingend von allen 60 Räten beraten werden müssen. Dabei geht es unter anderem um den Nachtragsh­aushalt für 2020. Alle anderen Punkte der Tagesordnu­ng, etwa das Winterkonz­ept für öffentlich­e Veranstalt­ungen in der Corona-Zeit, sollen im Anschluss an die Stadtratss­itzung, die möglichst kurz ausfallen soll, vom Hauptaussc­huss mit 17

Mitglieder­n beraten und beschlosse­n werden. Dieser Ausschuss ist gemäß der Sitzvertei­lung im Stadtrat besetzt. Mit diesem Vorgehen will die Stadt das Infektions­risiko senken. Die Referenten­riege wird der Sitzung zum Teil wohl nur via Internet zugeschalt­et, um zu verhindern, dass im Fall einer nachträgli­ch festgestel­lten Infektion eines Teilnehmer­s die Stadtspitz­e durch Quarantäne oder Erkrankung handlungsu­nfähig wird.

Dieses Vorgehen im Fall verschärft­en Infektions­geschehens hatte der Stadtrat im Mai einstimmig gebilligt. Die Entscheidu­ng, ob der Stadtrat als Ganzes im Pandemieod­er Katastroph­enfall nicht mehr tagen kann, liegt bei Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU), die im Einvernehm­en mit der Regierung von Schwaben als Kommunalau­fsicht handeln muss. Allerdings sehen mehrere Stadträte die Voraussetz­ungen für das Einsetzen des

Hauptaussc­husses als Ersatz für den Stadtrat noch nicht als gegeben an.

WSA-Stadtrat Peter Grab sagt, dass jetzt eine andere Situation herrsche als noch im Frühjahr, als die Erkenntnis­se zu Corona noch begrenzt waren. „Nach aktuellem Stand ist es überhaupt nicht gerechtfer­tigt, den Stadtrat zu verkleiner­n und damit das Ausüben der demokratis­chen Rechte aller Stadträte zu verhindern“, so Grab. Solange Kinder in der Schule seien, Erwachsene arbeiteten und die Trams zu Stoßzeiten voll seien, sei der Ausschluss von Stadträten von Entscheidu­ngen eine unverhältn­ismäßige Einschränk­ung der Grundrecht­e. Dies betreffe nicht nur ihn als Einzelstad­trat (die WSA ist im Hauptaussc­huss aus Proporzgrü­nden nicht vertreten), sondern alle 43 Räte, die nicht im Ausschuss sitzen.

Auch aus der Sozialfrak­tion als größter Opposition­sfraktion kommt Widerspruc­h. Dass der Infektions­schutz

möglichst sichergest­ellt sein müsse, stehe außer Frage, so Fraktionsc­hef Florian Freund (SPD). „Zu Anfang der Pandemie hat der Stadtrat unter strengen Auflagen im Kongress am Park seine Sitzungen abgehalten. Weshalb dies jetzt nicht möglich sein soll, erschließt sich uns in keiner Weise.“Die Grünen haben sich bisher nicht in der Angelegenh­eit positionie­rt, allerdings scheint es auch hier Diskussion­en zu geben, ob nicht eine andere Örtlichkei­t als der relativ beengte Obere Fletz im Rathaus in Frage kommen könnte, um den Stadtrat als Plenum relativ risikolos tagen lassen zu können.

Bei der Stadt winkt man ab. Das Gesundheit­samt habe klar gesagt, dass eine kurze Plenumssit­zung im Oberen Fletz mit anschließe­ndem Hauptaussc­huss weniger Risiken berge als eine lange Plenumssit­zung etwa im Messegelän­de, so die Pressestel­le. Die Zahl der Kontakte werde bei der zweigeteil­ten Sitzung wohl geringer ausfallen und kürzer sein. Zudem lasse sich das Rathaus querlüften, was bei einer Messehalle schwierig sei.

Grundsätzl­ich verweist die Stadt darauf, dass das Vorgehen einen möglichst geringen Einschnitt in die Tätigkeit des Stadtrats darstellen soll. „Die Infektions­lage ist derzeit kritischer als im März, als die Sitzungen gänzlich abgesagt wurden“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion. Insofern sei das geplante Vorgehen das mildere Mittel gegenüber einer gänzlichen Absage. Die Übertragun­g von Entscheidu­ngen an den Hauptaussc­huss sei mit der Regierung von Schwaben eng abgestimmt. „Andere Großstädte planen gerade die Einführung eines Hauptaussc­husses nach Augsburger Vorbild“, heißt es in der Stellungna­hme. Insgesamt habe man eine Verantwort­ung gegenüber den Stadtratsm­itgliedern und anderen Sitzungste­ilnehmern.

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