Augsburger Allgemeine (Land West)
Gesundheitsamt geht von steigenden Zahlen aus
Pandemie Oberbürgermeisterin Weber bezeichnet die Lage als „sehr ernst“. Ob es in Augsburg einen zweiten Lockdown geben könnte, sagt sie nicht. Die Schulen bereiten die Eltern derweil auf mögliches Homeschooling vor
Das Gesundheitsamt der Stadt geht auch für die kommenden Tage von steigenden Fallzahlen bei CoronaNeuinfektionen aus. Am Wochenende könnte der Inzidenzwert (Neuinfektionen pro 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) die 200er-Marke erreichen, sagte Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) am Donnerstag. Dann wäre das Gesundheitsamt wohl nicht mehr in der Lage, alle Kontakte einzelner Infektionsfälle nachzuverfolgen.
Die Zahl der Neuinfektionen steigt in Augsburg seit Tagen, am Donnerstag kamen 77 neue hinzu, der Inzidenzwert liegt damit bei 151,3. Steigt er weiter, müsste das Gesundheitsamt sich bei der Nachverfolgung auf sogenannte Cluster (also Ballungen von Infektionsfällen) konzentrieren, obwohl das Personal im Gesundheitsamt zuletzt aufgestockt wurde und auch auf Unterstützung von der Polizei gesetzt wird. Die Konzentration auf Cluster entspreche aber den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts, so Erben.
Offen ist, ob und wann Augsburg einen Inzidenzwert von 250 erreichen könnte – dies war die Größenordnung, bei der im Berchtesgadener Land am Dienstag ein Lockdown verhängt wurde. Augsburg liegt nach Berchtesgaden in Bayern aktuell an zweiter Stelle beim Inzidenzwert. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) wiederholte am Donnerstag ihre Aussage, dass die Lage „sehr ernst“sei. Auf Nachfrage sagte sie, dass es momentan keinen festgesetzten Grenzwert für einen Lockdown gebe. „Man muss jetzt die aktuelle Situation und die Entwicklung genau beobachten. Das tun wir, auch in Abstimmung mit den übergeordneten Behörden“, so Weber.
Der letzte Satz ist ein deutlicher Verweis darauf, dass der Freistaat in der Frage von lokalen Lockdowns mitbestimmt. Nach welchen genauen Kriterien der Freistaat ein Ziehen der Notbremse befürwortet, ist offen. Neben den Inzidenzwert komme es unter anderem auf die Frage wie gut das Infektionsgeschehen eingegrenzt werden könne, hießt es zuletzt von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). In Augsburg gilt das Infektionsgeschehen als diffus und schon längst nicht mehr auf bestimmte Personengruppen begrenzt.
Laut Erben werde man abwarten, ob die vergangene Woche getroffenen Einschränkungen wie die Obergrenzen bei Treffen und die Maskenpflicht in der Innenstadt wirken. Unabhängig davon sei zu prüfen, welche Folgen die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigte Phase „Dunkelrot“haben werde. Unter anderem ist noch nicht geklärt, ob die Messe Grindtec stattfinden kann. Auch eine Sperrstunde ab 21 Uhr ist ab einem Inzidenzwert von 100 angekündigt. Das ist eine Stunde früher als jetzt.
Was die Schulen betrifft, soll es beim Präsenzunterricht bleiben. Dessen Sicherstellung habe „weiterhin höchste Priorität“, so Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Grüne). Dies sei für Bildungsgerechtigkeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf essentiell. „Kinder und Jugendliche brauchen einen strukturierten Schulalltag an Orten, an denen Hygienekonzepte gut umgesetzt werden. Dies gilt im Besonderen für Kinder aus sozial benachteiligten Milieus. Zudem haben berufstätige Eltern kaum noch Urlaub, um die Betreuung der Kinder zu gewährleisten“, so Wild.
Seit einigen Tagen bereiten Schulleiter Augsburger Schulen die Eltern in Briefen vorsorglich darauf vor, dass es auch wieder zum Homeschooling kommen könnte. Teils werden bereits konkrete Szenarien mit einer Teilung der Klasse und täglichem Wechsel zwischen Präsenzund Heimunterricht aufgezeigt. De Schulen wurden auch schon abgefragt, ob ein wöchentlicher oder täglicher Wechsel sinnan, voller wäre. Überwiegend werde wohl ein täglicher Wechsel bevorzugt, um die Schüler enger ans Unterrichtsgeschehen zu binden. Zwischen Bildungsreferat, Gesundheitsamt und staatlicher Schulaufsicht gibt es Gespräche, um vorbereitet zu sein, falls Fallzahlen weiter steigen und weitere Maßnahmen getroffen werden müssten.
Um den Präsenzunterricht aufrechterhalten zu können, wird in Augsburg auch an Grundschulen weiterhin Maskenpflicht im Unterricht gelten. Die Stadt war diesen Weg gegangen, der Freistaat machte daraus eine landesweite Regelung. München und einige Landkreise setzen sich aber darüber hinweg. In Augsburg hält man dies für nicht vertretbar. Diese Auffassung sei durch ein Schreiben aus dem Kultusministerium am Donnerstag bestätigt worden, so die Stadt.
Das Tragen der Maske sei neben dem Lüften der Klassenräume und
Händewaschen das wirksamste Mittel, um Infektionen in Kitas und Schulen zu vermeiden und eine vergleichsweise geringe Einschränkung, so das Bildungsreferat. Zuletzt hatten Corona-Fälle an Schulen und damit verbundene QuarantäneMaßnahmen den Schulbetrieb an manchen Einrichtungen stark eingeschränkt. Schulamtsleiter Markus Wörle sagt: „Alle Schülerinnen und Schüler, denen ich in den letzten Wochen auf Schulbesuchen begegnet bin, gehen ausgesprochen gerne wieder zur Schule und in den Unterricht. Dazu besteht eine sehr hohe Akzeptanz der Hygieneregeln und des Maske-Tragens.“
Vom Kinderschutzbund wie auch von Teilen der Elternschaft kommt Kritik: Der Mundschutz bleibe „eine Belastung im Rahmen ihrer kindlichen Entfaltung“und die Maßnahmen in der Schule zum Abstandhalten seien „befremdlich“, heißt es in einem offenen Brief.