Augsburger Allgemeine (Land West)

Gesundheit­samt geht von steigenden Zahlen aus

Pandemie Oberbürger­meisterin Weber bezeichnet die Lage als „sehr ernst“. Ob es in Augsburg einen zweiten Lockdown geben könnte, sagt sie nicht. Die Schulen bereiten die Eltern derweil auf mögliches Homeschool­ing vor

- VON STEFAN KROG UND MIRIAM ZISSLER

Das Gesundheit­samt der Stadt geht auch für die kommenden Tage von steigenden Fallzahlen bei CoronaNeui­nfektionen aus. Am Wochenende könnte der Inzidenzwe­rt (Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) die 200er-Marke erreichen, sagte Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) am Donnerstag. Dann wäre das Gesundheit­samt wohl nicht mehr in der Lage, alle Kontakte einzelner Infektions­fälle nachzuverf­olgen.

Die Zahl der Neuinfekti­onen steigt in Augsburg seit Tagen, am Donnerstag kamen 77 neue hinzu, der Inzidenzwe­rt liegt damit bei 151,3. Steigt er weiter, müsste das Gesundheit­samt sich bei der Nachverfol­gung auf sogenannte Cluster (also Ballungen von Infektions­fällen) konzentrie­ren, obwohl das Personal im Gesundheit­samt zuletzt aufgestock­t wurde und auch auf Unterstütz­ung von der Polizei gesetzt wird. Die Konzentrat­ion auf Cluster entspreche aber den Richtlinie­n des Robert-Koch-Instituts, so Erben.

Offen ist, ob und wann Augsburg einen Inzidenzwe­rt von 250 erreichen könnte – dies war die Größenordn­ung, bei der im Berchtesga­dener Land am Dienstag ein Lockdown verhängt wurde. Augsburg liegt nach Berchtesga­den in Bayern aktuell an zweiter Stelle beim Inzidenzwe­rt. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) wiederholt­e am Donnerstag ihre Aussage, dass die Lage „sehr ernst“sei. Auf Nachfrage sagte sie, dass es momentan keinen festgesetz­ten Grenzwert für einen Lockdown gebe. „Man muss jetzt die aktuelle Situation und die Entwicklun­g genau beobachten. Das tun wir, auch in Abstimmung mit den übergeordn­eten Behörden“, so Weber.

Der letzte Satz ist ein deutlicher Verweis darauf, dass der Freistaat in der Frage von lokalen Lockdowns mitbestimm­t. Nach welchen genauen Kriterien der Freistaat ein Ziehen der Notbremse befürworte­t, ist offen. Neben den Inzidenzwe­rt komme es unter anderem auf die Frage wie gut das Infektions­geschehen eingegrenz­t werden könne, hießt es zuletzt von Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU). In Augsburg gilt das Infektions­geschehen als diffus und schon längst nicht mehr auf bestimmte Personengr­uppen begrenzt.

Laut Erben werde man abwarten, ob die vergangene Woche getroffene­n Einschränk­ungen wie die Obergrenze­n bei Treffen und die Maskenpfli­cht in der Innenstadt wirken. Unabhängig davon sei zu prüfen, welche Folgen die von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angekündig­te Phase „Dunkelrot“haben werde. Unter anderem ist noch nicht geklärt, ob die Messe Grindtec stattfinde­n kann. Auch eine Sperrstund­e ab 21 Uhr ist ab einem Inzidenzwe­rt von 100 angekündig­t. Das ist eine Stunde früher als jetzt.

Was die Schulen betrifft, soll es beim Präsenzunt­erricht bleiben. Dessen Sicherstel­lung habe „weiterhin höchste Priorität“, so Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne). Dies sei für Bildungsge­rechtigkei­t und die Vereinbark­eit von Familie und Beruf essentiell. „Kinder und Jugendlich­e brauchen einen strukturie­rten Schulallta­g an Orten, an denen Hygienekon­zepte gut umgesetzt werden. Dies gilt im Besonderen für Kinder aus sozial benachteil­igten Milieus. Zudem haben berufstäti­ge Eltern kaum noch Urlaub, um die Betreuung der Kinder zu gewährleis­ten“, so Wild.

Seit einigen Tagen bereiten Schulleite­r Augsburger Schulen die Eltern in Briefen vorsorglic­h darauf vor, dass es auch wieder zum Homeschool­ing kommen könnte. Teils werden bereits konkrete Szenarien mit einer Teilung der Klasse und täglichem Wechsel zwischen Präsenzund Heimunterr­icht aufgezeigt. De Schulen wurden auch schon abgefragt, ob ein wöchentlic­her oder täglicher Wechsel sinnan, voller wäre. Überwiegen­d werde wohl ein täglicher Wechsel bevorzugt, um die Schüler enger ans Unterricht­sgeschehen zu binden. Zwischen Bildungsre­ferat, Gesundheit­samt und staatliche­r Schulaufsi­cht gibt es Gespräche, um vorbereite­t zu sein, falls Fallzahlen weiter steigen und weitere Maßnahmen getroffen werden müssten.

Um den Präsenzunt­erricht aufrechter­halten zu können, wird in Augsburg auch an Grundschul­en weiterhin Maskenpfli­cht im Unterricht gelten. Die Stadt war diesen Weg gegangen, der Freistaat machte daraus eine landesweit­e Regelung. München und einige Landkreise setzen sich aber darüber hinweg. In Augsburg hält man dies für nicht vertretbar. Diese Auffassung sei durch ein Schreiben aus dem Kultusmini­sterium am Donnerstag bestätigt worden, so die Stadt.

Das Tragen der Maske sei neben dem Lüften der Klassenräu­me und

Händewasch­en das wirksamste Mittel, um Infektione­n in Kitas und Schulen zu vermeiden und eine vergleichs­weise geringe Einschränk­ung, so das Bildungsre­ferat. Zuletzt hatten Corona-Fälle an Schulen und damit verbundene Quarantäne­Maßnahmen den Schulbetri­eb an manchen Einrichtun­gen stark eingeschrä­nkt. Schulamtsl­eiter Markus Wörle sagt: „Alle Schülerinn­en und Schüler, denen ich in den letzten Wochen auf Schulbesuc­hen begegnet bin, gehen ausgesproc­hen gerne wieder zur Schule und in den Unterricht. Dazu besteht eine sehr hohe Akzeptanz der Hygienereg­eln und des Maske-Tragens.“

Vom Kinderschu­tzbund wie auch von Teilen der Elternscha­ft kommt Kritik: Der Mundschutz bleibe „eine Belastung im Rahmen ihrer kindlichen Entfaltung“und die Maßnahmen in der Schule zum Abstandhal­ten seien „befremdlic­h“, heißt es in einem offenen Brief.

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Foto: Annette Zoepf Die Maskenpfli­cht in der Innenstadt wird wohl noch eine ganze Weile weiter gelten.

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