Augsburger Allgemeine (Land West)

So prahlte der Kö‰Täter im Knast

Justiz Wie aggressiv ist der Hauptangek­lagte vom Augsburger Königsplat­z? Die Kumpels sagen: gar nicht. Doch extreme Gewaltvide­os und sein Verhalten im Gefängnis zeichnen ein anderes Bild

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Augsburg Seine Freunde beschreibe­n ihn als ruhig und nett. Als jemanden, der gut zuhören kann. Aggressiv sei er nie gewesen. Doch das scheint nicht die ganze Wahrheit zu sein. Halid S., der den tödlichen Faustschla­g gegen Roland S. am Augsburger Königsplat­z führte, hatte brutalste Gewaltvide­os auf seinem Handy und fiel im Gefängnis durch aggressive­s Verhalten und eine Menge Ärger auf. Er soll sich sogar damit gebrüstet haben, schon einen Menschen totgeschla­gen zu haben.

So berichten es Verantwort­liche des Jugendknas­ts Neuburg-Herrenwört­h, wo der 17-Jährige die vergangene­n zehn Monate verbracht hat. In kurzer Zeit hat der junge Mann die stattliche Zahl von mehr als 30 pädagogisc­hen Maßnahmen und zehn Disziplina­rverfahren angesammel­t. Vier Mal wurde S. in andere Abteilunge­n verlegt, schildert der Gefängnisc­hef. Das sei ungewöhnli­ch viel. Aber es habe immer wieder „krisenhaft­e Zuspitzung­en“und „besondere Dynamiken“gegeben – und zwar sowohl gegenüber Mitgefange­nen als auch Bedienstet­en. Die JVA-Bedienstet­en hätten die Bildung „subkulture­ller Strukturen“um Halid S.

„Das kann man in einer Jugendanst­alt nicht laufen lassen.“Zu Schlägerei­en oder Bedrohunge­n sei es nicht gekommen, wohl aber zu Auseinande­rsetzungen, sagt der Gefängnisc­hef, der Diplom-Psychologe ist. Halid S. sei aber sehr schnell zornig geworden. In den zehn Monaten seiner U-Haft habe er sich 75 Tage in Absonderun­g befunden. „Das habe ich in 30 Berufsjahr­en nicht erlebt“, so der JVA-Leiter. Ein Gefängnism­itarbeiter berichtet, wie Halid S. einmal sogar mit seiner Tat vom Kö geprahlt habe: „Ihr seid kleine Wichtigtue­r, ich habe schon einen totgeschla­gen“, hat der 17-Jährige demnach zu Mithäftlin­gen gesagt.

Auch andere Zeugen bestätigen das Bild vom ruhigen, netten Kerl eher nicht. Ein Polizist, der die Handys der Angeklagte­n ausgewerte­t hat, berichtet von Videos mit extremen Gewaltdars­tellungen auf dem Smartphone des jungen Mannes. In einem der Filme sei beispielsw­eise gezeigt worden, wie ein Hund einem Mann bei lebendigem Leib die Genitalien abgefresse­n habe. In einem anderen Video sei eine dunkelhäut­ige Frau bei lebendigem Leib enthauptet worden. Wer allerdings wann und woher diese Videos geladen hat, konnte nicht genau ermittelt werden.

Auch Filmchen von Prügeleien und Fotos von Verletzung­en, die aus realen Auseinande­rsetzungen stammten, wurden gefunden.

Der Sachbearbe­iter der Augsburger Kripo schildert die Gruppe um Halid S. als aggressiv und gewaltbere­it. Die Heranwachs­enden seien in unterschie­dlichen Konstellat­ionen immer wieder in Auseinande­rsetzungen verwickelt gewesen. Einmal habe ein Streit mit einer schweren Stichverle­tzung an der Hüfte eines Beteiligte­n geendet. Ein Täter wurde nie gefunden. Aber als die Polizei kam, wurden zwei der Angeklagte­n am Tatort angetroffe­n. In einem anderen Fall habe sich ein Anwohner beschwert, dass die Gruppe zu laut war und Flaschen auf Autos abstellte. Auf seine Ermahnung hin habe S. eine Flasche geworfen, die neben dem Fenster eingeschla­gen sei.

Am Dienstagvo­rmittag war der Prozess um die tödliche Gewalttat ins Stocken geraten. Ein Schöffe der Jugendkamm­er hatte darauf hingewiese­n, dass er mit dem Kriminalha­uptkommiss­ar befreundet ist, der Hauptsachb­earbeiter in dem Fall ist. Die Frage stand im Raum, ob der Mann befangen ist. Sogar ein Platzen des aufsehener­regenden Prozesses stand im Raum, denn ein Ersatzbeob­achtet. schöffe ist nicht im Einsatz. Die Verteidige­r der drei angeklagte­n jungen Männer reagierten sehr überrascht auf die Mitteilung des Gerichts. Anwalt Moritz Bode war sauer: „Es kann doch nicht sein, dass wir so etwas in einem bundesweit beachteten Verfahren erst jetzt erfahren.“

Nachdem der Schöffe jedoch einen umfangreic­hen Fragenkata­log beantworte­t und Staatsanwa­lt Michael Nißl einen Ausschluss des Schöffen aus rechtliche­n Gründen abgelehnt hatte, verzichtet­en die Verteidige­r auf einen Befangenhe­itsantrag. Der Prozess konnte fortgesetz­t werden.

In dem Verfahren wird die tödliche Gewalttat am Augsburger Königsplat­z vom Nikolausab­end 2019 verhandelt. Die drei Angeklagte­n haben ein Geständnis abgelegt. Einer der jungen Männer aus einer siebenköpf­igen Gruppe hatte den 49-jährigen Roland S. nach einer Zigarette gefragt. Der habe mit „Halt die Schnauze“geantworte­t und den Jugendlich­en weggestoße­n. Daraufhin versetzte Halid S. dem Feuerwehrm­ann einen Faustschla­g gegen den Kopf. Durch die Wucht des Schlags riss eine Hirnschlag­ader. S. starb am Tatort. Der Freund von Roland S. erlitt bei der anschließe­nden Prügelei schwere Kopfverlet­zungen.

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