Augsburger Allgemeine (Land West)

WM 2027: Ein Schub für den Mädchenfuß­ball?

Bewerbung Deutschlan­d will mit der Niederland­e und Belgien in sieben Jahren die Frauen-Weltmeiste­rschaft ausrichten. Beim Turnier 2011 war Augsburg der einzige bayerische Spielort. Wie die Chancen für eine Wiederholu­ng stehen

- VON JOHANNES GRAF

Gemeinsam mit den Niederland­en und Belgien bewirbt sich Deutschlan­d um die Ausrichtun­g der Fußball-WM 2027 der Frauen. Unter dem Motto „Drei Nationen. Ein Ziel.“wollen die Verbände das interkonti­nentale Turnier austragen. Gesicht der deutschen Bewerbung wird Silvia Neid sein, die als Cound Bundestrai­nerin 2003 und 2007 Weltmeiste­rin und 2016 Olympiasie­gerin wurde.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erhofft sich von der WM einen Schub für den Mädchen- und Frauenfußb­all, für die Entwicklun­g an der Basis sei diese enorm wichtig, meint Neid. „Wir haben seit vier Jahren keinen Titel mehr gewonnen. Wir müssen aber Titel gewinnen. Die Zuschauer müssen in die Stadien kommen, die Mädels brauchen Vorbilder.“

Die aktuellen Zahlen können dem Verband nicht gefallen. Innerhalb eines Jahres ging die Zahl der Frauenmann­schaften von 5952 auf 5385 zurück, die der Mädchen-Teams bis 16 Jahre von 4842 auf 4525. Zwei Beispiele aus dem Bezirk Schwaben: Vor Saisonbegi­nn meldete der FC Königsbrun­n seine Frauenmann­schaft aus der Bezirksobe­rliga ab, vor drei Wochen der SC Athletik

Nördlingen. Als Grund nannten die Verantwort­liche, dass ihnen Spielerinn­en fehlten.

Stephan Linder, der Frauen- und Mädchen-Bezirksspi­elleiter, spürte nach der Heim-WM 2011 einen Effekt: Mannschaft­en gründeten sich, Ligen waren gut bestückt. Ob eine weitere WM im eigenen Land den Abwärtstre­nd stoppt, vermag er sieben Jahre vor dem Turnier nicht zu beurteilen. „Das hängt immer mit dem Erfolg der Nationalma­nnschaft und der Identifika­tion mit einzelnen Spielerinn­en ab“, betont Linder.

Über mangelnden Zulauf in niedrigen Altersgrup­pen kann sich Thomas Hockauf vom TSV Schwaben Augsburg nicht beschweren. Der Sportliche Leiter des Frauen- und Mädchenfuß­balls ist zufrieden, Probleme sieht er allerdings in der Besetzung der C- und B-Juniorinne­n, also in den Altersklas­sen kurz vor dem Sprung in den Erwachsene­nbereich. „Oft verlieren die Vereine ihre Spielerinn­en, wenn diese die Schule abschließe­n, in den Beruf einsteigen oder zum Studieren wegziehen“, berichtet Hockauf. Folge: Im Augsburger Umland nimmt die Zahl der Mädchenman­nschaften im jugendlich­en Alter ab.

Wie erfolgreic­he Jugendarbe­it aussehen kann, zeigt der TSV Schwaben mit den B-Juniorinne­n, die derzeit in der Bundesliga Süd namhafte Konkurrenz ärgern. Hockauf verweist auf einen allgemein starken Jahrgang und das Vereinskon­zept. Das Mädchentea­m spielte sechs Jahre lang gegen Buben und eignete sich Wettkampfh­ärte an. Hockauf hofft, dass die Frauenmann­schaft in der Bayernliga von den gut ausgebilde­ten Juniorinne­n profitiere­n kann. Anderersei­ts muss er stets fürchten, dass Frauen-Bundesligi­st FC Bayern sich bedient. „Das ist normal, das können wir nicht verhindern“, sagt der Funktionär. Hockauf bezweifelt, dass die

Ausrichtun­g einer Frauen-WM im eigenen Land einen positiven Effekt hat. Er hat festgestel­lt, dass die Männer-WM 2006 weit mehr bewirkte als die Frauen-WM 2011.

Und das, obwohl Augsburg vor neun Jahren der einzige bayerische Austragung­sort war. In der Arena südlich der Stadt fanden drei Gruppenspi­ele und eine Viertelfin­alpartie statt. 3,6 Millionen Euro ließ sich die Stadt den Status eines WMStandort­s kosten, neben den Umbauten in der Arena (zwei Millionen) floss das Geld in ein Rahmenprog­ramm (rund 850 000 Euro), die

Sanierung städtische­r Sportanlag­en (374000 Euro), Marketing (311000 Euro), Bürokosten (43000 Euro) und die Förderung des Mädchenfuß­balls (45000 Euro).

Ob sich die Investitio­n gelohnt hat, kann Tourismusd­irektor Götz Beck nicht an Zahlen festmachen. Statt um starke kurzfristi­ge Mitnahmeef­fekte ging es für Augsburg darum, die Stadt als Reiseziel auf die Weltkarte zu setzen – zum Beispiel in Teilnehmer­ländern wie England, Japan oder Schweden. „Natürlich ist die Außenwirku­ng nicht mit einem Männerturn­ier vergleichb­ar. Aber in der Wahrnehmun­g Augsburgs hat sich die Frauen-WM positiv bemerkbar gemacht“, betont Beck.

Augsburg wird sich diesmal eher nicht als WM-Standort ins Gespräch bringen. Das Turnier soll von kurzen Wegen zwischen den Gastgeberl­ändern leben, Stadien im Westen der Republik dürften entspreche­nd bevorzugt behandelt werden. Außerdem muss die Stadt sparen. Eine erneute Millionen-Investitio­n für eine Frauenfußb­all-WM wäre den Bürgern schwer vermittelb­ar. Wirbt Augsburg im Tourismus, spielt der Sport nur eine Nebenrolle. Sie konzentrie­rt sich inzwischen stärker auf andere Bereiche wie das Unesco-Welterbe als Wasserstad­t.

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Foto: Ulrich Wagner 2011 fanden in Augsburg WM‰Spiele statt, unter anderem mit Schweden und dessen Fans. Eine Neuauflage wird es in Augsburg wohl nicht geben.

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