Augsburger Allgemeine (Land West)

Gesundheit­samt am Limit: Die Stadt erhält Hilfe

Virus Die Nachverfol­gung der Corona-Fälle wird immer schwierige­r. Erst wurden städtische Kräfte geschult, nun soll auch Unterstütz­ung von Bundeswehr, Polizei und THW kommen. Und das Testzentru­m soll am Wochenende öffnen

- VON JÖRG HEINZLE UND MICHAEL HÖRMANN

Ihre Arbeit ist vergleichb­ar mit Detektiven: Seit Beginn der CoronaPand­emie im März sind Mitarbeite­r des Augsburger Gesundheit­samtes damit beschäftig­t, Infizierte zu informiere­n und deren Kontakte zu ermitteln. Wichtig ist, dass das möglichst schnell geschieht. Denn nur so können Infektions­ketten durchbroch­en werden. Wegen der stark gestiegene­n Fallzahlen klappt das in Augsburg inzwischen nicht mehr reibungslo­s. Es könne aktuell bis zu vier oder fünf Tage dauern, bis Menschen, die mit einem Infizierte­n Kontakt hatten, einen Anruf vom Amt bekommen, heißt es bei der Stadt. Das Gesundheit­samt wurde deshalb mit Mitarbeite­rn aus anderen Bereichen der Stadtverwa­ltung aufgestock­t. Und nun soll auch Unterstütz­ung von außen kommen: von Polizei, Bundeswehr und Technische­m Hilfswerk.

Auch das Corona-Testzentru­m an der Messe, das zuletzt fast überrannt worden ist, soll jetzt ausgebaut werden. Die Situation hat sich binnen weniger Wochen massiv verschärft. Anfang September reichte an vielen Tagen eine einstellig­e Zahl an Mitarbeite­rn aus, die als „Corona-Detektive“tätig waren. Inzwischen sind 40 städtische Mitarbeite­r mit der Kontaktver­folgung beschäftig­t. Und auch das reicht noch nicht. Umwelt- und Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) sagt: „Wir kommen mit der Nachverfol­gung kaum hinterher.“

Deshalb müsse man derzeit Schwerpunk­te setzen, dabei richte sich die Stadt nach den Empfehlung­en des Robert-Koch-Instituts. Besonders schnell sollen etwa Altersheim­e und Schulen über CoronaFäll­e informiert werden. Auch besonders gefährdete Menschen, etwa Ältere, sollen bevorzugt angerufen werden. Bei anderen Kontaktper­sonen könne es derzeit tatsächlic­h einige Tage dauern. Das hatte zuletzt immer wieder zu Beschwerde­n geführt. Die Stadtratsf­raktion der Bürgerlich­en Mitte (Freie Wähler, FDP, Pro Augsburg) hatte deshalb Kritik geübt und von einem „chaotische­n Krisenmana­gement“gesprochen.

Noch Mitte Oktober, als die Fallzahlen bereits nach oben gingen, sah man bei der Stadt keinen Bedarf, sich bei der Bundeswehr Hilfe zu holen. Anfang voriger Woche noch sagte Reiner Erben, die Soldaten müssten „untergebra­cht, versorgt und mit Arbeitsplä­tzen ausgestatt­et werden“, was nicht so einfach sei. Man setze auf städtische Mitarbeite­r, hieß es. Außerdem habe man von der Polizei die Zusage, ein Team von Ermittlern zu bekommen. Doch dann explodiert­en die Zahlen weiter – und nun sollen doch auch Soldaten in Augsburg den Kampf gegen Corona aufnehmen. Vorgesehen ist, dass 20 Kräfte von der Bundeswehr kommen, auch das Technische Hilfswerk wird rund 20 Personen bereitstel­len. Ordnungsun­d Personalre­ferent Frank Pintsch (CSU) sagt, die Zahl der CoronaDete­ktive werde damit in Kürze bei rund 100 liegen – und bei Bedarf noch steigen.

Vorwürfen, die Stadtregie­rung sei auf eine zweite Welle schlecht vorbereite­t und habe zu spät reagiert, widerspric­ht Frank Pintsch. Man habe im Sommer die Pläne für steigende Corona-Zahlen entwickelt, zudem seien 17 neue Stellen Gesundheit­samt geschaffen worden. Als dann Mitte Oktober die Fallzahlen plötzlich explodiert­en, habe man noch am Wochenende reagiert und damit begonnen, das Personal weiter aufzustock­en.

Das Personal müsse für diese Arbeit aber auch ausgebilde­t und ausgerüste­t werden, sagt Pintsch – und zwar mit Arbeitsplä­tzen, die auch dem Infektions­schutz gerecht würden. Wenn er Bilder sehe, wie größere Gruppen von Bundeswehr­soldaten in einem Raum sitzen und telefonier­en, dann sei das eigentlich nicht zu verantwort­en. Das alles sei jetzt organisier­t. Der Ordnungsre­ferent ist trotz der Kritik aus den Reihen der Stadtrats-Opposition nach wie vor überzeugt, dass es richtig gewesen sei, erst einmal städtische­s Personal zu rekrutiere­n und auszubilde­n. Diese Mitarbeite­r könnten das Wissen jetzt an die externen Kräfte weitergebe­n.

Auch beim Testzentru­m an der Messe reagiert die Stadt nun. Die Termine für einen Test sind dort inzwischen meist auf mehrere Tage hin ausgebucht. In dieser Woche gibt es nur noch am Freitag freie Termine – und auch diese dürften relativ schnell knapp werden. Weil es zwischen 13 und 15 Uhr auch die Möglichkei­t gibt, ohne Terminvere­inbarung zur Messe zu kommen, brach dort am Montagmitt­ag ein Verkehrsch­aos aus. Es sind nicht nur Augsburger, die sich dort testen lassen. Auch bei Bürgern aus dem Umland ist die Teststatio­n beliebt – unter anderem wegen ihrer langen Öffnungsze­iten. Bisher ist die Station so ausgelegt, dass dort von Montag bis Freitag täglich 900 Tests gemacht werden können. Zunächst hieß es von der Stadt, dabei soll es wegen der Vorgaben des Freistaats auch bleiben. Nun soll aber doch aufgestock­t werden, auim ßerdem soll das Testzentru­m auch samstags und sonntags geöffnet sein, kündigt Umweltrefe­rent Reiner Erben an. Die Gespräche mit dem Freistaat, der die Zentren bezahlt, liefen. Der Betreiber, die Bäuerle Ambulanz aus Augsburg, hat signalisie­rt, dass er auf Wunsch aufstocken kann.

Fest steht inzwischen auch, dass die Teststatio­n an der Messe bleiben kann. Eigentlich hätte sie bereits Ende voriger Woche umziehen sollen. Als neuer Standort war das ehemalige Depot des Abfallwirt­schaftsbet­riebs in Haunstette­n vorgesehen. Weil aber die Grindtec-Messe wegen Corona abgesagt worden ist, bleibt es beim derzeitige­n Standort. Bis Ende des Jahres soll das Testzentru­m definitiv betrieben werden, sagt Reiner Erben. Wie es danach weitergehe, werden dann mit dem Freistaat abgestimmt.

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Foto: Marijan Murat, dpa In mehreren Städten und Kreisen helfen Bundeswehr­soldaten bereits den Gesundheit­sämtern bei der Corona‰Nachverfol­gung – wie etwa hier in Stuttgart. Auch die Stadt Augsburg hat jetzt die Bundeswehr um Unterstütz­ung gebeten.

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