Augsburger Allgemeine (Land West)
Gesundheitsamt am Limit: Die Stadt erhält Hilfe
Virus Die Nachverfolgung der Corona-Fälle wird immer schwieriger. Erst wurden städtische Kräfte geschult, nun soll auch Unterstützung von Bundeswehr, Polizei und THW kommen. Und das Testzentrum soll am Wochenende öffnen
Ihre Arbeit ist vergleichbar mit Detektiven: Seit Beginn der CoronaPandemie im März sind Mitarbeiter des Augsburger Gesundheitsamtes damit beschäftigt, Infizierte zu informieren und deren Kontakte zu ermitteln. Wichtig ist, dass das möglichst schnell geschieht. Denn nur so können Infektionsketten durchbrochen werden. Wegen der stark gestiegenen Fallzahlen klappt das in Augsburg inzwischen nicht mehr reibungslos. Es könne aktuell bis zu vier oder fünf Tage dauern, bis Menschen, die mit einem Infizierten Kontakt hatten, einen Anruf vom Amt bekommen, heißt es bei der Stadt. Das Gesundheitsamt wurde deshalb mit Mitarbeitern aus anderen Bereichen der Stadtverwaltung aufgestockt. Und nun soll auch Unterstützung von außen kommen: von Polizei, Bundeswehr und Technischem Hilfswerk.
Auch das Corona-Testzentrum an der Messe, das zuletzt fast überrannt worden ist, soll jetzt ausgebaut werden. Die Situation hat sich binnen weniger Wochen massiv verschärft. Anfang September reichte an vielen Tagen eine einstellige Zahl an Mitarbeitern aus, die als „Corona-Detektive“tätig waren. Inzwischen sind 40 städtische Mitarbeiter mit der Kontaktverfolgung beschäftigt. Und auch das reicht noch nicht. Umwelt- und Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) sagt: „Wir kommen mit der Nachverfolgung kaum hinterher.“
Deshalb müsse man derzeit Schwerpunkte setzen, dabei richte sich die Stadt nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Besonders schnell sollen etwa Altersheime und Schulen über CoronaFälle informiert werden. Auch besonders gefährdete Menschen, etwa Ältere, sollen bevorzugt angerufen werden. Bei anderen Kontaktpersonen könne es derzeit tatsächlich einige Tage dauern. Das hatte zuletzt immer wieder zu Beschwerden geführt. Die Stadtratsfraktion der Bürgerlichen Mitte (Freie Wähler, FDP, Pro Augsburg) hatte deshalb Kritik geübt und von einem „chaotischen Krisenmanagement“gesprochen.
Noch Mitte Oktober, als die Fallzahlen bereits nach oben gingen, sah man bei der Stadt keinen Bedarf, sich bei der Bundeswehr Hilfe zu holen. Anfang voriger Woche noch sagte Reiner Erben, die Soldaten müssten „untergebracht, versorgt und mit Arbeitsplätzen ausgestattet werden“, was nicht so einfach sei. Man setze auf städtische Mitarbeiter, hieß es. Außerdem habe man von der Polizei die Zusage, ein Team von Ermittlern zu bekommen. Doch dann explodierten die Zahlen weiter – und nun sollen doch auch Soldaten in Augsburg den Kampf gegen Corona aufnehmen. Vorgesehen ist, dass 20 Kräfte von der Bundeswehr kommen, auch das Technische Hilfswerk wird rund 20 Personen bereitstellen. Ordnungsund Personalreferent Frank Pintsch (CSU) sagt, die Zahl der CoronaDetektive werde damit in Kürze bei rund 100 liegen – und bei Bedarf noch steigen.
Vorwürfen, die Stadtregierung sei auf eine zweite Welle schlecht vorbereitet und habe zu spät reagiert, widerspricht Frank Pintsch. Man habe im Sommer die Pläne für steigende Corona-Zahlen entwickelt, zudem seien 17 neue Stellen Gesundheitsamt geschaffen worden. Als dann Mitte Oktober die Fallzahlen plötzlich explodierten, habe man noch am Wochenende reagiert und damit begonnen, das Personal weiter aufzustocken.
Das Personal müsse für diese Arbeit aber auch ausgebildet und ausgerüstet werden, sagt Pintsch – und zwar mit Arbeitsplätzen, die auch dem Infektionsschutz gerecht würden. Wenn er Bilder sehe, wie größere Gruppen von Bundeswehrsoldaten in einem Raum sitzen und telefonieren, dann sei das eigentlich nicht zu verantworten. Das alles sei jetzt organisiert. Der Ordnungsreferent ist trotz der Kritik aus den Reihen der Stadtrats-Opposition nach wie vor überzeugt, dass es richtig gewesen sei, erst einmal städtisches Personal zu rekrutieren und auszubilden. Diese Mitarbeiter könnten das Wissen jetzt an die externen Kräfte weitergeben.
Auch beim Testzentrum an der Messe reagiert die Stadt nun. Die Termine für einen Test sind dort inzwischen meist auf mehrere Tage hin ausgebucht. In dieser Woche gibt es nur noch am Freitag freie Termine – und auch diese dürften relativ schnell knapp werden. Weil es zwischen 13 und 15 Uhr auch die Möglichkeit gibt, ohne Terminvereinbarung zur Messe zu kommen, brach dort am Montagmittag ein Verkehrschaos aus. Es sind nicht nur Augsburger, die sich dort testen lassen. Auch bei Bürgern aus dem Umland ist die Teststation beliebt – unter anderem wegen ihrer langen Öffnungszeiten. Bisher ist die Station so ausgelegt, dass dort von Montag bis Freitag täglich 900 Tests gemacht werden können. Zunächst hieß es von der Stadt, dabei soll es wegen der Vorgaben des Freistaats auch bleiben. Nun soll aber doch aufgestockt werden, auim ßerdem soll das Testzentrum auch samstags und sonntags geöffnet sein, kündigt Umweltreferent Reiner Erben an. Die Gespräche mit dem Freistaat, der die Zentren bezahlt, liefen. Der Betreiber, die Bäuerle Ambulanz aus Augsburg, hat signalisiert, dass er auf Wunsch aufstocken kann.
Fest steht inzwischen auch, dass die Teststation an der Messe bleiben kann. Eigentlich hätte sie bereits Ende voriger Woche umziehen sollen. Als neuer Standort war das ehemalige Depot des Abfallwirtschaftsbetriebs in Haunstetten vorgesehen. Weil aber die Grindtec-Messe wegen Corona abgesagt worden ist, bleibt es beim derzeitigen Standort. Bis Ende des Jahres soll das Testzentrum definitiv betrieben werden, sagt Reiner Erben. Wie es danach weitergehe, werden dann mit dem Freistaat abgestimmt.