Augsburger Allgemeine (Land West)
Nach Kritik
Diedorfer Jugendpflegerin plant runden Tisch
Die Lage scheint sich in den vergangenen Monaten am Freizeitgelände in Diedorf um den Streethockeyplatz zugespitzt zu haben. Die Polizei berichtet von vielen nötigen Kontrollen, die Jugendlichen fühlen sich teilweise zu unrecht gemaßregelt. Was ist da passiert, Frau Ullrich?
Xenia Ullrich: Zwischen B300 und Bahnlinie gibt es in Bahnhofsnähe ein eigentlich ganz schönes Freizeitgelände mit einer Dirtbahn für BMX-Räder, dem Streethockeyund einem Basketballplatz. Das war aber in den vergangenen Jahren etwas eingeschlafen. Erst mit den Kontaktbeschränkungen durch Corona wurde das Freizeitgelände wieder attraktiver. Hier trafen sich nach dem Lockdown vermehrt Jugendliche, weil man gut im Freien zusammensitzen und etwas unternehmen kann. Am Anfang haben die Jugendlichen eigentlich nur Basketball zusammen gespielt.
Und was ist dann passiert?
Ullrich: Es kamen immer mehr Jugendliche auch von außerhalb, die mitbekommen haben, dass in Diedorf etwas los ist – auch solche, die gerne über die Stränge schlagen. Und wenn von 20 Jugendlichen fünf Tumulte machen, dann werden eben schnell alle über einen Kamm geschert.
Halten Sie denn die Beschwerden der Anwohner vor allem wegen des Lärms für übertrieben?
Ullrich: Die Anwohner haben recht. Es gab Zeiten, da war es einfach zu laut. Vor allem während einer Party im September: Da war die Musik bis weit über die B300 zu hören. Das habe ich anschließend mit den Jugendlichen besprochen, auch dass sie dadurch viel Vertrauen bei den Anwohnern verspielt haben. Mit dem Rathaus wurde dann geregelt, dass das Freizeitgelände nur noch bis 20 statt bis 22 Uhr benutzt werden darf. Ich setze mich mit den Jugendlichen auch für eine Aufwertung des Platzes ein. Wer Lärm und Müll macht, soll gar nicht mehr kommen, sondern merken, dass das hier nicht mehr geht. Übrigens gab es auch immer Gruppen von Jugendlichen, die nach einem Tag oder Abend, an dem viel Müll entstand, tags darauf den Platz wieder aufgeräumt haben.
Warum ist das Freizeitgelände jetzt wieder so wichtig für die Jugendlichen? Ullrich: Gerade im Alter zwischen 14 und 17 ist es für Jugendliche unheimlich wichtig, sich mit Gleichaltrigen zu treffen – nicht nur, um Spaß zu haben. Es geht hier wirklich um die Entwicklung vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Dafür ist die sogenannte peergroup, eine Gruppe von gleichaltrigen Bezugspersonen, entscheidend. Das ist wegen der Kontaktbeschränkungen im Moment nicht so gut möglich. Aber wer nicht dabei sein kann, ist auch ganz schnell raus aus der Gruppe – und steht dann vielleicht allein da. Schon wir Erwachsene fühlen uns ja aktuell ganz schnell wie Tiger im Käfig – dieses Gefühl haben Jugendliche aber oft noch früher. Die sitzen jetzt allein im Kinderzimmer, und einigen geht es wirklich nicht gut mit der Situation. Da sind richtig schlimme Schicksale dabei. Im Grunde ist es etwas Positives, wenn sich die Jugendlichen im Freien treffen und gemeinsam etwas machen wie Basketballspielen. Mir ist es wirklich lieber, die Jugendlichen treffen sich, anstatt nur zu Hause vorm Computer zu sitzen und vielleicht zu vereinsamen.
Und warum funktioniert das mit dem Treffen nicht im Jugendtreff?
Ullrich: Dort sind wegen der Hygieneregeln aktuell nur sieben Personen zugelassen. Und anschließend muss das Haus komplett gereinigt werden, auf Kosten der Gemeinde Diedorf. Die Jugendlichen haben im Moment keinen passenden Ort.
Was haben Sie und die Jugendlichen jetzt vor?
Ullrich: Wir planen einen runden Tisch, zu dem wir auch die Anwohner des Freizeitgeländes einladen wollen. Gerade bereite ich das Treffen mit den Jugendlichen vor. Sie sollen lernen, es auch auszuhalten, verbal für ihr Verhalten angegriffen zu werden – und dann angemessen zu reagieren. Gleichzeitig wollen die Jugendlichen die Chance nutzen, ihr Image zu ändern und nicht nur als „böse“angesehen zu werden. Für Jugendliche ist es schlimm, wenn sie nur ausgegrenzt werden. Wir waren alle einmal in der Pubertät.