Augsburger Allgemeine (Land West)
Streit um Kölner Missbrauchsstudie spitzt sich zu
Kirche Das Erzbistum hält sie unter Verschluss und macht einer Münchner Kanzlei schwere Vorwürfe. Die wehrt sich nun
Köln/München Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ist am Montag schweren Vorwürfen entgegengetreten, die das katholische Erzbistum Köln ihr am Freitag gemacht hatte. Dabei geht es um eine unabhängige Missbrauchsstudie, in der auch Namen von Verantwortlichen genannt werden sollten – bis in die Bistumsspitze hinein.
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hatte sie bei der Kanzlei in Auftrag gegeben und sogar seinen Verbleib im Amt an das Ergebnis des Gutachtens gebunden. Zwei Tage, bevor es Mitte März auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden sollte, wurde diese aber abgesagt. Unter anderem der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, einst Personalchef im Kölner Generalvikariat, war juristisch gegen die Veröffentlichung vorgegangen. Er steht unter Vertuschungsverdacht.
Am Freitag erklärten dann Woelki und der Betroffenenbeirat seines Erzbistums, dass das Gutachten unter Verschluss bleibe und bis zum 18. März 2021 eine „vollständige Neufassung der Untersuchung“von einem Kölner Strafrechtsexperten erstellt werde. Das Erzbistum hatte zudem eine Art Gegengutachten in Auftrag gegeben, das der Studie der Münchner Kanzlei „methodische Mängel“bescheinigte. Nach Informationen unserer Redaktion hatte der Betroffenenbeirat keine Einsicht in die Studie. Dennoch sagte dessen Sprecher, die Kanzlei habe schlecht gearbeitet. In einer Presseerklärung des Erzbistums wurde er mit dem Satz zitiert: „Wir haben dem Kardinal geraten, die Zusammenarbeit mit Westpfahl Spilker Wastl sofort zu beenden und Schadensersatz zu fordern.“Die Antwort der Kanzlei auf die Vorwürfe birgt Sprengkraft.
Sie habe „gesichert erfahren“, dass dem Betroffenenbeirat noch nicht einmal angeboten worden sei, sich durch Lektüre des Gutachtens ein eigenes Bild zu machen, erklärte sie. „Wir wurden daher aus dem Kreis der Betroffenen gebeten, unser Gutachten zur Verfügung zu stellen.“Das Gegengutachten des Erzbistums, so die Kanzlei, leide unter einem „grundlegenden methodischen Fehler“: „Der uns im Dezember 2018 erteilte Auftrag bestand in einer umfassenden Bewertung des Handelns der Bistumsverantwortlichen. Eine Beschränkung auf die bloße Rechtmäßigkeitskontrolle
war gerade nicht vorgesehen.“Üblich und gefordert ist bei derartigen Gutachten, dass die beauftragten Anwälte Einschätzungen vornehmen. Das Gegengutachten wertet diese als Voreingenommenheit und stellt auf Vorgänge ab, die mit kirchlichem und staatlichem Strafrecht zu bemessen sind.
Zu echter Aufarbeitung trägt das wenig bei – wenn es darum geht, wie in der Kirche sexuelle Gewalt ermöglicht oder befördert wurde. Denn (kirchen-)rechtlich relevant dürfte das oft nicht sein. Warum die Studie nun wohl nicht publik wird, lassen Passagen erahnen, die das Gegengutachten zitiert. Darin ist von Verhaltensweisen wie in „totalitären Herrschaftssystemen“die Rede.