Augsburger Allgemeine (Land West)

Polizist wegen Volksverhe­tzung verurteilt

Prozess Der Betrunkene hat in einem Augsburger Café andere Gäste rassistisc­h und schwulenfe­indlich beleidigt. Nun wurde er wegen Volksverhe­tzung verurteilt

- VON PETER RICHTER

Viele junge Leute sitzen an dem Sommertag in der Filiale von „Hazel Coffee“am Augsburger Rathauspla­tz. Nur ein angetrunke­ner, älterer Mann stört. Er pöbelt lautstark. „Deine Schuhe finde ich Scheiße“, spricht er einen jungen Mann an, den er später als Schwuchtel beschimpft und ihn zum Verlassen des Cafés auffordert. Als Gäste den Betrunkene­n bitten, zu gehen, und drohen, die Polizei zu rufen, zeigt der Mann seinen Dienstausw­eis – denn er ist selbst Polizist. Dann zieht er weiter über Gäste her. Nun ist der 44-jährige Polizist dafür verurteilt worden. Und er muss damit rechnen, bei der Polizei rauszuflie­gen.

Das Amtsgerich­t Augsburg hat den Beamten zu sechs Monaten Freiheitss­trafe verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung – und zu einer Geldbuße von 3000 Euro. Schuldig der Volksverhe­tzung, der mehrfachen Beleidung und einer versuchten Sachbeschä­digung. Ein Mann und zwei Frauen aus dem Café hatten ihn angezeigt. Im Prozess sagten sie als Zeugen aus. Besonders verhängnis­voll für den einschlägi­g vorbestraf­ten Polizisten war es, wie eine dunkelhäut­ige Frau das Erlebte schilderte. Die junge Deutsch-Nigerianer­in war sich „1000prozen­tig sicher“, der am Nachbartis­ch sitzende Angeklagte habe von „Drecks-Schwarzafr­ikanern“gesprochen, als er sie ansah. Andere Zeugen wollen von ihm Ausdrücke wie „Neger“und „alle Schwarzafr­ikaner sind Scheiße“gehört haben.

Der angeklagte Polizist bestritt vor Gericht nicht, dass sich alles so abgespielt haben kann. Wegen seiner Trunkenhei­t erinnere er sich nur noch marginal an die Vorgänge im Café. Der 44-Jährige weiß heute, wie er sagte, dass er Alkoholike­r ist – wenn auch inzwischen trocken. Seit Jahren hat er in mehreren Lokalen der Stadt Hausverbot. Seit dem Vorfall im August vorigen Jahres ist er vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord vom Dienst suspendier­t. Der Polizeihau­ptmeister hat die Zeit genutzt, um sich mehrere Monate in einer Suchtklini­k behandeln zu lassen. Dem Gericht legte er Bescheinig­ungen vor, wonach er regelmäßig Treffen der Anonymen Alkoholike­r geht und keinen Alkohol mehr trinkt.

Aber ist der Ausdruck „DrecksSchw­arzafrikan­er“tatsächlic­h so gefallen? Wenn ja, erfüllt er den schwerwieg­endsten Vorwurf, den der Volksverhe­tzung. Hansjörg Schmid, Verteidige­r des Angeklagte­n, äußerte Zweifel. Sie stützen sich auf eine schwammige Formulieru­ng im Polizeipro­tokoll, als die Deutsch-Nigerianer­in Strafanzei­ge erstattete. Darin wird die 21-Jährige zitiert: „...muss wohl so gefallen sein.“

Richterin Sandra Dumberger äußerte im Urteil aber keinerlei Zweifel, dass diese wie andere Beleidigun­gen vom Angeklagte­n so gefallen sind, er sich rassistisc­h, homophob und sexistisch verhalten habe. Auch Staatsanwa­lt Georg Hohenadel nicht. Zumal während des Prozesses bei der Staatsanwa­ltschaft ein anonymes Schreiben mit Interna aus dem Polizeidie­nst einging. Der angeklagte Polizeihau­ptmeister, heißt es darin, soll sich auch früher schon ausländerf­eindlich verhalten haben.

Für den laufenden Prozess spielte es jedoch keine Rolle. Möglicherw­eise sind es jene Vorfälle, die ein Jahrzehnt zurücklieg­en, über die unsere Redaktion zum Prozessauf­takt berichtet hat. Zwei junge Polizeianw­ärter, deren Familien aus der Türkei und aus Russland eingewande­rt sind, hatten ihn wegen rassistisc­her Beleidigun­gen und versuchter Körperverl­etzung angezeigt. Der damals 34-Jährige hatte sie auf einer „Blaulichtp­arty“, veranstalt­et von einer Polizeigew­erkschaft, als „Kanake“und „Scheißruss­e“beschimpft. Bestenfall­s dürften sie ihm seine Lederschuh­e putzen. Die Polizei brauche „nur echte deutsche Leute“. Obwohl sich der Polizist bei ihnen entschuldi­gte, lehnten es beide Polizeianw­ärter ab, ihre Strafanzei­ge zurückzuzi­ehen. Die Staatsanwa­ltschaft stellte vier Wochen später dennoch das Verfahren wegen geringer Schuld ein.

Wegen eines Polizeiein­satzes stand der Beamte dann 2014 vor Gericht. Er hatte, so der Vorwurf, eine festgenomm­ene junge Frau am Nacken gepackt und mit dem Gesicht gegen das Dach des Streifenwa­gens geschlagen. Erst im Nachzu hinein wurde der Vorfall durch ihren Hausarzt publik, dem ihr blaues Auge auffiel. Ein Amtsrichte­r verurteilt­e den Beamten wegen Körperverl­etzung zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr. In zweiter Instanz sprach ihn das Landgerich­t aus Mangel an Beweisen frei. Was der Beamte für einen Ruf habe, dürfe für das Urteil keine Rolle spielen, argumentie­rte damals sein Anwalt. Verurteilt wurde er dennoch zu einer Geldstrafe von 6300 Euro wegen Beleidigun­g. Gegenüber internen Ermittlern des Landeskrim­inalamtes hatte er die Frau eine „Drecksau“und „dumme Sau“genannt. So erfuhren auch Vorgesetzt­e im Polizeiprä­sidium, was er von ihnen hält. Recht unfein sprach er von „Zipfelklat­schern“und „Idioten“.

Dem 44-Jährigen wird sein Bemühen, vom Alkohol wegzukomme­n, womöglich wenig helfen, um seinen Job zu retten. Schwer vorstellba­r, dass in den Reihen der Polizei ein Beamter geduldet wird, der wegen Volksverhe­tzung verurteilt ist. Aber noch ist das Urteil nicht rechtskräf­tig.

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Symbolfoto: Alexander Kaya
Ein Polizist wurde am Amtsgerich­t Augsburg verurteilt, weil er Gäste eines Cafés beleidigt hatte. Symbolfoto: Alexander Kaya

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