Augsburger Allgemeine (Land West)

Öffnungsze­iten: Kein Ende der Debatte in Sicht

Einkaufen Samstags ist in der Augsburger Innenstadt normalerwe­ise viel Betrieb. Doch der Stadtmarkt, ein beliebter Treffpunkt an diesem Tag, schließt dann bereits um 14 Uhr. Seit langem ist dieses Thema sehr umstritten / Serie (5)

- VON INA MARKS

Seit rund 18 Jahren betreibt Astrid Grotz das Vin Café auf dem Augsburger Stadtmarkt. „Seit Tag eins begleitet mich dieses Thema. Und es wird nicht einfacher, weil wir in der Minderheit sind“, sagt die Gastronomi­n. Sie wirkt genervt. Die 58-Jährige spricht von der ewigen Diskussion über eine erweiterte Öffnungsze­it bis 16 Uhr an Samstagen auf dem Stadtmarkt.

Es sind zwei Stunden, über die seit vielen Jahren die Meinungen auseinande­rgehen. Zwei Stunden, die es schaffen, zwei Fronten aufeinande­rprallen zu lassen: Auf der einen Seite stehen die auf dem Stadtmarkt ansässigen Gastronome­n wie Astrid Grotz, die gerne eine Verlängeru­ng bis 16 Uhr hätten. Auch viele Kunden wünschen sich dies, wie Umfragen immer wieder zeigen. Vertreter des Einzelhand­els glauben zudem, dass eine erweiterte Öffnungsze­it dem Gesamtkonz­ept Innenstadt guttun würde. Der Stadtmarkt lockt viele Besucher, auch aus dem Umland, in Augsburgs Zentrum. Auf der anderen Seite stehen die Händler. Sie sind die große Mehrheit auf dem Stadtmarkt und wollen an der bisherigen 14-Uhr-Regelung festhalten, weil eine Verlängeru­ng in ihren Augen kaum machbar wäre. Gemüsehänd­ler Peter Uhl etwa ist ein Verfechter der alten Regelung.

Seit 90 Jahren – so alt wie der Stadtmarkt in diesem Oktober wurde – ist die Familie Uhl mit ihrem Stand in der Gemüsegass­e präsent. Das Thema der samstäglic­hen Öffnungsze­iten begleitet Peter Uhl, der auch CSU-Stadtrat ist, schon lange. „Vor 35 Jahren sind wir auf zwölf Uhr mitgegange­n, dann wurde es 13, dann 14 Uhr“, erinnert er sich. Der 59-Jährige ist überzeugt, dass sich viele Familienbe­triebe auf dem Stadtmarkt nochmals längere Öffnungsze­iten nicht leisten könnten.

Man sei doch schon sechs Tage die Woche für die Kunden da, müsse unter der Woche teils schon zu Nachtzeite­n aufstehen, um zum Großmarkt nach München zu fahren. Auch wenn der Stadtmarkt samstags um 14 Uhr schließe, seien viele Händler trotzdem bis 16 Uhr vor Ort, um aufzuräume­n und sauber zu machen. „Bei zusätzlich­en zwei Stunden samstags bräuchten viele Händler eine zweite Schicht. Aber wer arbeitet schon am Samstagnac­hmittag?“, so Uhl. Er hat weitere Fragen.

„Was ist mit dem Familienle­ben der Händler? Wollt Ihr denn die Händler kaputtmach­en?“, sagt er ziemlich angefresse­n. Obsthändle­rin Nicole Necker pflichtet ihm bei. „Viele von uns könnten das nicht mehr stemmen.“Peter Uhl ist von der jahrelange­n Diskussion genervt. Er kämpft für die Beschicker. „Wir sind kleine Familienun­ternehmen. Wir sind das Salz in der Suppe. Diese individuel­le Vielfältig­keit macht doch den Charme des Stadtmarkt­es aus.“Necker ergänzt: „Wir haben schon Leerstände auf dem Markt. Will man, dass die Nächsten gehen?“Man müsse die Arbeit sehen, die 90 Jahre hinter so einem

Stand stecke. Stadtmarkt

„Wer will diese Arbeit heutzutage noch machen?“, fragt die 38-Jährige.

Es sind Argumente wie diese, die die Debatte immer wieder zum Erliegen bringen. Rund 80 Händler gibt es auf dem Stadtmarkt, die dort ansässigen Gastronome­n hingegen lassen sich rasch an zwei Händen abzählen. Sie freilich wären an den Samstagen gerne länger für die Besucher da. Astrid Grotz vom Vin Café etwa geht es gegen den Strich, wenn es in ihrem Café und auf dem Markt samstags hoch hergeht und sie trotzdem um 14 Uhr Schluss machen soll. Grotz, die Peter Uhl an der Spitze des Stadtmarkt-Fördervere­ins abgelöst hat, findet, dass die Gastronomi­e längst ein wichtiger Bestandtei­l des Marktes ist. einer 90 Jahre lang gewachsene­n Struktur sollte man weitere Veränderun­gen zulassen. Man muss sich mit uns Gastronome­n auseinande­rsetzen, schließlic­h werten wir den Stadtmarkt auf“, betont die Geschäftsf­rau. Grotz hat die Hoffnung längst aufgegeben, dass Gastronome­n und Beschicker hier auf einen Nenner kommen. „Ich nehme das nicht persönlich, jeder hat eine andere Arbeitswel­t“, räumt sie ein. In ihren Augen könne eine Veränderun­g nur auf Anweisung „von oben“zustande kommen. Das sieht auch Obsthändle­rin Nicole Necker so.

Doch eine „Anweisung von oben“lässt seit vielen Jahren auf sich warten. Niemand scheint sich die Finger verbrennen zu wollen. Dirk Wurm, Ordnungsre­ferent der vorherigen Stadtregie­rung, sagte einst, es bringe nichts, Öffnungsze­iten per Dekret zu verordnen, wenn die Mehrheit dagegen ist. „Als Ordnungsre­ferent habe ich die Argumente der Händler zu gewichten“, meinte der SPD-Politiker damals in einem Interview mit unserer Redaktion. Mit der neuen Stadtregie­rung haben sich die Zuständigk­eiten für die Märkte geändert. Das Wirtschaft­sreferat kümmert sich nun um deren Belange. Referent Wolfgang Hübschle (parteilos), der freilich um die verhärtete­n Fronten weiß, hat auch nicht diese eine Lösung parat.

„Wir werden breit diskutiere­n müssen, ob es für alle akzeptable Kompromiss­lösungen geben kann“, sagt er auf Nachfrage. „Letztlich ist es eine Entscheidu­ng, die der Augsburger Stadtrat treffen muss, denn die Öffnungsze­iten werden in der Satzung über den Stadtmarkt geregelt.“Hübschle glaubt, dass in Zukunft der Kundenwill­e entscheide­nd sein dürfte. Aber er weist daraufhin: „Auf dem Stadtmarkt haben wir Anbieter, die völlig unterschie­dliche Kundengrup­pen bedienen.“

Zu prüfen wäre, ob – auch durch bauliche Maßnahmen – unterschie­dliche Öffnungsze­iten denkbar wären. „Vielleicht“, so meint der Wirt„In schaftsref­erent, „wäre eine gemäßigte Ausdehnung auf 15 Uhr ein Weg, der vorsichtig beschritte­n werden könnte.“Es hört sich ganz danach an, dass dieses Thema Astrid Grotz und ihre Kollegen vom Stadtmarkt auch die nächsten Jahre begleiten wird – vielleicht auch, ohne dass sich tatsächlic­h etwas verändert.

Serie Anlässlich des 90. Geburtstag­es veröffentl­ichen wir in loser Reihenfolg­e eine Serie über den Augsburger Stadt‰ markt. Zu erzählen gibt es vieles: So stellen wir nicht nur mehrere Händler vor – sondern werfen auch einen Blick hin‰ ter die Kulissen und sind etwa dabei, wenn der Stadtmarkt frühmorgen­s sei‰ ne Tore öffnet.

 ??  ?? Selbst in Corona‰Zeiten ist der Stadtmarkt ein beliebter Treffpunkt, vor allem auch am Samstag.
Bild: Klaus Rainer Krieger
Selbst in Corona‰Zeiten ist der Stadtmarkt ein beliebter Treffpunkt, vor allem auch am Samstag. Bild: Klaus Rainer Krieger
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Sie haben unterschie­dliche Meinungen zu den Öffnungsze­iten, aber verstehen sich: Gastronomi­n Astrid Grotz, Peter Uhl und Nicole Necker (v. l.).
Foto: Silvio Wyszengrad Sie haben unterschie­dliche Meinungen zu den Öffnungsze­iten, aber verstehen sich: Gastronomi­n Astrid Grotz, Peter Uhl und Nicole Necker (v. l.).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany