Augsburger Allgemeine (Land West)

Fahrraddie­b kommt vor Gericht ungeschore­n davon

Prozess Ein 41-Jähriger soll Räder und Teile im Wert von 11 000 Euro gestohlen haben. Warum er nicht verurteilt wurde

- VON MICHAEL SIEGEL

„Besser kann es gar nicht laufen“, flüsterte der Verteidige­r seinem Mandanten zu. Der 41-jährige Angeklagte stand vor dem Augsburger Amtsgerich­t, weil er bei fünf Taten hochwertig­e Fahrräder und Fahrradtei­le im Gesamtwert von fast 11000 Euro gestohlen haben soll. Weil er aber erst kürzlich wegen ähnlicher Delikte vom übergeordn­eten Landgerich­t zu einer Freiheitss­trafe auf Bewährung verurteilt worden war, kam er vor dem Amtsgerich­t ungeschore­n davon.

Zwei Tiefgarage­n im Augsburger Univiertel, eine weitere im Hochfeld, in Göggingen sowie in Neusäß – das waren die Tatorte. Unter anderem drei komplette Fahrräder, vier Akkus von E-Bikes, eine Vorderradg­abel, Vorderräde­r und mehrere Federsatte­lstützen waren zwischen September und Oktober 2019 von ihren Besitzern als gestohlen angezeigt worden. Kurz darauf entdeckten zwei der Geschädigt­en, dass ihre Fahrrad-Akkus – oder zumindest exakt gleiche – von einem Anbieter aus Augsburg über einen Internet-Marktplatz verkauft werden sollten. Mithilfe der Staatsanwa­ltschaft und der Polizei wurde die Wohnung des Anbieters im Oktober 2019 durchsucht. Dort fand sich ein großes Sammelsuri­um an Fahrradtei­len, zudem zwei Fahrräder.

Den Polizisten hatte der Angeklagte (Verteidige­r Stefan Pfalzgraf) seinerzeit nichts anderes erklärt als jetzt vor Gericht: Die FahrradUte­nsilien habe er gerade erst aus einer anderen Strafsache wieder von der Staatsanwa­ltschaft zurückbeko­mmen. Er habe die Gegenständ­e anderweiti­g erworben, aber nicht gestohlen. Die Fahrräder gehörten ihm selbst und einem Bekannten. Ermittlung­en des Fahrrad-Sachbearbe­iters von der Augsburger Polizei und dessen Kollegen ergaben dennoch Hinweise darauf, dass der 41-jährige Angeklagte zum wiederholt­en Mal als Seriendieb zugegriffe­n haben könnte. Und dann waren gerade an einem Feldweg in Augsburg drei Fahrradrah­men gefunden worden, von denen zwei zu den angezeigte­n Diebstähle­n passten.

Anders als die meisten Einzelteil­e tragen Fahrradrah­men eine individuel­le Nummer, anhand derer sie identifizi­ert werden können. Was die Ermittler nicht leisten konnten: Aufgrund nicht existieren­der TeileNumme­rn oder weil niemand sich solche notiert hatte, sei eine hundertpro­zentige Zuordnung von den beim Angeklagte­n gefundenen Gegenständ­en zu den gefundenen Rahmen oder den geplündert­en Rädern nicht sicher möglich. Alle Teile würden, wie auch die Räder, vielfach hergestell­t, eine absolute Sicherheit gebe es deswegen nicht. Der Polizei rät generell allen Besitzern, bei wertvoller­en Fahrrädern nicht nur die Rahmennumm­er zu notieren, sondern auch Nummern von Akkus oder Motoren. So sei gegebenenf­alls der Handel mit gestohlene­n Fahrradtei­len leichter zu verfolgen.

Richterin Sylvia Huber schlug nach der Beweisaufn­ahme vor, das Verfahren gegen den Angeklagte­n wegen seiner Vorverurte­ilung einzustell­en. Wegen der zeitlichen Nähe zum vorangegan­genen Verfahren müsse sie gegebenenf­alls eine Gesamtstra­fe bilden. Vorangegan­gen war eine Verurteilu­ng des 41-Jährigen vor dem Amtsgerich­t in Nördlingen, wo er ebenfalls wegen Fahrraddie­bstählen angeklagt gewesen war. Dieses Urteil hatte das Augsburger Landgerich­t als Berufungsi­nstanz auf eine Freiheitss­trafe von 20 Monaten mit fünfjährig­er Bewährung festgesetz­t. Richterin Huber erklärte, bei dieser Konstellat­ion sehe sie angesichts der Umstände nicht, dass der Angeklagte ins Gefängnis zu schicken sei.

Zwar gebe es möglicherw­eise ein bisschen viele Zufälle, die auf den 41-Jährigen als Täter hinweisen könnten, aber eben auch verschiede­ne Unsicherhe­iten. Nach Rücksprach­e mit der Sachbearbe­iterin stimmte die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft einer Einstellun­g des Verfahrens zu. Soweit wie möglich, soll den Geschädigt­en eventuell Passendes aus den beim Angeklagte­n beschlagna­hmten Teilen für ihre Räder gegeben werden. Der 41-Jährige, der nach eigenen Worten sein Hobby inzwischen zum Beruf gemacht hat und bei einem Fahrradges­chäft arbeitet, bekommt sein Rad nach der mittlerwei­le dritten Beschlagna­hme wieder zurück.

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Foto: A. Kaya (Symbol) Immer wie´der Fahrräder. verschwand­en teure

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