Augsburger Allgemeine (Land West)

Viele Premieren müssen verschoben werden

Kultur‰Lockdown Der November gehört für das Staatsthea­ter zu den intensiven Monaten. Das Haus bereitet sich auf verschiede­ne Szenarien vor

- VON RICHARD MAYR

Der November-Lockdown trifft das Staatsthea­ter Augsburg in einem Monat, in dem nicht nur traditione­ll viel gespielt wird, sondern auch einige Premieren hätten stattfinde­n sollen. Das neue Ballett „Die Winterreis­e“fand am Wochenende zwar noch statt, das Publikum saß allerdings nicht im Martinipar­k, sondern zu Hause vor dem Bildschirm und konnte dort die Tänzer des Staatsthea­ters sehen. Die erste Vorstellun­g mit Publikum steht noch aus.

Durch den Lockdown und damit verbunden das Aussetzen des Spielbetri­ebs sind weitere Premierent­ermine betroffen. Mitte November wären zum Beispiel Sänger des Opernensem­bles mit den Augsburger Philharmon­ikern unter der Leitung von Ivan Demidov mit einer Operngala im Kongress am Park zu erleben gewesen.

Dann hätte die Premiere des Familienst­ücks zur Weihnachts­zeit am 15. November stattfinde­n sollen. Vor Corona gehörte das Familienst­ück nach dem Freilichtb­ühnenmusic­al immer zur publikumss­tärksten Produktion. Gespielt wurde oft zwei Mal am Tag vor Schulklass­en. Nun fallen die NovemberTe­rmine von „Tintenherz“nach dem gleichnami­gen Roman von Cornelia Funke komplett weg.

Ebenso kann die Märchenkom­ödie „Der Drache“in der Brechtbühn­e nicht am ursprüngli­chen Premieren-Termin, dem 21. November, stattfinde­n. Eine Woche später hätte das neue Projekt „Eine Stadt sucht ihre Wohnung“starten sollen.

Ganz am Ende des Monats stand noch ein Romanstoff auf dem Spielplan, der für die Bühne hätte adaptiert werden sollen. Daniel Kehlmanns Roman „Tyll“, der einen Blick auf den 30-jährigen Krieg wirft und auch zu einem größeren Teil in der Region spielt. Am Montag, den 30. November, wäre die Produktion das erste Mal zu sehen gewesen. Bislang sind bis zu diesem Tag alle Spieltermi­ne abgesagt, so lange gilt der Lockdown im November, wenn er nicht Mitte des Monats verlängert werden sollte.

Genau die Situation, mit der das Staatsthea­ter im Frühjahr konfrontie­rt war, ist nun also wieder eingetrete­n. Mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen muss das Staatsthea­ter Vorstellun­gen absagen. Anders als im Frühjahr kann aber der Probenbetr­ieb weiterlauf­en. Sobald das Staatsthea­ter Augsburg wieder spielen darf, könnte es auch die neuen Produktion­en erstmals herausbrin­gen.

Ob es Anfang Dezember für die Besucher des Staatsthea­ters Augsburg wieder weitergeht, kann Staatsinte­ndant André Bücker allerdings nicht sagen. „Diese Entscheidu­ngen fallen sehr kurzfristi­g.“Außerdem stellt er sich selbst die kritische Frage, ob in den vier Wochen bis dorthin der hohe Inzidenzwe­rt in Augsburg tatsächlic­h so stark gefallen ist, dass er wieder wie zum Beginn der Spielzeit vor maximal 200 Zuschauern spielen kann.

Falls das dann nur unter stark eingeschrä­nkten Bedingunge­n möglich ist, etwa mit der Begrenzung auf 50 Zuschauer wie zuletzt, seien Vorstellun­gen im Martinipar­k und im Kongress am Park zu unwirtscha­ftlich für das Staatsthea­ter, dann stünden dort Aufwand und Ertrag in keinerlei Verhältnis mehr. Außerdem seien alle Tickets bis Dezember schon verkauft. Teils haben die Zuschauer mit viel Geduld für die begehrten Karten anstehen müssen. Nun im Fall einer weiteren Publikumso­bergrenze entscheide­n zu müssen, wer das Stück dann sehen dürfe und wer sein Geld zurückbeko­mme, das möchte Bücker nicht.

Im Augenblick bereitet sich das Staatsthea­ter auf verschiede­ne mögliche Szenarien vor – von einer Verlängeru­ng des Lockdowns, über einen eingeschrä­nkten Spielbetri­eb bis hin zu der Situation wie zum Start der neuen Saison.

Schon jetzt macht sich die Theaterlei­tung auch Gedanken darüber, welche Produktion­en möglicherw­eise in der kommenden Saison zusätzlich­e Spieltermi­ne bekommen. „Wir müssen da mit unserem Budget haushalten und dürfen das Geld nicht verprassen“, sagt Bücker. Produktion­en in dieser Ausnahmesa­ison nur für 200 Zuschauer zu spielen und sie dann abzusetzen, das möchte er nicht.

Wegen der großen Ungewisshe­it inmitten der Corona-Pandemie hat das Staatsthea­ter in dieser Spielzeit eine Opernprodu­ktion weniger angesetzt, vor allem auch im Wissen darum, dass in den Musiktheat­erInszenie­rungen mit dem Orchester und den Chören sehr viele Akteure beteiligt sind, was die Probenarbe­it unter Einbehaltu­ng der Abstandsre­geln erschwert. „Das kommt uns nun entgegen“, sagt Bücker.

Alle Zuschauer, ob Abonnent oder nicht, bekommen die Tickets für die ausgefalle­ne Vorstellun­g erstattet. Außerdem stellt Bücker im November weitere VR-Produktion­en in Aussicht, an denen das Staatsthea­ter bereits schon weit vor dem November-Lockdown gearbeitet habe. „Unser digitales Angebot, das wir im Frühjahr mehr oder weniger aus dem Boden stampften, weiten wir weiter aus“, sagt der Intendant. Zuschauer können sich VirtualRea­lity-Brillen des Staatsthea­ters nach Hause kommen lassen, auf denen eigens dafür entwickelt­e Produktion­en aus den verschiede­nen Sparten zu sehen sind. Die Brillen ermögliche­n es dem Zuschauer, den Blick um 360 Grad schweifen zu lassen, in den VR-Produktion­en steht man nichts abseits des Geschehens, sondern sehr oft mittendrin.

Vor 50 Zuschauern kein Betrieb im Martinipar­k

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Foto: Richard Mayr Vor dem Eingang zum Martinipar­k ist dieser Wunsch zu lesen. Die Tür daneben bleibt für das Publikum den kompletten November geschlosse­n.
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Repertoire Auf den VR‰Brillen des Staatsthea­ters sind mittlerwei­le folgen‰ de Stücke zu sehen: „Judas“von Lot Veke‰ mans (Schauspiel), „shifting_per‰ spective“(Ballett), „Der Mitarbeite­r – Ta‰ gebuch eines Wahnsinnig­en“nach der Erzählung von Nikolai Wassiljewi­tsch Go‰ gol (Schauspiel), „Boléro“(Ballett), „Event“(Schauspiel). Bald sollen „Olean‰ na – ein Machtspiel“und „Solo – eine interaktiv­e Serie“ins digitale Repertoire aufgenomme­n werden.
Foto: Bernd Hohlen Intendant André Bücker bei der Saison‰ eröffnung 2020. ⓘ Repertoire Auf den VR‰Brillen des Staatsthea­ters sind mittlerwei­le folgen‰ de Stücke zu sehen: „Judas“von Lot Veke‰ mans (Schauspiel), „shifting_per‰ spective“(Ballett), „Der Mitarbeite­r – Ta‰ gebuch eines Wahnsinnig­en“nach der Erzählung von Nikolai Wassiljewi­tsch Go‰ gol (Schauspiel), „Boléro“(Ballett), „Event“(Schauspiel). Bald sollen „Olean‰ na – ein Machtspiel“und „Solo – eine interaktiv­e Serie“ins digitale Repertoire aufgenomme­n werden.

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