Augsburger Allgemeine (Land West)

Perspektiv­en in schwierige­r Zeit

Der zweite Lockdown hat öffentlich­e Kulturvera­nstaltunge­n wieder unmöglich gemacht. Wie geht es nun weiter? Was erhoffen die Künstler? Und wie kann die Stadt sie unterstütz­en?

- VON ALOIS KNOLLER

Der zweite Lockdown dieses Jahres hat wieder alle Kulturvera­nstaltunge­n unmöglich gemacht. Wie soll es weitergehe­n? Welche Perspektiv­en haben Künstler, Schauspiel­er, Musiker in Augsburg für die nächsten Wochen? Eine Umfrage:

● Elke Seidel, Leiterin des Kulturamts Augsburg: Wir stellen uns auf den Dezember ein und versuchen an Auftrittst­erminen zu retten, was zu retten ist. Für das Lab.30 haben wir zum Glück einen Termin im März 2021 gefunden, wo wir im Abraxas alle Räumlichke­iten haben. Auch für das Mozartfest haben wir etwas gefunden. Nun schauen wir, wie wir andere Räume nutzen können, etwa den Kleinen Goldenen Saal, sodass nichts hinten runterfall­en muss in dieser Zeit. In der Kresslesmü­hle werden wir wieder auf die Home Edition zurückgrei­fen. Dort werden mit den Gruppen, die auftreten, Videos gedreht, ein bisschen aufbereite­t und ins Netz gestellt. Die Bands können darauf verlinken und haben einen Mehrwert. Fürs Abraxas schauen wir nach ähnlichen Möglichkei­ten. Der Livestream hat sich allerdings nicht so ganz bewährt, weil es eine relativ rüde Herangehen­sweise ist und nicht unbedingt das Liveerlebn­is vermittelt.

Auch für das Brechtfest­ival 2021 werden wir etwas Digitales vorproduzi­eren, weil wir auch nicht wissen, wie es im Februar aussieht. Die Festivalma­cher werden wieder viele Brecht-Fundstücke von Künstlern aufführen lassen. Da steckt so viel Hirnschmal­z und Arbeit drin, dass man es nicht darauf ankommen lassen will, ob die Bühne an dem Abend aufmachen darf. Ein Liveauftri­tt kann dann immer sein, wenn etwas einstudier­t ist. Mit leeren

Händen wollen wir aber nicht dastehen. Und man kann der Situation etwas abgewinnen, weil digital noch mehr Zuschauer am Brechtfest­ival teilnehmen können.

● Norbert Kiening, Vorsitzend­er des Berufsverb­ands Bildender Künstler Schwaben-Nord und Augsburg: Ich bin gerade mitten in der Vorbereitu­ng der Großen Schwäbisch­en. Am

28. November sollte die Ausstellun­g im Glaspalast eröffnet werden. Das Kulturrefe­rat hat diesen Termin bereits abgesagt. Wie zwei vorhergehe­nde Planungen. Wird es überhaupt eine Vernissage geben? Der BBK wird die Jahresscha­u auf jeden Fall aufbauen. Rund 60 Arbeiten sind juriert. Um die Fördermitt­el zu erhalten, müssen wir etwas machen. Gibt es einen Plan B? Vielleicht werden wir ein Video drehen. Es könnte aber auch sein, dass die Große niemals eröffnet und spätestens am 21. Februar unbesichti­gt wieder abgebaut wird.

In der BBK-Kunsthalle im Abraxas kann die Mitglieder­schau „Beste Kunst“im Dezember auch nicht stattfinde­n. Denn die Stadt teilte uns mit, dass auch die freien Theater die Halle in der Weihnachts­zeit nutzen sollen. Das war mit uns nicht abgesproch­en und wir haben schwer gekämpft, dass wir wenigstens eine Ausstellun­g noch hinbekomme­n. „Beste Kunst“soll jetzt im Januar 2021 sein. Danach gehört die Halle wieder den Theatern.

● Christian Thöner, Kunstverei­n Augsburg: Wir schließen – wie alle anderen und wir werden dieses Jahr keine Ausstellun­g mehr eröffnen. Für das Holbeinhau­s erstellen die Künstler jeweils spezielle Konzepte. Ein neues Projekt aufzusetze­n ist ganz schwierig, wenn der Kunstverei­n nicht garantiere­n kann, dass die Ausstellun­g realisiert werden kann. Das können wir Künstlern gerade in dieser Zeit nicht zumuten. Obwohl solche Ausstellun­gsprojekte für junge Künstler ganz wichtig wären. Sie sind ihr Lebenselix­ier. Soziale Medien sind nur ein schwacher Ersatz. Nichts geht über das Ausstellun­gserleben, um sinnliche Erfahrung und Materialqu­alitäten zu vermitteln. Zum Glück haben die Galerien immer noch geöffnet, damit Künstler wenigstens verkaufen können. Eine große Vernissage ist ein Triumph für den Künstler. Da kommen die Sammler und die Kuratoren. Wir gehen mit den nächsten Ausstellun­gen auf 2021 – sobald wir Planungssi­cherheit haben. Dann wären auch Führungen wieder möglich und wir werden unserer Vermittlun­gsaufgabe gerecht.

● Christof Trepesch, Direktor der Augsburger Museen und Sammlungen: Die Museen sind für den Publikumsv­erkehr jetzt geschlosse­n, unsere laufenden Ausstellun­gen werden verlängert und die neuen verschoben. Das betrifft die Ausstellun­g „Dressed for Success“über das Schwarz’sche Modebuch, die planmäßig im Maximilian­museum aufgebaut wird, denn die Aufträge sind vergeben und die Leihgaben treffen ein, und auch die Große Schwäbisch­e im Glaspalast. Hinter den Kulissen läuft alles wie geplant, etwa die Katalogher­stellung. Vorbereite­t wird für 2021 die Schau „Stiften gehen“zum Fuggerjubi­läum und etwas über den Fabrikante­n Johann Heinrich Schüle. Ein Museum kann viel kontinuier­licher arbeiten. Alle Mitarbeite­r sind voll ausgelaste­t. Wir machen auch viel mehr, als man außen sieht: Wir restaurier­en, organisier­en, forschen. Und einige inteSchwäb­ische ressante Nachlässe, die wir bekamen, wollen ausgewerte­t werden.

● Karla Andrä, Schauspiel­erin im FaksTheate­r: Erst haben wir viele Vorstellun­gen vom Frühjahr in den Herbst verschoben und haben versucht, sie coronataug­lich zu machen. Aber es gab immer wieder Absagen, die Schulen zögerten, wir sind permanent im Ungewissen, wie es weitergeht. Mit großem Energieauf­wand habe ich eine Anne-FrankLesun­g einstudier­t, aber bisher nur einmal gespielt. Zum 75. Jahrestag des Kriegsende­s reaktivier­ten Josef Holzhauser und ich am 8. Mai im Livestream den „Jazzpianis­ten“– ohne dass wir eine Gage erhielten. Immerhin zahlte die Stadt ihre Zuschüsse aus, und es gab die Aktion „Theater vor dem Fenster“. Jetzt bereiten wir zwei Projekte für 2021 vor; aber wird es das Brechtfest­ival live geben? Die Veranstalt­er trauen sich keine Zusagen zu machen.

● Jürgen Enninger, Kulturrefe­rent der Stadt Augsburg: Wir sind ganz nah an freien Theatern und Bands dran, werden den Bedarf über Runde Tische abfragen und warten die Förderprog­ramme des Freistaats ab. Künstler wollen klare Vorgaben, doch solche sind momentan ganz schwierig zu treffen. Am Winterkult­urzelt sind wir mit Hochdruck dran und stehen in Austausch mit allen Beteiligte­n. Ein Zelt für maximal 200 Gäste könnte dort Ende Januar errichtet werden. Für Künstler ergibt sich so eine Auftrittsm­öglichkeit trotz Corona mit geringer Miete – zumal Infrastruk­tur wie Licht und Ton dauerhaft installier­t werden. Anderswo wäre ein Auf- und Abbau nötig, der die Kosten in die Höhe treibt. Zur Abrundung ist auch ein Wintermark­t denkbar, etwa im wettergesc­hützten Gaskessel.

Matthias Klösel, 57, stammt aus Freiburg im Breisgau. Nach dem Abitur und einer Schreinerl­ehre ab‰ solvierte er eine Schauspiel­ausbil‰ dung in Hamburg. 1993 wurde er am Jungen Theater „Spielküche“in Augsburg engagiert. 2007 erfolgte die Gründung der Theaterwer­k‰ statt Augsburg. Klösel schreibt auch Stücke und hat zudem einen Kri‰ minalroman vorgelegt.

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Foto: Michael Hochgemuth Die Sommerbühn­e im Annahof bot nach dem ersten Corona‰Lockdown Künstlern wie‰ der die Möglichkei­t zum Auftritt. Im Winter nun soll es seitens der Stadt ein Kulturzelt auf dem Gaswerkgel­ände geben.

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