Augsburger Allgemeine (Land West)
Kommt die Information bei allen Bürgern an?
Die Stadt sollte Einwanderer-Communities bei der Corona-Bekämpfung gezielter und direkter ansprechen, fordert der Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu. In einem Appell auf Facebook wendet er sich an Landsleute
Mit einem Weckruf auf Türkisch wandte sich in der Augsburger Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu diese Woche an Türkeistämmige. Eindringlich warnte er in einem öffentlichen Facebook-Post, ein Drittel der auf der Intensivstation Beatmeten seien Türkeistämmige. Die Pandemie müsse von allen ernst genommen werden. Gegenüber unserer Redaktion erklärte Bozoglu, die Angabe, ein Drittel der beatmeten Intensivpatienten sei türkeistämmig, sei keine amtlich bestätigte Zahl. Allerdings gebe es – anders als im Frühjahr – in seinem persönlichen Augsburger Umfeld vermehrt türkeistämmige Infizierte, Erkrankte und bisher auch zwei Menschen, die wegen der Schwere des Verlaufs auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Weitere Angehörige hätten ihm vor etwa drei Wochen ebenfalls berichtet, einige der zu dem Zeitpunkt 22 Intensivpatienten seien türkeistämmig.
Bozoglu weist darauf hin, dass viele Augsburger mit türkischer Biografie wegen der milderen Temperaturen die Herbstmonate nutzen, um in die alte Heimat zu reisen. Zwar sind bei der Rückreise Negativtests
vorgeschrieben. Doch Zweifel an der Qualität der Tests in der Türkei seien angebracht. In mehreren Fällen wurden Menschen, die zuvor dort vermeintlich negativ getestet worden waren, nach der Einreise in Deutschland erneut überprüft worden, dieses Mal positiv. Selbst das türkische Gesundheitsministerium gab im September zu, auf unzuverlässige Tests gesetzt zu haben. Hinzu komme, dass viele Hochzeiten, Hennanächte und Verlobungen vom Frühjahr auf Spätsommer und Herbst verschoben wurden. Auch dadurch steige das Infektionsrisiko für alle. „Es geht um unser Leben. Deswegen meine gezielte Warnung“, so Bozoglu.
Am 14. Oktober überschritt Augsburg den kritischen Schwellenwert von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner innerhalb von einer Woche (Inzidenzwert). Private Treffen wurden damals auf fünf Personen in geschlossenen Räumen beschränkt. Allerdings gab es der Dokumentation auf den Webseiten der Stadt Augsburg zufolge Ausnahmen: An Indoor-Hochzeiten, -Geburtstagen und anderen Feiern mit fixer Personenzahl durften bis zu 25 Gäste teilnehmen. Zuvor waren bei alltäglichen Treffen zehn, bei Feiern 50 Gäste in geschlossenen Räumen erlaubt.
Auf die Frage, ob die Stadt versuche, besondere Kommunikationskanäle für Einwanderer-Communities zu legen, betonen Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und Migrationsreferentin Martina Wild (Grüne), Kommunikation und Transparenz seien Voraussetzung, um Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. „Die Stadt informiert auf unterschiedlichsten Kanälen mehrsprachig“, erklärt Martina Wild. Tatsächlich sind die aktuellen Informationen
auf der Webseite der Stadt auf Englisch, Türkisch, Russisch, Arabisch, Französisch und Rumänisch zu finden. Jede Sprache hat eine eigene Unterseite, auf denen auch jeweils auf die App „Integreat“verwiesen wird, mit deren Entwicklern die Stadt Augsburg seit der Flüchtlingskrise zusammenarbeitet.
Informationsbriefe des Gesundheitsamts für Kitas und Schulen seien in sechs verschiedenen Sprachen ausgeteilt worden. Auch soziale Medien werden genutzt. Auf Facebook ist die Stadt aktiv, dort herrscht reger Verkehr. Es wird sichtbar moderiert, mitunter auch auf konkrete Fragen oder Kritik geantwortet. Die Stadt sagt, man führe auch „mehrsprachige Kampagnen“bei Facebook, Twitter und Instagram. Es handele sich um Werbetafeln mit Motivationssprüchen. Diese seien so optimiert, dass sie bei Facebook und Instagram eingeblendet werden, wenn der Nutzer Augsburger ist und eine dieser sechs Hauptsprachen spricht. Für andere sind die Tafeln nicht zu sehen.
Informelle Informationskanäle seien ebenfalls wichtig. „Die Ansprechpartnerin des Büros für gesellschaftliche Integration wird derzeit von Vereinsvertretungen gerne und intensiv kontaktiert, um Fragen bezüglich neuer Regelungen beantwortet zu bekommen“, so Migrationsreferentin Wild.
Cemal Bozoglu sieht die Bemühungen, doch hält er sie angesichts der großen Gefahr für noch nicht ausreichend. „Soziale Medien sind sehr hilfreich. Aber man sollte auch gezielt in türkischen oder auch russischen Supermärkten informieren.“Er selbst werde weiter warnen. „Es geht schließlich um unser Leben.“