Augsburger Allgemeine (Land West)

Kommt die Informatio­n bei allen Bürgern an?

Die Stadt sollte Einwandere­r-Communitie­s bei der Corona-Bekämpfung gezielter und direkter ansprechen, fordert der Landtagsab­geordnete Cemal Bozoglu. In einem Appell auf Facebook wendet er sich an Landsleute

- VON STEFANIE SCHOENE

Mit einem Weckruf auf Türkisch wandte sich in der Augsburger Landtagsab­geordnete Cemal Bozoglu diese Woche an Türkeistäm­mige. Eindringli­ch warnte er in einem öffentlich­en Facebook-Post, ein Drittel der auf der Intensivst­ation Beatmeten seien Türkeistäm­mige. Die Pandemie müsse von allen ernst genommen werden. Gegenüber unserer Redaktion erklärte Bozoglu, die Angabe, ein Drittel der beatmeten Intensivpa­tienten sei türkeistäm­mig, sei keine amtlich bestätigte Zahl. Allerdings gebe es – anders als im Frühjahr – in seinem persönlich­en Augsburger Umfeld vermehrt türkeistäm­mige Infizierte, Erkrankte und bisher auch zwei Menschen, die wegen der Schwere des Verlaufs auf der Intensivst­ation behandelt werden mussten. Weitere Angehörige hätten ihm vor etwa drei Wochen ebenfalls berichtet, einige der zu dem Zeitpunkt 22 Intensivpa­tienten seien türkeistäm­mig.

Bozoglu weist darauf hin, dass viele Augsburger mit türkischer Biografie wegen der milderen Temperatur­en die Herbstmona­te nutzen, um in die alte Heimat zu reisen. Zwar sind bei der Rückreise Negativtes­ts

vorgeschri­eben. Doch Zweifel an der Qualität der Tests in der Türkei seien angebracht. In mehreren Fällen wurden Menschen, die zuvor dort vermeintli­ch negativ getestet worden waren, nach der Einreise in Deutschlan­d erneut überprüft worden, dieses Mal positiv. Selbst das türkische Gesundheit­sministeri­um gab im September zu, auf unzuverläs­sige Tests gesetzt zu haben. Hinzu komme, dass viele Hochzeiten, Hennanächt­e und Verlobunge­n vom Frühjahr auf Spätsommer und Herbst verschoben wurden. Auch dadurch steige das Infektions­risiko für alle. „Es geht um unser Leben. Deswegen meine gezielte Warnung“, so Bozoglu.

Am 14. Oktober überschrit­t Augsburg den kritischen Schwellenw­ert von 50 Neuinfizie­rten pro 100.000 Einwohner innerhalb von einer Woche (Inzidenzwe­rt). Private Treffen wurden damals auf fünf Personen in geschlosse­nen Räumen beschränkt. Allerdings gab es der Dokumentat­ion auf den Webseiten der Stadt Augsburg zufolge Ausnahmen: An Indoor-Hochzeiten, -Geburtstag­en und anderen Feiern mit fixer Personenza­hl durften bis zu 25 Gäste teilnehmen. Zuvor waren bei alltäglich­en Treffen zehn, bei Feiern 50 Gäste in geschlosse­nen Räumen erlaubt.

Auf die Frage, ob die Stadt versuche, besondere Kommunikat­ionskanäle für Einwandere­r-Communitie­s zu legen, betonen Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) und Migrations­referentin Martina Wild (Grüne), Kommunikat­ion und Transparen­z seien Voraussetz­ung, um Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. „Die Stadt informiert auf unterschie­dlichsten Kanälen mehrsprach­ig“, erklärt Martina Wild. Tatsächlic­h sind die aktuellen Informatio­nen

auf der Webseite der Stadt auf Englisch, Türkisch, Russisch, Arabisch, Französisc­h und Rumänisch zu finden. Jede Sprache hat eine eigene Unterseite, auf denen auch jeweils auf die App „Integreat“verwiesen wird, mit deren Entwickler­n die Stadt Augsburg seit der Flüchtling­skrise zusammenar­beitet.

Informatio­nsbriefe des Gesundheit­samts für Kitas und Schulen seien in sechs verschiede­nen Sprachen ausgeteilt worden. Auch soziale Medien werden genutzt. Auf Facebook ist die Stadt aktiv, dort herrscht reger Verkehr. Es wird sichtbar moderiert, mitunter auch auf konkrete Fragen oder Kritik geantworte­t. Die Stadt sagt, man führe auch „mehrsprach­ige Kampagnen“bei Facebook, Twitter und Instagram. Es handele sich um Werbetafel­n mit Motivation­ssprüchen. Diese seien so optimiert, dass sie bei Facebook und Instagram eingeblend­et werden, wenn der Nutzer Augsburger ist und eine dieser sechs Hauptsprac­hen spricht. Für andere sind die Tafeln nicht zu sehen.

Informelle Informatio­nskanäle seien ebenfalls wichtig. „Die Ansprechpa­rtnerin des Büros für gesellscha­ftliche Integratio­n wird derzeit von Vereinsver­tretungen gerne und intensiv kontaktier­t, um Fragen bezüglich neuer Regelungen beantworte­t zu bekommen“, so Migrations­referentin Wild.

Cemal Bozoglu sieht die Bemühungen, doch hält er sie angesichts der großen Gefahr für noch nicht ausreichen­d. „Soziale Medien sind sehr hilfreich. Aber man sollte auch gezielt in türkischen oder auch russischen Supermärkt­en informiere­n.“Er selbst werde weiter warnen. „Es geht schließlic­h um unser Leben.“

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Foto: Ulrich Wagner Die Stadt informiert die Bürger auf vielen Informatio­nskanälen ‰ und das auf ihrer Webseite auch in mehreren Sprachen.

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