Augsburger Allgemeine (Land West)

US‰Wahl: Banger Blick in die alte Heimat

US-Amerikaner, die nun in Augsburg leben, verfolgen den Wahlkrimi mit Distanz. Immer wieder müssen sie deutschen Freunden erklären, was „drüben“gerade passiert. Doch oft verstehen sie es selbst nicht

- VON BERND HOHLEN

Die Wahl in Amerika ist vorbei, aber wer der nächste Präsident wird, steht noch nicht fest. Auch viele Amerikaner aus Augsburg nimmt diese Ungewisshe­it mit. Jeb Stewart erreichen wir in Brunswick im Bundesstaa­t Georgia. Er wird erst am Sonntag wieder bei seiner Frau in Augsburg sein. Stewart ist Republikan­er und sagt: „Die Welt braucht Trump“. Er nennt dafür viele Gründe. „Er macht das Richtige zum Wohl für das Volk und er verkauft sich nicht an kommunisti­sche Länder, wie das Joe Biden und sein Sohn Hunter Biden machen.“

Ein anderer Wähler aus Augsburg, der sich noch in Florida aufhält und dort gewählt hat, möchte nicht mit Namen genannt werden. Seine Frau erklärt, warum: „Er weiß, wie konsequent Trump in Deutschlan­d abgelehnt wird und möchte keine Nachteile dadurch haben“. Ihr Mann wähle aus FamilienTr­adition die Republikan­er. Er sagt klar: „Wir wollen keinen Sozialismu­s“.

„Das ist das Narrativ, das Trump immer wieder bedient“, erklärt Geeta Abad. Sie gehört zu Democrats abroad in Augsburg, jener Gruppe von ehrenamtli­chen Helfern der Demokraten, die seit den Vorwahlen in der Stadt und Umgebung lebenden Amerikaner­n auffordert­en, zu wählen. Mit Erfolg, wie sich vielleicht noch zeigen wird. Die Musikerin bei den Augsburger Philharmon­ikern ist eine von vier weiteren aus dieser Helfergrup­pe, die sich mit unserer Redaktion bei einer corona-bedingten Internet-Konferenz zum Gespräch versammelt haben.

Die Stimmung am Freitag wird bei den Demokraten nach dem ersten „Wahlkater“langsam besser. Den Republikan­ern hilft ihr ausgeprägt­er Pragmatism­us, weiter an einen Sieg zu glauben. Die Chancen sind ja noch da. Sorgen bereitet ihnen aber Wisconsin, der Staat ist bereits verloren. Die Zünglein an der Waage sind nun Nevada und Georgia. Ausgerechn­et Georgia, der Staat aus dem Jeb Stewart am Sonntag nach Augsburg reisen wird und der zuletzt 1992 Demokraten gewählt hat. Jonah Otto zeigt auf dem Monitor eine neue Grafik. „In

Georgia liegen Joe Biden und Donald Trump nun gleich auf mit 49,4 Prozent. „Jetzt zeigt sich, dass sich unsere Arbeit hier in Augsburg, Deutschlan­d und anderswo auszahlt. Die Mail-Voters und Briefwähle­r aus Übersee werden zum Schluss ausgezählt und man sieht, wie Joe Biden allmählich aufholt. Ich bin richtig stolz auf unsere Arbeit, Leute“, sagt René Correa in die Runde.

Dabei war er am Morgen des 4. November noch geschockt über den Stand der Dinge, als Trump führte und sich bereits zum Wahlsieger kürte. „So etwas zu machen, grenzt für mich an Landesverr­at“, sagt der Musiker mit amerikanis­chem Pass, der seit 40 Jahren bei den Augsburger Philharmon­ikern spielt. Jane Berger, ebenfalls seit 38 Jahren bei den Philharmon­ikern, ist in Kalifornie­n geboren, sie sagt: „Jonah hat uns immer aufgericht­et, wenn wir wieder einmal völlig frustriert waren. Er hat einen kühlen Kopf behalten und mit Statistike­n seine positive Meinung gestützt.“

James Wittevrong­el, Rentner aus Arizona, der in Augsburg lebt, hat in Maricopa County in Arizona gewählt. Der Bezirk gehört zu den Städten Phoenix und Sun City. Jene Stadt der wohlhabend­en Rentner, die über Arizona hinaus weltbekann­t ist. „Hier ist alles sehr konservati­v geprägt. Momentan liegt aber Biden mit 51 Prozent vorn. Das ist der demografis­che Wandel“, sagt Wittevrong­el und Geeta Abad prognostiz­iert diesen Wandel für die Zukunft auch für Texas und Carolina. Im Bundesstaa­t Georgia wird sichtbar, was sich in anderen Staaten bereits ankündigte. „Das war unsere Strategie, Amerikaner, die außerhalb der Staaten leben, möglichst in Staaten ihre Stimme abzugeben, die als Swing States gelten oder sich demografis­ch wandeln. Das Rezept geht auf“, sagt Correa.

Jonah Otto, der an der Universitä­t in Augsburg über internatio­nale Zusammenar­beit von Universitä­ten promoviert, weist zum besseren Verständni­s, warum doch viele Trump wählen, auf das amerikanis­che Zweipartei­en-System hin, das keine Grautöne bei der Wählerstim­me zulässt. „Wenn ich für die Umwelt bin in Deutschlan­d, kann ich die Grünen wählen oder die ÖDP“, sagt er. Jane Berger spitzt das Thema zu und beschreibt damit ein Wahl-Dilemma: „Für Evangelika­le ist das Abtreibung­sthema das Wichtigste. Trump ist gegen Abtreibung. Biden wohl nicht. Sie werden für Trump stimmen und alles, wirklich alles andere werden sie ausblenden.“Die Wahl ist zwar gelaufen, aber nicht entschiede­n. Geeta Abad mahnt zur Geduld: „Das wird uns noch ein paar Wochen auf Trab halten. Ich hoffe nicht, Monate“.

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Foto: Bernd Hohlen US‰Amerikaner aus Augsburg beobachten gespannt, was in ihrer Heimat geschieht.

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