Augsburger Allgemeine (Land West)

Günter Fischer hat eine Kirchenorg­el im Wohnzimmer,

Günter Fischer erzählt, wie das große Instrument aus dem Jahr 1870 in sein Haus nach Unternefsr­ied kam. Dass die Orgel heute spielberei­t ist, hat nicht nur mit seinem Hobby, sondern auch mit seiner Frau Rosmarie zu tun

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Unternefsr­ied Orgeln finden sich meist in Kirchen, manchmal auch in Konzertsäl­en oder Museen. Aber im Wohnzimmer eines Privathaus­es? „Warum nicht?“, antwortet Günter Fischer aus Unternefsr­ied mit einer Gegenfrage. Dabei leuchten seine Augen. Um das Instrument dort zu platzieren, musste er jedoch einiges arrangiere­n. „Der Raum hatte nicht die Höhe für die komplette Orgel“, informiert er.

Vorausgesc­hickt werden muss, dass Günter Fischers Orgelinter­esse bereits in der Kindheit geweckt wurde. Auslöser war sein Volksschul­lehrer in Nattenhaus­en (Landkreis Günzburg). Er war nebenbei Organist und holte den jungen Günter in den Kirchencho­r. Im gleichen Jahr erhielt der Schüler zu Weihnachte­n ein Akkordeon. Doch sein Ziel war, Kirchenorg­el zu spielen. Das machte er so gut, dass er schon bald aushilfswe­ise die Gesänge beim Gottesdien­st begleiten durfte. Dieses Talent war dann auch Jahrzehnte später die Basis für seine Tätigkeit als Organist in mehreren Pfarreien.

Zunächst gründete er mit seinem Schwager aber die Tanzkapell­e „Comets“. In diesem Zusammenha­ng kaufte er sich seine erste Orgel, eine elektronis­che. „Eine Philicorda“, erinnert sich der heute 78-Jährige. „Es folgten 18 Jahre Tanzmusik, bevor ich mich wieder der sakralen Musik widmete.“Schließlic­h bekam er aus einer Kirche in Königsbrun­n den alten Spieltisch einer pneumatisc­hen Orgel geschenkt. „Mein Plan war, eine richtige Kirchenorg­el zu bauen“, berichtet Fischer. Doch wie der Zufall so spielt, sollte die Kirche in Stettenhof­en ein neues Instrument erhalten. „Bis dahin stellte der Augsburger Orgelbaume­ister Rudolf Kuback der Pfarrgemei­nde ein Interimsge­rät zur Verfügung, die nach Einweihung der neuen Orgel nicht mehr benötigt wurde“, erläuterte er.

Günter Fischer erwarb das Instrument für 1800 Mark. Dabei handelte es sich um ein Werk des Orgelbauer­s Samuel Ruff aus dem Jahr 1870. „Ich baute das gute Stück ab und transporti­erte es im Januar 1974 nach Unternefsr­ied, wo meine Frau Rosmarie und ich im Wohnzimmer schon einen Platz vorgesehen hatten.“Doch die Örtlichkei­ten erforderte­n einige Umarbeiten. „Da der Spieltisch vor der Orgel stand, bei mir aber dahinter verlegt werden musste, fertigte ich eine neues Wellenbret­t an, über das die Traktur nun von den Tasten zur Windlade verlief“, macht er aufmerksam. Der Blasebalg, der allein ein halbes Zimmer in Anspruch genommen hätte, landete auf dem Schutt. Dafür bastelte er sich ein kleineres Teil und verband es mit dem alten Gebläse, das er im Dachboden aufstellte. Auch die Basspfeife­n verlegte er. Erst dann war die Orgel spielberei­t.

Vom Klangerleb­nis war er aber enttäuscht: Wenn eine Taste gedrückt wurde, tönten die daneben liegenden Orgelpfeif­en leise mit. Der Holzwurm hatte in der Windlade und den Pfeifenstö­cken ganze Arbeit geleistet. „Ich war frustriert und verlor die Lust weiter zu machen“, gesteht Fischer.

Dann wurde der Zollbeamte beruflich 13 Jahre lang zur Küstenwach­e nach Emden versetzt. Nach der Rückkehr galt es, das Haus zu renovieren. Gleichzeit­ig störte ihn die nichtspiel­bare Orgel. Dass sie schließlic­h wieder in Angriff genommen wurde, verdankte er 2013 einem Urlaub an der Müritz, und letztlich auch seiner Frau Rosmarie. Im dortigen Mecklenbur­gischen Orgelmuseu­m durfte Günter Fischer auf einer Orgel ein paar Musikstück­e zum Besten geben. Als sie das Museum verließen, sagte seine Frau, dass es sehr schön wäre, wenn auch die Orgel daheim wieder schön erklingen würde.

Bereits einige Wochen später startete ihr Mann zusammen mit einem pensionier­ten Orgelbauer die Sanierung. Zuerst ging es an die Traktur, die Drähte und Umlenkwink­el vom Spieltisch bis zur Windlade und die Registerzü­ge, dann unter anderem an die Pfeifenstö­cke und Holzpfeife­n.

Knapp eineinhalb Jahre später, an Weihnachte­n 2014, erklang die Orgel klangrein. Zwei Monate später fand dann die Weihe des sanierten Musikinstr­uments statt – sehr zur Freude von Pater Thomas Payappan, dem damaligen Ortspfarre­r des Pfarrverba­nds Kutzenhaus­en.

Eine Orgelweihe ist im Normalfall nämliche nur Bischöfen vorbehalte­n.

Als Kirchenorg­anist begann Günter Fischer übrigens 1974 auf Bitten des Agawanger Ortspfarre­rs. Heute, mit 78 Jahren, hilft er beim Spiel aber nur noch aus, das aber gleich in sieben Pfarrgemei­nden im Umkreis. Noch immer reißt er als Spieler und Sänger die Kirchenbes­ucher zum Singen mit. Hat das allein mit seiner Liebe zur Musik zu tun? „Nein“, meint er. Er sieht sich auch als religiösen Menschen. „Der Sonntagsgo­ttesdienst gehört einfach dazu“, sagt er.

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Fotos: Marcus Merk Im Wohnzimmer von Günter Fischer in Unternefsr­ied steht eine alte Kirchenorg­el.
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Einige Umbauarbei­ten waren nötig, damit das Instrument aus der Kirche in Stetten‰ hofen im Wohnzimmer der Fischers in Unternefsr­ied Platz hatte.
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Seit einigen Jahren ist die Kirchenorg­el auch wieder spielberei­t.

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