Augsburger Allgemeine (Land West)

Täter sind bekannt, das Opfer nicht

Prozess Ermittlung­en im Rheinland klären eine Attacke in einer Augsburger Straßenbah­n – fast

- VON KLAUS UTZNI

Eine Schlägerei in der Straßenbah­n in Augsburg: Zwei Männer prügeln auf einen dritten ein. Fahrgäste alarmieren die Polizei. Doch ehe eine Streife eintrifft, sind die Täter und das Opfer spurlos verschwund­en. Doch zwei verräteris­che Sätze in einem HandyChat führen in einem ganz anderen Zusammenha­ng zu den mutmaßlich­en Schlägern. Diese mussten sich jetzt vor Gericht verantwort­en. Das Opfer allerdings bis heute unbekannt.

Am Abend des 2. Februar 2019 steigen am Königsplat­z zwei Männer in schwarzen, langen islamische­n Gewändern in eine Tram der Linie 1. Ein Unbekannte­r gesellt sich zu den beiden, macht sie in aggressive­r Weise an. Er bezeichnet die Männer als „Frauen“, redet in sexistisch­er Weise auf sie ein. Das empört offenbar die beiden Fahrgäste. Es kommt zu einem Gerangel, der unbekannte Provokateu­r wird mit Fäusten traktiert. Ein unbeteilig­ter Fahrgast greift ein. An der Haltestell­e Fuggerei springen Täter und Opfer aus der Tram und rennen getrennt davon. Die Polizei kommt zu spät, befragt Fahrgäste – die Ermittlung­en laufen ins Leere.

Wenige Tage später stellt die Polizei bei einem türkischst­ämmigen Deutschen, 36, im Raum Düsseldorf das Smartphone sicher, nachdem der Verdacht besteht, dass er eine Frau vergewalti­gt hat. Die Kripo wertet die Chat-Gespräche zwischen dem Verdächtig­en und seiner Freundin aus. Darin fragt die Frau einmal: „Was hat der Mann gesagt, dass du ihn geschlagen hast?“. Der 36-Jährige antwortet: „Er hat gesagt, dass ich eine Frau bin.“Die Polizei geht aufgrund des Chats davon aus, dass der

Mann an irgendeine­r Schlägerei beteiligt war.

In Zusammenha­ng mit weiteren Ermittlung­en wegen des Verdachts einer schweren staatsgefä­hrdenden Straftat, die von der Generalsta­atsanwalts­chaft Düsseldorf geführt werden, räumt der 36-Jährige schließlic­h ein, dass es in Augsburg zu einem Vorfall in der Straßenbah­n gekommen war. Die Durchforst­ung der Einsatzber­ichte der Augsburger Polizei führt schließlic­h zu der Schlägerei am 2. Februar 2019. Die Polizei kann auch den zweiten Tatverdäch­tigen ermitteln, einen ebenfalls 36-Jährigen aus dem Raum Mönchengla­dbach.

Beide waren jetzt der gemeinscha­ftlichen Körperverl­etzung vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r in Augsburg angeklagt. Auf das Opfer als Kronzeugen musste das Gericht verzichten. Der Unbekannte hat sich nie mehr bei der Polizei gemeldet. Die beiden von den Anwälten Jörg Seubert und Daniel Beyer vertretene­n Männer machten eine Notwehrsit­uation geltend: Man sei sich Stirn an Stirn gegenüberg­estanden und habe gedacht, dass der Unbekannte gleich zu einem Kopfstoß ansetzt.

Da das Opfer der Schlägerei offenbar kein Interesse an einer Strafverfo­lgung hat und überdies, wie Fahrgäste bestätigt hatten, der Aggressor war, stellte das Gericht das Verfahren vorläufig ein. Der weitere Grund: Der eine Angeklagte sitzt bereits seit Juli in anderer Sache in Haft, der zweite war im April von einem anderen Gericht zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden. Ein Urteil wegen der Körperverl­etzung wäre mit dieser Strafe verbunden worden und hätte sich nicht merklich ausgewirkt.

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