Augsburger Allgemeine (Land West)
Den Gersthofer Martinsweg gibt’s per Smartphone
Brauchtum Martinsumzüge sind hierzulande eine gerne gepflegte Tradition. Weil es heuer aber nicht möglich ist, dass sich viele Familien versammeln, hat dies Mitglieder der Pfarreiengemeinschaft Gersthofen auf eine Idee gebracht
Gersthofen Der Martinstag wird alljährlich am 11. November in unserer Gegend sehr gerne gefeiert. „Dass wir heuer nicht wie gewohnt Sankt Martin feiern können, war uns schon vor ein bis zwei Monaten klar“, bedauert Pastoralassistentin Julia Winter von der Pfarreiengemeinschaft Gersthofen. „Wir haben dann gemeinsam überlegt, ob wir einen Martinsweg mit Stationen machen und dort verkleidet stehen. Aber das geht aufgrund der Hygieneschutzmaßnahmen auch nicht.“Allerdings müsse und möchte die Kirche präsent sein.
Mit einem Abenteuer-Hörspiel können Familien nicht nur am Martinstag, sondern bis zum ersten Advent, den Gersthofer Martinsweg selbst gehen. Der originelle Name des Hörspiels lautet: „Code-Name: Martin – Der Martinsweg in Gersthofen“. „Das Einzige, was man dazu braucht, um die Geschichte an den verschiedenen Stationen anhören zu können, ist ein Smartphone und eine QR-Code-App“, erklärt Winter. „Man muss sich weder einloggen noch anmelden. Es ist ein sehr niederschwelliges Angebot.“
Christine Wunderle vom Familienpastoral, die beim Hörspiel eine reiche Römerin spricht, berichtet:
„Es war schon ein Diskussionspunkt, ob wir das mit den Handys machen, da sie ja Fluch und Segen sind. Aber es ist die einzige Möglichkeit, dass wir die Menschen coronakonform erreichen.“Diese einzigartige Idee stammt vom Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, Christian Meixner. „Ich bin einfach ein Hörspielfan, und Kinder lieben Hörspiele ebenso. Da habe ich leichtsinnigerweise gesagt, dass ich einen Text dafür entwickle“, lacht Meixner. Ein 17-seitiges Manuskript hat er geschrieben, darin ist auch eine Mini-Version für kleinere Kinder enthalten.
Florian Wahl, elf Jahre, spricht den jungen Martin. „Die Geschichte ist cool und mal ein bisschen etwas anderes“, sagt er. Ronja Kremer, zehn Jahre, verleiht der Freundin des Jünglings ihre Stimme und ist begeistert: „Die Idee mit dem Handy ist toll und auch, dass es mal eine ganz neue Geschichte gibt.“
Das Einspielen der Texte war nicht so einfach wie gedacht. Denn auch hier machte Corona einen Strich durch die Rechnung. „Ursprünglich wollten wir das Stück spielen und gleichzeitig aufnehmen. Nun kommen die Sprecher einzeln, lesen ihre Textpassagen und der Tontechniker muss alles zusammenschneiden“, erklärt Winter.
Christian Meixner gibt den Bettler und Kirchenmusiker Bernhard Biberacher den Martin. „Insgesamt dürfte das Hörspiel eine knappe halbe Stunde dauern“, spekuliert Meixner. „Die erste Station wird am Pfarrzentrum sein, und von dort aus erfährt man die nächste Station. „Ein Teil der Geschichte spielt sogar auf unserem Via-Claudia-Weg, der römischen Straße“, verrät Meixner. „Wir wollen den Familien einen Laternenumzug ermöglichen. Jede Familie kann dann gehen, wenn sie Zeit hat.“So sei das Ganze entzerrt, und man könne doch ein Stück weit an der Tradition festhalten. Familien mit kleineren Kindern können einen kürzeren Weg gehen, der im Prinzip einmal um den Friedhof führt. Die Großen laufen bis zur Berliner Straße und dann zurück über das Feuerwehrhaus zur Kirche St. Jakobus.
Für die Tontechnik haben sie einen echten Profi an Land gezogen. Roland Kügle ist Diplom Audio Engineer, arbeitet beim Bayerischen Rundfunk und ist nebenbei freiberuflich tätig. „Wir brauchen einen ganzen Abend zum Einspielen der Texte. Nach jedem Sprecher muss die Folie neu um das Mikrophon gewickelt und alles desinfiziert werden.“Das sei schon ein großer Aufwand. Dennoch ist Kügle mit Freude
dabei: „Ich finde es super, wenn ich etwas für die Kirche machen darf und der Martinsumzug für die Kinder nicht ganz ausfällt.“In seinem Studio wird er dem Hörspiel einen Live-Charakter verleihen und in verschiedene Szenen Geräusche einbauen.
Philipp Kremer, der Vater von Ronja, ist absolut angetan von dem Projekt: „Die Aktion finde ich sehr gut. Eigentlich könnte man die Aufnahmen deutschlandweit verwenden, und das Hörspiel könnte viral gehen.“In der Tat hat es sich schon herumgesprochen, dass die Pfarreiengemeinschaft Gersthofen da was am Laufen hat.
„Wir arbeiten unser Sankt-Martins-Projekt immer weiter aus und bekommen schon viele Anfragen von anderen Pfarreien und Gruppen“, erzählt Julia Winter. Daher hat die Gemeinde einen eigenen Link für das Fachpublikum wie Kindergärten, Schulen, Gemeinden und Kirchen eingerichtet. Dort können sich diese Manuskript und Audiodateien herunterladen und bekommen eine Kurzanleitung, wie sie das Martinshörspiel bei sich vor Ort umsetzen können.
» Im Internet Den Plan und die Anleitung zum Hörspiel gibt es unter www.pggersthofen.de/martin2020/