Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum es die Torhüter immer schwerer haben

Fußball In der Bundesliga gab es nach sieben Spieltagen bereits 30 Elfmeter, so viele wie noch nie. 28 davon verwandelt­en die Schützen. Woran das liegt und was FCA-Trainer Heiko Herrlich über den Videobewei­s denkt

- VON MARCO SCHEINHOF

Rafal Gikiewicz war chancenlos. Wie so viele Torhüter in dieser Saison. Nach sieben Spieltagen gab es in der Fußball-Bundesliga bereits 30 Elfmeter, ein Rekordwert zu einem solch frühen Zeitpunkt in einer Runde. Bis dahin lag der Höchstwert bei 25 Strafstöße­n im gleichen Zeitraum aus der Saison 1985/86. Auffallend dabei: 28-mal setzten sich nun die Schützen durch. So wie auch Herthas Cunha am Samstag beim 3:0-Erfolg in Augsburg gegen Gikiewicz. Das aber liegt nicht an nun schwächere­n Torhütern oder wesentlich sichereren Schützen. Die Regeln erschweren das Abwehren von Bällen.

Die Torhüter müssen mit mindestens einem Bein auf der Torlinie bleiben, solange der Ball noch nicht gespielt ist. Sie haben also nicht die Möglichkei­t, frühzeitig den Winkel für sich besser zu gestalten, indem sie ein wenig nach vorne agieren. „Das macht es noch einmal schwierige­r für sie“, sagt Heiko Herrlich. Und: „Der Torwart muss einen Tick vorher spekuliere­n, um überhaupt eine Chance zu haben, an den Ball zu kommen, wenn der präzise und scharf geschossen wird.“Mittlerwei­le wird genau darauf geschaut, dass sich die Torhüter an die Regel halten und sich nicht zu früh nach vorne bewegen. Sonst muss der

Strafstoß wiederholt werden. Hinzu kommt, dass die Stürmer dem Beispiel Robert Lewandowsk­is folgend immer häufiger den Anlauf verzögern. Meist gerade noch im Rahmen des Erlaubten, wobei hier natürlich viel im Ermessenss­pielraum des

Schiedsric­hters liegt. „Wie will man das auch bestimmen? Sonst müsste man irgendwann das Tempo kontrollie­ren, das der Spieler zu Anfang hat. Und wenn das zu einem bestimmten Prozentsat­z unterschri­tten wird, zählt das Tor nicht“, sagt der Trainer des FC Augsburg. Soll heißen: Das Verzögern wird auch künftig ein großer Vorteil der Elfmetersc­hützen sein – zum Leidwesen der Torhüter.

Die Flut an Elfmetern liegt wohl auch am verstärkte­n Eingreifen der Videoschie­dsrichter. Am vergangene­n Spieltag hatte es in acht von neun Stadien Strafstöße gegeben, in der Summe waren es zehn. Doch trotz des Videoschie­dsrichters waren nicht alle unumstritt­en. So ärgerte sich zum Beispiel Freiburgs Trainer Christian Streich über eine Entscheidu­ng gegen seine Mannschaft beim Spiel in Leipzig. „Ich dachte immer, es muss ein Foul geben. Heutzutage heißt es Kontakt“, sagte Streich. Auch beim FC Schalke ärgerte man sich über mehrere Situatione­n im Spiel in Mainz. Als es zunächst Strafstoß gegen die Mannschaft von Manuel Baum gab, während in der Schlusspha­se ein möglicher Elfmeter für Schalke nicht gepfiffen wurde. Die Diskussion­en bleiben also trotz Videoschie­dsrichter nicht aus. Vor allem, was das Thema Handspiel betrifft. „Das wird uns noch eine ganze Weile beschäftig­en“, ist sich Heiko Herrlich sicher. Er nannte ein Beispiel vom vergangene­n Samstag. Da war sein Spieler Robert Gumny aus ganz kurzer Distanz angeschoss­en worden, der Ball klatschte gegen die Hand. Es gab Freistoß für Berlin aus gefährlich­er Position. „Früher wäre da weitergesp­ielt worden“, ist sich der FCA-Trainer sicher. In Leverkusen sprang der Ball Raphael Framberger nach einem Eckball an die Hand, es gab Strafstoß für Bayer. „Das sind Entscheidu­ngen, bei denen ich schlucken muss. Man blickt einfach auch manchmal nicht mehr durch, was nun richtig oder falsch ist“, sagte Herrlich. So wie ihm geht es vielen. Dennoch ist der Augsburger Trainer zumindest mit der Entwicklun­g des Videobewei­ses zufrieden. „Der Videobewei­s hat sich verbessert, die Entscheidu­ngen werden klarer“, sagte Herrlich.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Rafal Gikiewicz muss den Ball passieren lassen. Beim Elfmeter von Herthas Cunha am Samstag hatte er sich für die falsche Ecke entschiede­n.

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