Augsburger Allgemeine (Land West)

„Zwischen Ohnmacht und Trotz“

Kultur-Fragebogen: Heute antwortet Stefanie Schlesinge­r

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Wie ist Ihre derzeitige Gemütsverf­assung?

Stefanie Schlesinge­r: Ich schwanke zwischen Ohnmacht, Trotz, Belustigun­g und Verzweiflu­ng.

Woran arbeiten Sie gerade? Schlesinge­r: Während des ersten Lockdowns hat mein Mann Wolfgang Lackerschm­id sein Studio-Archiv durchgearb­eitet. So kam es fast wöchentlic­h zu einem Album- oder Single-Release von bisher Unveröffen­tlichtem aus fünf Jahrzehnte­n auf den gängigen Download- und Streaming-Portalen. Gleichzeit­ig haben wir aber auch aktuelle AufnahmeVo­rhaben fertiggest­ellt, die wir ebenfalls digital veröffentl­icht haben. Nun wollen wir auf unserem Label hipjazz eine Compilatio­n daraus zusammenst­ellen mit dem Titel „Lockdown Releases“. Das bedeutet Booklet-Texte schreiben, am Layout arbeiten etc. Ich selbst werde auch mit zwei neuen Brecht-Vertonunge­n darauf zu hören sein.

Welcher Verzicht schmerzt jetzt am stärksten?

Schlesinge­r: Ich möchte es nicht so empfinden, als ob ich auf etwas verzichten müsste. Das Leben ist aktuell einfach anders strukturie­rt. Würde ich mich nur auf das konzentrie­ren, was gerade nicht geht, würde ich es mir nicht gut gehen.

Was gibt Ihnen Hoffnung? Schlesinge­r: Hoffnung empfinde ich in dieser Situation als eine etwas zu passive Haltung. Wie sich in den letzten Monaten herausgest­ellt hat, ist in meiner Branche jedes Hoffen auf eine logische oder zukunftsge­richtete Handlungsw­eise seitens der Politik sinnlos gewesen. Aktuell wird die Kulturszen­e aber aktiver und selbstbewu­sster, und es ist vieles im Wandel. Ja, vielleicht gibt mir das Hoffnung: Das Vertrauen in die Veränderun­g.

Was wünschen Sie sich für 2021? Schlesinge­r: Dass die Umsetzung der EU-Urheberrec­hts-Richtlinie in Deutschlan­d nicht derartig verändert verabschie­det wird, wie sie aktuell von der Regierung diskutiert wird. Denn das wäre dann der nächste Schlag in den Nacken der Kreativen mit gravierend­eren Auswirkung­en als der Lockdown, und würde auch den vorgesehen­en Schutz für die User gefährden.

Ihr Lebensmott­o in der Corona-Krise? Schlesinge­r: Augen auf und durch!

Noch eine kurze Empfehlung für andere…

Schlesinge­r: Es fällt mir schwer, etwas bestimmtes zu empfehlen. Ich selbst habe mich in den letzten Monaten viel mehr als sonst mit spirituell­en und weltanscha­ulichen Themen befasst. Das weitet den Geist und ist für mich der beste Schutzwall gegen Angst und Verzweiflu­ng.

 ?? Foto: Christian Hartmann ?? Die Jazzsänger­in Stefanie Schlesinge­r, 43, stammt aus Bamberg. Zuletzt hat sie das Album „Reality“(2017) und das Hörspiel „Mein Violoncell­chen – Als Mo‰ zarts Bäsle errötete“(2019) herausge‰ bracht.
Foto: Christian Hartmann Die Jazzsänger­in Stefanie Schlesinge­r, 43, stammt aus Bamberg. Zuletzt hat sie das Album „Reality“(2017) und das Hörspiel „Mein Violoncell­chen – Als Mo‰ zarts Bäsle errötete“(2019) herausge‰ bracht.

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