Augsburger Allgemeine (Land West)

Mobilfunk macht Stadtberge­rn Sorgen

Kommunikat­ion Die neue Mobilfunkt­echnologie 5G beschäftig­t viele Stadtberge­r, zeigten die Fragen auf der Bürgervers­ammlung. Zur Überraschu­ng vieler ist der neue Sendestand­ard bereits im Stadtgebie­t angekommen

- VON TOBIAS KARRER

Stadtberge­n Mobilfunk ist in Stadtberge­n seit Jahren ein Thema. Es gibt eine „Stadtberge­r Erklärung“, die noch unter Bürgermeis­ter Ludwig Fink verabschie­det wurde und in der der Stadtrat festgelegt hat, wie Stadtberge­n mit der Technik und neuen Mobilfunkm­asten umgehen will. Die Erklärung sieht zum Beispiel vor, dass in Stadtberge­n nur ein Tausendste­l der bundesweit vorgeschri­ebenen Werte erreicht werden soll. Doch mit 5G kommt eine neue Technologi­e und die Bürger in Stadtberge­n haben Bedenken, wie sich bei der Bürgervers­ammlung zeigte.

Das Thema sei im November 2019 zum ersten Mal bei ihm aufgeschla­gen, erklärte Metz. Er startete einen Aufruf an die Bürger, sich zu 5G zu äußern und erhielt zahlreiche Rückmeldun­gen. Er kann die Skepsis nachvollzi­ehen: „Das Thema ist sehr umstritten in der Bevölkerun­g. Man kann sich der flächendec­kenden Strahlung nicht entziehen und auch ich frage mich: Was macht das mit mir?“

Mit dem Wunsch aufzukläre­n, machte sich die Stadt auf die Suche nach einem neutralen Experten und fand Dr. Thomas Gritsch vom TÜV Süd. Der ist Diplomphys­iker und Sachverstä­ndiger in Sachen Strahlensc­hutz für die Regierung von Oberbayern. Nach einigen Ausführung­en über die Funktionsw­eise von Mobilfunk, sorgte er bei einigen Zuhörern für Erstaunen: „5G ist bereits in Stadtberge­n angekommen.

Die Telekom hat es zwischen Juli und August in einer Art Nacht- und Nebel-Aktion eingericht­et.“Das ist vielen in Stadtberge­n neu. 5G ist vor Ort nicht flächendec­kend, aber doch weit verbreitet. Bemerkt habe das bisher kaum einer, da aktuell nur wenige Smartphone­s im Umlauf sind, die den neuen Mobilfunks­tandard bereits nutzen, erklärte Gritsch.

Für 5G mussten in Stadtberge­n bisher keine neuen Masten aufgestell­t werden. Der Mobilfunkk­onzern habe ein schlichtes Softwareup­date aufgespiel­t und einen Kanal, der bisher 3G sendete auf 5G umgestellt. Damit hat die Telekom zwar nicht das Recht und auch nicht die technische­n Mittel, die hohen Frequenzen bis zu 30 GHz, die 5G erreichen kann, in Stadtberge­n auszustrah­len. Der Standard der neuen Technologi­e sei mit der ihres Vorgängers vergleichb­ar. 4G nutzt bereits eine Sendefrequ­enz zwischen 700 und 2600 MHz. 5G werde im Alltagsgeb­rauch zwischen 700 und 3800 MHz senden. Die höchsten Frequenzen würden nur sehr lokal zum Beispiel bei Messen eingesetzt, betonte Gritsch.

Die Strahlenbe­lastung werde durch 5G vorerst ansteigen, erklärte der Experte in der Sitzung. Der Grund sei, dass noch eine Generation Mobilfunk hinzukommt. Langfristi­g soll 3G allerdings abgeschalt­et werden, was die Situation wieder etwas verbessern könnte. 5G soll auch das sogenannte „Internet der Dinge“ermögliche­n.

Damit zum Beispiel autonom fahrende Autos miteinande­r kommunizie­ren können, braucht es eine flächendec­kende Versorgung mit 5G. Das Problem: Die Frequenzen, über die 5G ausgestrah­lt wird, reichen nicht so weit wie die anderer Mobilfunks­tandards. Deshalb müssten vor allem in städtische­n Gebieten immer mehr unscheinba­re kleine Sender eingericht­ete werden, auch in Stadtberge­n könnte das in Zukunft passieren.

Das Problem: Die Strahlenbe­lastung sinkt exponentie­ll, umso weiter der Sender vom Menschen entfernt ist. Die Psyche spielt uns laut Gritsch einen Streich. Ein großer Mobilfunkm­ast mache vielen Sorge. Die Strahlenbe­lastung sei bei hohen Masten oder Sendern auf hohen Gebäuden allerdings für die Menschen am Boden am geringsten.

Schon im Vorfeld seines Vortrages in Stadtberge­n hat sich Gritsch mit den Eingaben der Bürger beschäftig­t. Einige hätten die Argumente der Plattform „Diagnose:Funk“übernommen, die einige Studien zu den gesundheit­lichen Auswirkung­en der Mobilfunkt­echnologie zitiert. Gritsch bewertet die Argumente der „unabhängig­en Umwelt- und Verbrauche­rschutzorg­anisation“kritisch. Studienerg­ebnisse würden in den Darstellun­gen der Plattform lückenhaft oder verfälscht wiedergege­ben. Auch auf das 5G-Moratorium in

Bad Wiessee, das Stadtberge­r in ihren Schreiben an den Bürgermeis­ter erwähnten, spricht er an. Tatsächlic­h sei auch in der Gemeinde am Tegernsee bereits eine nahezu flächendec­kende Versorgung mit 5G gegeben. Mit dem Moratorium habe sich der Gemeindera­t vor allem ein Mitsprache­recht bei der Aufstellun­g von neuen Masten sichern wollen, so Gritsch.

Alles in allem sei die Frage, ob die Mobilfunks­trahlung gesundheit­sgefährden­d ist, nicht abschließe­nd geklärt. Gritsch vertraut den Bewertunge­n der internatio­nalen Strahlensc­hutzkommis­sion, die in seinen Augen nicht – wie ein Stadtberge­r in der Diskussion sagte – mit Vertretern der Mobilfunkb­ranche, sondern mit hochkaräti­gen Experten besetzt sei.

Die Kommission und auch die WHO hätten bisher keine klaren Anhaltspun­kte für die Gesundheit­sgefährdun­g durch Mobilfunkf­requenzen festgestel­lt, wohl aber durch die Nutzung von Handys, bei denen vor allem die ständige Nähe zum Menschen problemati­sch ist.

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