Augsburger Allgemeine (Land West)
Weniger Zeit, dafür intensive Momente
Senioren Für Bewohner von Pflegeheimen ist das Coronavirus besonders gefährlich. Und es hat massive Auswirkungen auf das Leben in den Einrichtungen. Welche Regeln es derzeit gibt und wie Besucher damit umgehen
Landkreis Augsburg Für Bewohner in Pflege- und Altenheimen gab es wegen strenger Corona-Regeln im Frühjahr keinen Besuch. Nachdem die Vorgaben gelockert wurden, sind die Regeln im zweiten Lockdown nun wieder strikter. Die Einschränkungen treffen sowohl Bewohner als auch Besucher.
Das erste Pflegeheim im Landkreis Augsburg, das mit dem Coronavirus im Haus kämpft, ist die Einrichtung der Diakonie am Lohwald in Neusäß. Ende Oktober waren Infektionen bemerkt worden, drei Senioren mussten ins Krankenhaus. In Absprache mit dem Gesundheitsamt wurde eine so genannte Pandemiezone für Erkrankte und deren Kontaktpersonen im Haus eingerichtet.
Der Zugang erfolgt über eine Schleuse und nur mit Schutzausrüstung. Bei sechs Bewohnern und mehreren Mitarbeitern ist der Corona-Test positiv ausgefallen. Das unter großer Belastung stehende Personal wird inzwischen von Beschäftigten aus anderen Diakonie-Heimen unterstützt. Ein Bewohner, der palliativ betreut worden war, ist nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Am Mittwoch hat ein Arzt noch einmal bei allen Bewohnern einen PCR-Test gemacht. Die Ergebnisse stehen noch aus. Mit dem Ausbruch des Virus sind für das Heim ein Besuchsverbot und Aufnahmestopp erlassen worden. Auch externe Dienstleister, zum Beispiel für Fußpflege oder Frisur, dürfen nur noch in dringenden Ausnahmefällen ins Haus.
Seit vergangener Woche ist der Besuch in Heimen für Senioren und Menschen mit Behinderungen auf täglich einen Angehörigen – bei Minderjährigen auch von den Eltern oder Sorgeberechtigten gemeinsam – pro Patient oder Bewohner beschränkt. Ist der Besucher minderjährig, darf er von einem Elternteil begleitet werden. Der Landkreis stützt sich bei der Anordnung auf das Infektionsschutzgesetz.
Im Caritas-Seniorenheim in Königsbrunn gilt diese Regel schon länger, die Besuchszeit ist auf eine Stunde beschränkt. Die Zeitfenster, in denen Bewohner Besuch empfangen können, sind jetzt kleiner. „Wir haben die Besuchszeiten gestrafft, es war an einigen Tagen sehr turbulent im Haus“, sagt Heimleiterin Susanne Jonas. An manchen Tagen seien auf hundert Bewohnern 70 Besucher gekommen. Die Besuchszeiten waren bis zu dieser Woche von 10 bis 17 Uhr, jetzt können Angehörige die Heimbewohner abwechselnd vormittags oder nachmittags besuchen. „Dadurch haben wir jetzt weniger Stunden für Besucher“, sagt Jonas.
Marianne Birkle aus Schwabmünchen hat mit ihrem demenzkranken Vater im Pflegeheim in Langerringen pro Besuch eine halbe Stunde Zeit. Sie ist dankbar für jeden Augenblick: „Da zählt jede Minute, auch wenn es nur 20 Minuten sind. Das ist alles besser als das Besuchsverbot.“In dem Pflegeheim in Langerringen, wo ihr Vater lebt, funktioniere die Organisation sehr gut. Es gibt separate Besucherräume und die Besucher müssen Masken tragen. Durch die Masken haben sich die Besuche von Marianne Birkle verändert – zum Positiven. „Ich war erst unsicher, ob er mich mit Maske erkennt. Aber so intensiv wie jetzt haben wir mit den Augen noch nie kommuniziert.“Sie spürt, dass ihr Vater sie erkennt. Die gemeinsame Zeit würde dadurch intensiver als vorher. „Ich muss nicht viele Geschichten erzählen. Ich kann meinem Vater zeigen, dass ich da bin. Das spürt er auch, und das ist wunderbar.“
Wenn man die veränderten Gegebenheiten annehme, entstünden neue Möglichkeiten, um achtsamer mit sich, dem eigenen Leben und anderen umzugehen. Marianne Birkle sagt: „Corona hat mich gelehrt, die Zeit mit meinem Vater zu nutzen.“