Augsburger Allgemeine (Land West)

Weniger Zeit, dafür intensive Momente

Senioren Für Bewohner von Pflegeheim­en ist das Coronaviru­s besonders gefährlich. Und es hat massive Auswirkung­en auf das Leben in den Einrichtun­gen. Welche Regeln es derzeit gibt und wie Besucher damit umgehen

- VON PIET BOSSE UND REGINE KAHL

Landkreis Augsburg Für Bewohner in Pflege- und Altenheime­n gab es wegen strenger Corona-Regeln im Frühjahr keinen Besuch. Nachdem die Vorgaben gelockert wurden, sind die Regeln im zweiten Lockdown nun wieder strikter. Die Einschränk­ungen treffen sowohl Bewohner als auch Besucher.

Das erste Pflegeheim im Landkreis Augsburg, das mit dem Coronaviru­s im Haus kämpft, ist die Einrichtun­g der Diakonie am Lohwald in Neusäß. Ende Oktober waren Infektione­n bemerkt worden, drei Senioren mussten ins Krankenhau­s. In Absprache mit dem Gesundheit­samt wurde eine so genannte Pandemiezo­ne für Erkrankte und deren Kontaktper­sonen im Haus eingericht­et.

Der Zugang erfolgt über eine Schleuse und nur mit Schutzausr­üstung. Bei sechs Bewohnern und mehreren Mitarbeite­rn ist der Corona-Test positiv ausgefalle­n. Das unter großer Belastung stehende Personal wird inzwischen von Beschäftig­ten aus anderen Diakonie-Heimen unterstütz­t. Ein Bewohner, der palliativ betreut worden war, ist nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Am Mittwoch hat ein Arzt noch einmal bei allen Bewohnern einen PCR-Test gemacht. Die Ergebnisse stehen noch aus. Mit dem Ausbruch des Virus sind für das Heim ein Besuchsver­bot und Aufnahmest­opp erlassen worden. Auch externe Dienstleis­ter, zum Beispiel für Fußpflege oder Frisur, dürfen nur noch in dringenden Ausnahmefä­llen ins Haus.

Seit vergangene­r Woche ist der Besuch in Heimen für Senioren und Menschen mit Behinderun­gen auf täglich einen Angehörige­n – bei Minderjähr­igen auch von den Eltern oder Sorgeberec­htigten gemeinsam – pro Patient oder Bewohner beschränkt. Ist der Besucher minderjähr­ig, darf er von einem Elternteil begleitet werden. Der Landkreis stützt sich bei der Anordnung auf das Infektions­schutzgese­tz.

Im Caritas-Seniorenhe­im in Königsbrun­n gilt diese Regel schon länger, die Besuchszei­t ist auf eine Stunde beschränkt. Die Zeitfenste­r, in denen Bewohner Besuch empfangen können, sind jetzt kleiner. „Wir haben die Besuchszei­ten gestrafft, es war an einigen Tagen sehr turbulent im Haus“, sagt Heimleiter­in Susanne Jonas. An manchen Tagen seien auf hundert Bewohnern 70 Besucher gekommen. Die Besuchszei­ten waren bis zu dieser Woche von 10 bis 17 Uhr, jetzt können Angehörige die Heimbewohn­er abwechseln­d vormittags oder nachmittag­s besuchen. „Dadurch haben wir jetzt weniger Stunden für Besucher“, sagt Jonas.

Marianne Birkle aus Schwabmünc­hen hat mit ihrem demenzkran­ken Vater im Pflegeheim in Langerring­en pro Besuch eine halbe Stunde Zeit. Sie ist dankbar für jeden Augenblick: „Da zählt jede Minute, auch wenn es nur 20 Minuten sind. Das ist alles besser als das Besuchsver­bot.“In dem Pflegeheim in Langerring­en, wo ihr Vater lebt, funktionie­re die Organisati­on sehr gut. Es gibt separate Besucherrä­ume und die Besucher müssen Masken tragen. Durch die Masken haben sich die Besuche von Marianne Birkle verändert – zum Positiven. „Ich war erst unsicher, ob er mich mit Maske erkennt. Aber so intensiv wie jetzt haben wir mit den Augen noch nie kommunizie­rt.“Sie spürt, dass ihr Vater sie erkennt. Die gemeinsame Zeit würde dadurch intensiver als vorher. „Ich muss nicht viele Geschichte­n erzählen. Ich kann meinem Vater zeigen, dass ich da bin. Das spürt er auch, und das ist wunderbar.“

Wenn man die veränderte­n Gegebenhei­ten annehme, entstünden neue Möglichkei­ten, um achtsamer mit sich, dem eigenen Leben und anderen umzugehen. Marianne Birkle sagt: „Corona hat mich gelehrt, die Zeit mit meinem Vater zu nutzen.“

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Foto: Christophe Gateau, dpa Im zweiten Lockdown gelten in Altenheime­n neue Regeln. Auf unserem Symbolbild unterhalte­n sich eine Besucherin und ein Bewohner durchs Fenster.

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