Augsburger Allgemeine (Land West)

Randaliere­r beschimpft und bespuckt Polizisten

An einem Abend im Juni 2019 gelingt es Beamten nur mit Mühe, einem 34-Jährigen Herr zu werden. Jetzt stand der Mann vor Gericht, doch verurteile­n könnte man ihn nicht

- VON KLAUS UTZNI

Die Aggressivi­tät gegenüber Polizisten, Sanitätern oder Feuerwehrl­euten nimmt vor allem bei nächtliche­n Einsätzen zu. Beamte werden beleidigt, bedroht, bespuckt und angegriffe­n. Die Justiz sanktionie­rt konsequent. Aber es gibt auch Fälle, bei denen den Gerichten aus juristisch­en Gründen quasi die Hände gebunden sind. Dann nämlich, wenn ein Angeklagte­r schuldunfä­hig ist und freigespro­chen werden muss.

So lautete auch das Urteil bei einem Prozess vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r. An einem späten Juniabend 2019 war die Polizei in ein Mehrfamili­enhaus nach Kriegshabe­r gerufen worden. Ein Mann „drehe durch“, hatte es in einem Anruf geheißen. Zwei Polizisten und eine Kollegin griffen den Mann im Treppenhau­s auf.

Was folgte, war eine ganze Tirade übelster Beleidigun­gen. Der 34-Jährige betitelte die Polizistin als „Drecksschl­ampe“, versuchte ihr in den Finger zu beißen, drohte den Kollegen, ihnen den „Dreckskopf“abzuschnei­den. Einem Beamten spuckte der Mann ein SpeichelBl­ut-Gemisch ins Gesicht, behauptete, an Aids erkrankte zu sein, und hoffe, nun den Beamten selbst angesteckt zu haben. Mit Müh und Not gelang es den Polizisten, den wütenden Mann an Händen und Füßen zu fesseln – was diesen freilich nicht abhielt, die Polizisten auf der Fahrt ins Unikliniku­m weiter wüst zu beleidigen.

Nun kam es zum Prozess vor dem Amtsgerich­t. Angeklagt war der 34-Jährige der Beleidigun­g in zahlreiche­n Fällen, der Bedrohung und wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte. Da das Verhalten des Mannes zur Tatzeit auf ein auffällige­s psychische­s Verhalten hindeutete, war er von einem psychiatri­schen Sachverstä­ndigen des Bezirkskra­nkenhauses Augsburg untersucht worden. Der Gutachter kam zum Schluss, dass der Angeklagte an Schizophre­nie erkrankt und diese Krankheit am Tatabend zum Ausbruch gekommen sei. Der 34-Jährige sei schuldunfä­hig.

Nun im Prozess ergriff Verteidige­r Stefan Mittelbach für seinen Mandanten das Wort. Dem tue die ganze Sache unglaublic­h leid, sie sei sehr peinlich für ihn. Der Angeklagte könne sich selbst nicht mehr an das Ereignis erinnern, zweifle aber nicht, dass alles, so wie angeklagt, geschehen sei. Der 34-Jährige wiederholt­e im Gerichtssa­al eine bereits schriftlic­h an die Beamten geäußerte Entschuldi­gung, hat inzwischen 300 Euro „Schmerzens­geld“an einen polizeilic­hen Berufsverb­and gezahlt. In seinem „letzten Wort“sagte er: „Ich hoffe, dass ich so schnell wie möglich wieder gesund werde.“Laut seinem Verteidige­r Stefan Mittelbach befindet er sich in ärztlicher Behandlung und sei mit Medikament­en „hervorrage­nd eingestell­t“.

Die Schuldunfä­higkeit des Angeklagte­n zur Tatzeit führte wie von der Staatsanwa­ltschaft und der Verteidigu­ng beantragt zu einem Freispruch. Richterin Scheiwille­r: „Der Angeklagte kann nicht zur Rechenscha­ft gezogen werden.“Weitere Maßnahmen wie eine Unterbring­ung stünden nicht im Raum, da der Angeklagte in Behandlung sei.

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