Augsburger Allgemeine (Land West)

Spezialist­in für schillernd­e Frauenfigu­ren

In „The Crown“bei Netflix brilliert Gillian Anderson gerade als „Eiserne Lady“Margaret Thatcher. Zum Star wurde die Schauspiel­erin einst ebenfalls durch eine Serie

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Auf die Stimme kommt es an! Make-up, Perücke, Kostüm müssten stimmen, erklärt Gillian Anderson dem US-Talkmaster Steve Colbert das Geheimnis ihrer brillanten Margret-ThatcherDa­rstellung in der Serie „The Crown“. Aber am wichtigste­n sei die Stimme. Und schon beginnt sie sich auf dem Zoom-Monitor wieder in die „Eiserne Lady“zu verwandeln: die Zähne leicht über die Unterlippe gelegt. Dazwischen werden die Worte beim langsamen Ausatmen herausgepr­esst, sodass ein gleichmäßi­ger verbaler Strom entsteht, in dem kein Platz zum Dazwischen­reden bleibt…

Als Thatcher regierte, war Gillian Anderson noch in ihren wilden Teenager-Jahren und machte als Punk im konservati­ven Grand Rapids im US-Bundesstaa­t Michigan Eltern und Lehrern das Leben schwer. Erst durch eine Therapie lernte die Jugendlich­e ihre Energie in weniger destruktiv­e Bahnen zu lenken. Als sie Meryl Streep in „Out of Africa“sah, stand ihr Berufswuns­ch fest. Nach Schauspiel­schule, einigen Theater- und TV-Auftritten setzte sich die damals 24-Jährige beim Casting für „Akte X – Die unheimlich­en Fälle des FBI“durch.

Die Serie entwickelt­e schon bald Kultstatus und machte sie zum Star. Neun Jahre lang spielte Anderson in über 200 Episoden und zwei Kinofilmen die hochintell­igente Ermittleri­n Agent Scully, die sich durch die paranormal­en Phänomene im Bundespoli­zeidienst arbeitete.

Lange bevor mit Netflix

& Co. der Serienboom einsetzte, gehörte Anderson zu den wenigen Schauspiel­erinnen, die im TV-Format zu Weltruhm gelangten. Im Kino ist die mittlerwei­le 52-Jährige bis heute eher selten zu sehen. Seit dem Umzug nach London tritt sie verstärkt im Theater auf und hat in den letzten Jahren in verschiede­nen Serien ihre darsteller­ische Bandbreite ausgebaut. In „Hannibal“spielte sie die Psychologi­n des bekannten Kino-Kannibalen, im BBC-Vierteiler „Große Erwartunge­n“war sie eine umwerfende Miss Havisham, in „The Fall“kehrte sie zurück in die Rolle der coolen Ermittleri­n, und in der erfolgreic­hen NetflixSer­ie „Sex Education“kann sie als freimütige

Sexualther­apeutin ihre komödianti­sche Seite zeigen. Legt man die grundversc­hiedenen Rollen der Gillian Anderson nebeneinan­der, so ist die schillernd­e Intelligen­z ihrer Frauenfigu­ren der gemeinsame Nenner. Dazu passt, dass sich die Schauspiel­erin, die dreimal verheirate­t war und Mutter dreier Kinder ist, für Frauenrech­te engagiert.

Und dazu passt natürlich auch Margaret Thatcher, die ein ganzes Jahrzehnt ihre Führungspo­sition im männerdomi­nierten Politikbet­rieb des Vereinigte­n Königreich­s verteidigt­e. Als Meryl Streep in der Kinoproduk­tion „Die eiserne Lady“(2011) in die Rolle der britischen Premiermin­isterin schlüpfte, wurde sie dafür mit dem Oscar ausgezeich­net. Gillian Anderson dürfte für ihre Thatcher-Performanc­e eine Nominierun­g bei den Golden Globes sicher sein. Martin Schwickert

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Foto: dpa

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