Augsburger Allgemeine (Land West)

Neuer Stunk um Verbrenner

Klimapolit­ik Die EU-Kommission plant schärfere Abgasgrenz­werte – und zwar schon ab 2025. Weil die Euro-7-Norm nur E-Autos und Hybride schaffen, ist von „Kriegserkl­ärung“die Rede

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Das Auto von morgen ist leise und stößt kein Kohlendiox­id aus – egal, ob es mit Dachgepäck­träger voller Fahrräder beladen wurde oder einen Anhänger zieht. Bis vor kurzem hätten selbst eingefleis­chte Anhänger des Grünen Deals der Europäisch­en Kommission diese Vision auf die Jahre 2035 oder 2040 taxiert. Seit dem Wochenende kursiert ein deutlich früheres Startdatum in Brüssel: 2025.

Die Experten der EU-Behörden basteln gerade an der künftigen Euro-7-Abgasnorm. Details sickerten am Wochenende durch. Insider bezeichnet­en die Pläne schnell als „Kriegserkl­ärung an Diesel und Benziner“. Denn beide Antriebe würden die jetzt veröffentl­ichten Vorgaben nicht schaffen. Die Abgasgrenz­werte der Pkw sollen drastisch gesenkt werden: CO2 auf null, Stickoxide von 60 Milligramm (Benziner) bzw. 80 Milligramm (Diesel) auf 30 Milligramm pro Kilometer. In einem zweiten Szenario ist von zehn Milligramm die Rede. Kohlenmono­xid müsste von 1000 bzw. 500 Milligramm auf 300 bzw. 100 Milligramm reduziert werden. Doch nicht diese Grenzwerte sind das Problem, sondern die Vorgaben für die Messungen im Alltagsbet­rieb. „Vereinfach­t gesagt verlangen die Gesetzgebe­r in Brüssel, dass jedes Auto vom Volkswagen Up bis zum großen SUV vom ersten Meter an auch bei minus zehn Grad im

Winter mit einem Anhänger im Schlepptau und Lewis Hamilton am Steuer bei einer Bergfahrt nicht einmal auf den ersten zwei Kilometern irgendwelc­he Schadstoff­e in geringer Konzentrat­ion emittieren darf“, fasste der Motorenent­wickler und Experte für Abgasreini­gung, Thomas Koch, vom Karlsruher Institut für Technologi­e im Magazin Focus die Ideen aus Brüssel zusammen.

„Das ist technisch unmöglich und das wissen auch alle“, kommentier­te die Chefin des Autobranch­enverAngeb­lich bandes VDA, Hildegard Müller, die Visionen aus Brüssel. Da selbst hochmodern­e Katalysato­ren in neuen Diesel-Autos nämlich erst auf Betriebste­mperatur kommen müssen, um ihre reinigende Wirkung zu entfalten, bedeutet das, was die Experten der Kommission da ausgearbei­tet haben, de facto das Aus für Diesel und Benziner. Zwar dürften Altfahrzeu­ge dann noch weiter gefahren werden, Neuwagen sollen offenbar nur noch mit E-Antrieb oder Plug-in-Hybrid zugelassen werden.

will die Kommission per Überwachun­gssoftware die Emissionen kontrollie­ren.

In Brüssel ist inzwischen ein heftiger Streit ausgebroch­en, bei dem vor allem die Christdemo­kraten den sozialdemo­kratischen Klimaschut­zKommissar Frans Timmermans scharf angehen. So kritisiert­e der Automobil-Experte der EuropaCDU, Jens Gieseke: „Machen wir uns nichts vor. Auch Elektroaut­os fahren nicht emissionsf­rei. Beim aktuellen europäisch­en Strommix verlagern sich die Emissionen in die Stromprodu­ktion.“Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CDU/ CSU-Gruppe im EU-Parlament, Markus Pieper, griff Timmermans direkt an und warf ihm vor, es gehe ihm „nicht um Klimaschut­z, sondern um die ideologisc­he Zerstörung der europäisch­en, besonders der deutschen Autoindust­rie und der Motorenher­steller gleich mit“.

Die EU-Kommission will in wenigen Wochen eine öffentlich­e Konsultati­on starten, bei der sich alle Beteiligte­n einbringen könnten. Im Dezember 2021 werde dann ein konkreter Vorschlag folgen. Doch die Europa-Abgeordnet­en wissen auch, dass man früh Alarm schlagen muss, weil die Kommission das Spiel mit Versuchsba­llons gut beherrscht. Und außerdem, so heißt es in den Reihen der kritischen Volksvertr­eter, habe die EU „immer mehr auf die gehört, die den Fahrzeugen, wie wir sie kennen, den Garaus machen wollen“.

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Foto:Franziska Kaufmann, dpa Mit ihren Plänen für eine frühere Verschärfu­ng der Abgasgrenz­werte hat die EU‰Kommission den Streit um Diesel und Benziner angeheizt.

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