Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Ende des Mythos CSU
Aufgefallen
Corona setzt den Politikern schon arg zu. Und da geht es noch nicht mal um die schwierigen Entscheidungen, die tagein, tagaus getroffen werden müssen. Es geht um die bloße Alltagsbetätigung. Die Bierzeltrede muss jetzt aus dem Büro gestreamt werden. Die Wiedererkennbarkeit wird durch Masken erschwert. Und das Hinterzimmer, in dem ja angeblich die wirklich wichtigen Entscheidungen fallen, ist heute das Homeoffice.
Besonders schlimm erwischt es die CSU, deren Vertreter traditionell die Oberhoheit über das Bierzelt, die Volksnähe und das Hinterzimmer beanspruchen. Und die ihre Partei gerne mit Mythen aufladen. Doch schon vor Corona drohten einige dieser Mythen zu schwinden. Jener „Geist von Kreuth“etwa, als Franz Josef Strauß im Jahr 1976 die CSU auf ganz Deutschland ausdehnen wollte. Der Geist wurde vertrieben, als die adelige Eigentümerin ankündigte, dass aus der Tagungsstätte ein Luxushotel werden soll. Die CSU zog aus. Die Landtagsfraktion traf sich fortan im Kloster Banz und die Berliner Landesgruppe im Kloster Seeon – was beides wenigstens noch etwas Bayerisches, Barockes und ein bisschen Mythisches hatte.
Jetzt aber der Hammer: Die Landesgruppe verlegt ihre Winterklausur wegen Corona nach – Achtung! – Berlin. Ins moderne Congress Center am Alexanderplatz. In dieser Kongresshalle tagte einst die Volkskammer der DDR. Mehr muss man eigentlich nicht wissen. Nur dies noch: Die CSU-Klausur soll eine „hybride“Veranstaltung werden. Gäste werden also teils anwesend sein, teils digital zugeschaltet werden. Und ein strenges Hygienekonzept soll es auch geben. Bei allem Verständnis für Corona-Prävention: Aber das ist das Ende von Kaminabend und Klausur-Gemütlichkeit. Und Schnee wird es ziemlich sicher auch keinen geben. Wie will denn die CSU von dort aus Bilder alter Stärke in die Republik senden? Jetzt fehlt nur noch, dass die CSU-Fraktion von Kloster Banz in die Messehalle Riem umzieht. Dann wäre es endgültig vorbei mit dem Mythos CSU.